BAG, Urteil v. 20.3.2018, 9 AZR 486/17
Leitsätze (amtlich)
1. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union darf die Verringerung des Beschäftigungsumfangs nicht dazu führen, dass der von einem Arbeitnehmer vor der Verringerung erworbene und nach der Verringerung angetretene Jahresurlaub mit einem reduzierten Urlaubsentgelt vergütet wird.
2. Angesichts dieser Vorgaben sind § 26 Abs. 1 Satz 1 und § 21 Satz 1 TV-L wegen der mittelbaren Benachteiligung von Teilzeitkräften nichtig, soweit sie das Urlaubsentgelt eines Arbeitnehmers, der nach der Verringerung seiner wöchentlichen Regelarbeitszeit seinen Urlaub antritt, auch in den Fällen nach dem Entgeltausfallprinzip bemessen, in denen der Urlaub aus der Zeit vor der Arbeitszeitreduzierung stammt.
Sachverhalt
Die Klägerin arbeitete beim beklagten Land vom 1.3.2012 bis zum 31.7.2015 in Teilzeit mit einer Teilzeitquote von 35/40 der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft; danach reduzierte sie ihre Arbeitszeit – bei fortbestehender 5-Tage-Woche – auf 20 Stunden. Der TV-L fand kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. In der Zeit vom 10.8.2015 bis zum 22.2.2016 hatte die Klägerin an insgesamt 47 Arbeitstagen Urlaub, welcher jeweils aus der Zeit vor der Reduzierung ihrer Arbeitszeit stammte. Das Urlaubsentgelt berechnete das beklagte Land allerdings auf der Grundlage der aktuellen Teilzeitquote mit dem hälftigen Bruttoentgelt. Die Klägerin forderte vom beklagten Land erfolglos, das Urlaubsentgelt auf der Grundlage ihrer vormaligen Arbeitszeit im Umfang von 35/40 der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft zu berechnen, da die Berechnung des Urlaubsentgelts auf der Grundlage der während des Urlaubszeitraums geltenden Teilzeitquote gegen Unionsrecht verstoße.
Die Entscheidung
Die hierauf gerichtete Klage hatte großenteils Erfolg.
Das BAG entschied, dass "die tarifvertraglichen Regelungen in § 26 Abs. 1 Satz 1 und § 21 Satz 1 TV-L, die einem Arbeitnehmer während des Urlaubs einen Anspruch auf die Weiterzahlung des Tabellenentgelts sowie der sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile einräumen, wegen der mittelbaren Benachteiligung von Teilzeitkräften nichtig (§ 4 Abs. 1 TzBfG i. V. m. § 134 BGB) seien, soweit sie das Urlaubsentgelt eines Arbeitnehmers, der nach der Verringerung seiner wöchentlichen Regelarbeitszeit seinen Urlaub antritt, auch in den Fällen nach dem Entgeltausfallprinzip bemessen, in denen der Urlaub aus der Zeit vor der Arbeitszeitreduzierung stammt". Insoweit sei hier das Urlaubsentgelt nicht auf der Grundlage der während des jeweiligen Urlaubszeitraums geltenden Teilzeitquote i. H. v. 20/40, sondern auf der Grundlage der vor der Reduzierung der Regelarbeitszeit geltenden Teilzeitquote i. H. v. 35/40 zu ermitteln.
Das Gericht führte hierzu aus, dass die Regelungen in § 26 Abs. 1 Satz 1 und § 21 Satz 1 TV-L nicht unmittelbar an die Dauer der Arbeitszeit anknüpften, sondern Anknüpfungspunkt sei das Entgelt, das dem Arbeitnehmer zustünde, wenn er seine Arbeitsleistung erbracht hätte. Aufgrund dessen hatte der Senat bislang vertreten, dass Tarifvorschriften, wie auch § 26 Abs. 1 Satz 1 und § 21 Satz 1 TV-L, die das Urlaubsentgelt unter Rückgriff auf das Entgeltausfallprinzip berechnen, rechtlich nicht zu beanstanden seien, wenn sie sicherstellen, dass der Arbeitnehmer mindestens das Urlaubsentgelt erhält, das er bei Weiterarbeit ohne Freistellung gewöhnlich erwarten könnte (vgl. hierzu BAG, Urt. v. 21.9.2010, 9 AZR 510/09). Hieran könne nun jedoch aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 22.4.2010 (C-486/08) für "Alturlaub", den ein Arbeitnehmer nach der Verringerung seiner wöchentlichen Regelarbeitszeit antritt, nicht mehr festgehalten werden; denn dieser hatte entschieden, dass § 4 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit dahin auszulegen sei, dass er einer nationalen Bestimmung entgegenstehe, nach der bei einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes eines Arbeitnehmers das Ausmaß des noch nicht verbrauchten Erholungsurlaubs in der Weise angepasst werde, dass der von einem Arbeitnehmer, der von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung übergeht, in der Zeit der Vollzeitbeschäftigung erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, dessen Ausübung dem Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht möglich war, reduziert werde oder der Arbeitnehmer diesen Urlaub nur mehr mit einem geringeren Urlaubsentgelt verbrauchen könne.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze verstieß die vom beklagten Land vorgenommene Bemessung des Urlaubsentgelts unter Zugrundelegung einer Teilzeitquote von 20/40, was zu einer Verringerung des Entgeltanspruchs der Klägerin führte, gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten. Das Urlaubsentgelt der Klägerin war deshalb unter Zugrundelegung einer Teilzeitquote von 35/40 zu berechnen.
Des Weiteren sei, so das BAG, entgegen der Auffassung der Beklagten, zu berücksichtigen, dass § 26 Abs. 1 Satz 1 und § 21 Satz 1 TV-L auf das während des Urlaubszeitraums maßgebliche Entgelt, somit also das Entgelt unter E...