Bei dauererkrankten Beschäftigten, aber auch solchen, die erst zum Ende des Urlaubsjahres längerfristig erkranken, gilt nunmehr, dass der Urlaubsanspruch in die Zukunft übertragen wird. Hierbei stellt sich die Frage, ob der Urlaub unbefristet übertragen wird. Dauert die Erkrankung mehrere Jahre an, würde der Beschäftigte also einen ständig anwachsenden "Berg" von Urlaubstagen vor sich herschieben.
Beispielsfall
Schwerbehinderter AN war arbeitsunfähig vom 23.11.1997–30.9.2009. Das AV wurde beendet durch Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung i. H. v. 15.000 EUR. Mit der Klage machte er Urlaubsabgeltung i. H. v. 29.198,24 EUR geltend. Das (nicht rechtskräftige) Urteil: Der Urlaubsanspruch verjährt nicht. Anspruch auf Abgeltung von
- 260 Tagen gesetzlichem Mindesturlaub nach BUrlG +
- 54 Tagen Schwerbehindertenzusatzurlaub =
- 314 Tagen Urlaub = 29.198,23 EUR brutto.
Zu dieser Problematik hat der EuGH auf eine Vorlage des LAG Hamm festgestellt, dass das Unionsrecht eine unbegrenzte Ansammlung von Urlaubsansprüchen nicht erfordert.
Das LAG Hamm hatte dem EuGH folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Zitat
Zitat
Ist Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten, nach denen der Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums erlischt, auch dann entgegensteht, wenn der Arbeitnehmer längerfristig arbeitsunfähig ist und deshalb Mindesturlaubsansprüche für mehrere Jahre ansammeln könnte, wenn diese nicht begrenzt würden, und würde die zeitliche Begrenzung mindestens 18 Monate betragen müssen?
In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit ging es um die Frage, ob der Arbeitgeber dem Kläger Urlaubsabgeltung für die Jahre 2006 bis 2008 schuldet. Der Kläger erlitt im Januar 2002 einen Infarkt. In der Zeit vom 26.2. bis 16.4.2002 unterzog er sich einer Reha-Maßnahme, aus der er arbeitsunfähig entlassen wurde. Ab Oktober 2003 bezog er jeweils befristet eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Im August 2008 vereinbarten die Parteien die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.8.2008. Das LAG Hamm hatte Zweifel, dass der Kläger seinen Mindesturlaub für das Jahr 2006 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses behalten hat. Nach seiner Ansicht erfordert der mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG verfolgte Zweck keine Ansammlung von Urlaubsansprüchen für mehrere Jahre.
Auf diese Vorlage hin hat der EuGH entschieden, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie etwa Tarifverträgen nicht entgegensteht, die die Möglichkeit, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch erlischt.
In Anwendung dieser EuGH-Entscheidung hat das LAG Baden-Württemberg entschieden, dass generell – also auch ohne spezielle tarifliche Regelung – Urlaubsansprüche bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit spätestens 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres untergehen und bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abzugelten sind.
In dem zugrunde liegenden Fall macht der Kläger, der von 2006 bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 30. November 2010 arbeitsunfähig erkrankt war, die Abgeltung von Urlaubsansprüchen der Jahre 2007 bis 2009 geltend. Das Gericht hat dem Kläger Abgeltungsansprüche für das Jahr 2009 zugesprochen, jedoch entschieden, dass Urlaubsansprüche aus den Jahren 2007 und 2008 zum Zeitpunkt des Ausscheidens verfallen waren. Nach Auffassung des LAG ist eine Abweichung von der durch den nationalen Gesetzgeber geschaffenen Befristungsregelung in § 7 Abs. 3 BUrlG im Wege der unionsrechtlichen Rechtsfortbildung durch die nationale Rechtsprechung nur legitimiert, soweit dies das Unionsrecht gebietet.
Im gleichen Sinne hat auch das LAG Hamm entschieden, die (automatische) Verfallfrist jedoch auf 18 Monate festgesetzt.
Das BAG hat mit Urteil vom 7.8.2012, 9 AZR 353/10 in dieser Frage Rechtsklarheit geschaffen wie folgt:
Die gesetzlichen Urlaubsansprüche verfallen aufgrund einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, wenn ein Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert ist.
Zur Begründung führt das BAG u. a. an, dass, § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG schon bislang so ausgelegt wurde, dass der gesetzliche Urlaub im Falle der Unmöglichkeit der Urlaubsverwirklichung im Kalenderjahr infolge lang andauernder Arbeitsunfähigkeit auf das folgende Kalenderjahr ohne Beschränkung auf die Dreimonatsfrist des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG übergeht. Dabei tritt der infolge der Übertragung hinzutretende, noch zu erfüllende Anspruch aus dem Vorjahr zum am 1.1. eines jeden Kalenderjahres neu entstehenden Anspruch hinzu. Auf diese kumulierende Weise wächst der Urlaubsanspruch an. Der in das Folgejahr übertragene Urlaub unterliegt dem Fristenregime des § 7 A...