Wechselt ein Arbeitnehmer während des Urlaubsjahres die Beschäftigungsstelle, ist zu unterscheiden, ob der Beschäftigte aus dem vorherigen Beschäftigungsverhältnis weniger Urlaub erhalten hat, als er noch Urlaubsansprüche besaß oder ob er mehr als den ihm nach der Beschäftigungsdauer zustehenden Urlaub in dem Urlaubsjahr in Anspruch genommen hat. Hat der Arbeitnehmer exakt den ihm zustehenden Urlaubsanspruch erhalten, bestehen keine Ansprüche.
Hat ein Beschäftigter zu wenig Urlaub in seinem vorherigen Arbeitsverhältnis in Anspruch genommen, so ist der neue Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Urlaubstage nachzugewähren. Der Beschäftigte hat in diesem Fall ggf. einen Abgeltungsanspruch gegen den alten Arbeitgeber. Hat der Beschäftigte aus seinem vorherigen Arbeitsverhältnis mehr als seinen anteiligen Jahresurlaub erhalten, so gilt der Grundsatz, dass Urlaub nicht doppelt gewährt wird. Der bereits gewährte Urlaub wird angerechnet (§ 6 BUrlG). Dies gilt allerdings nur für den laufenden Urlaubsanspruch aus dem Kalenderjahr, nicht für den aus dem Vorjahr übertragenen Urlaub.
Ein Beschäftigter in einem TVöD-Arbeitsverhältnis wechselt am 1.5.2013 zu einem anderen Arbeitgeber, der gleichfalls den TVöD anwendet. Bis zum 30.4. standen ihm bei seinem alten Arbeitgeber 4/12 (von 30 Urlaubstagen) = 10 Urlaubstage zu. Er hatte aber bereits 15 Urlaubstage in Anspruch genommen, sodass beim neuen Arbeitgeber von den eigentlich 20 (8/12 von 30) zustehenden Urlaubstagen 5 abzuziehen sind.
Zu beachten ist aber, dass nur die Urlaubstage angerechnet werden dürfen, die rechnerisch in den Zeitraum des neuen Arbeitsverhältnisses fallen.
Ein Beschäftigter hat 30 Tage Urlaubsanspruch. Er nimmt bis zum Februar 25 Tage in Anspruch. Das Arbeitsverhältnis endet vorzeitig am 30.6. und der Beschäftigte beginnt am 1.9. ein neues Arbeitsverhältnis zu gleichen Bedingungen. Im Juli und August ist er nicht erwerbstätig.
Für die Dauer des alten Arbeitsverhältnisses hätten dem Beschäftigten bis zum 30.6. nur 6/12 = 15 Urlaubstage zugestanden, sodass er 10 Urlaubstage zu viel erhalten hat. Diese 10 Urlaubstage wären für die Beschäftigungsmonate Juli, August, September, Oktober zu berechnen. Das neue Arbeitsverhältnis begann erst am 1.9., sodass auch nur die sich überschneidenden Urlaubsansprüche der Monate September und Oktober zu berücksichtigen sind.
Dem Beschäftigten stehen beim neuen Arbeitgeber für das restliche Jahr 4/12 = 10 Urlaubstage zu. Hiervon sind 5 Urlaubstage der "Überschneidungsmonate" anzurechnen, sodass ein Anspruch von 5 Urlaubstagen verbleibt.
Schwieriger sind die Fälle, in denen die Jahresurlaubsansprüche im alten und neuen Arbeitsverhältnis unterschiedlich sind. Hier ist eine Umrechnung erforderlich.
Ein Beschäftigter hat bei einem privaten Arbeitgeber 26 Tage Urlaubsanspruch. Er nimmt bis zum 30.6., an dem er vorzeitig aus der Firma ausscheidet, vollständig seinen Jahresurlaub.
Der Beschäftigte beginnt am 1.7. ein Arbeitsverhältnis bei einem TVöD-Arbeitgeber und hat nun einen Anspruch von 30 Urlaubstagen. Aus dem alten Arbeitsverhältnis fallen 13 Tage des gewährten Urlaubs auf die zweite Jahreshälfte. Im neuen Arbeitsverhältnis stehen dem Beschäftigten (6/12 von 30) 15 Urlaubstage zu. Unter Abzug der 13 Tage des zu viel gewährten Urlaubs verbleiben dem Beschäftigten beim neuen Arbeitgeber noch 2 Urlaubstage.
§ 6 BUrlG gilt auch für Zusatzurlaub. Hat ein Schwerbehinderter seinen Zusatzurlaub bereits von seinem bisherigen Arbeitgeber erhalten, kann er diesen Zusatzurlaub nicht nochmals geltend machen.
Voraussetzung für die Anwendung des § 6 BUrlG ist immer, dass der erste Arbeitgeber den Urlaub auch tatsächlich gewährt hat. Die Abgeltung steht dem gleich. Diese Information erhält der Arbeitgeber aus der Urlaubsbescheinigung. § 6 Abs. 2 BUrlG verpflichtet den alten Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Bescheinigung über den im laufenden Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Urlaub zu erteilen.
Die Urlaubsbescheinigung muss enthalten:
- vollständigen Namen, falls nötig auch Geburtsdatum oder Anschrift,
- Kalenderjahr, für das die Bescheinigung ausgestellt wird,
- Zeitraum, in dem das Arbeitsverhältnis bestanden hat,
- Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr,
- Anzahl der für das Kalenderjahr gewährten oder abgegoltenen Tage Urlaub (ohne übertragenen Urlaub aus dem Vorjahr) und
- Hinweis auf Umfang des Arbeitsverhältnisses, wenn Abweichungen von der 5-Tage-Woche vorliegen.
Sie ist schriftlich auf einer gesonderten Urkunde zu erteilen und zu unterschreiben.
Der Umstand, dass in dem Jahr des Arbeitsbeginns anderweitig noch kein Urlaub gewährt wurde, stellt nach Auffassung des BAG eine negative Anspruchsvoraussetzung dar (und keine rechtshindernde Einwendung). Dem Arbeitnehmer als Gläubiger des Urlaubsanspruchs obliegt es deshalb, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass die Voraussetzungen, unter denen § 6 Abs. 1 BUrlG eine Anrechnung bereits gewährten Urlaubs vorsieht, nicht ...