LAG Düsseldorf, Urteil v. 24.6.2020, 4 Sa 571/19
Leitsatz Nr. 1 (amtlich)
Urlaubsabgeltungsansprüche unterliegen tarif- oder einzelvertraglichen Ausschlussfristen auch dann, wenn die zugrunde liegenden Urlaubsansprüche – etwa aufgrund unzureichender Aufklärung durch den Arbeitgeber – urlaubsrechtlich nicht verfallen konnten.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus dem Jahr 2017. Der Kläger war bis Ende Oktober 2017 bei dem beklagten Logistikunternehmen als Niederlassungsleiter beschäftigt. Kraft arbeitsvertraglicher Regelung standen dem Kläger neben dem gesetzlichen Urlaub von 20 Arbeitstagen im Kalenderjahr weitere 10 Arbeitstage "vertraglicher" Urlaub zu. Weiter waren vertraglich Ausschlussfristen vereinbart, wonach die Vertragsparteien Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 3 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von weiteren 3 Monaten einklagen müssten. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses standen dem Kläger noch 25 nicht genommene Urlaubstage aus dem Jahr 2017 zu. Mit Schreiben vom 21.12.2018 forderte der Kläger die Beklagte zur Abgeltung des Anspruchs auf. Diese wies die Ansprüche als verfallen zurück. Der Kläger erhob Klage. Er vertrat die Auffassung, dass der Anspruch nicht verfallen sei, u. a. deshalb, weil Urlaubsansprüche nicht arbeitsvertraglichen Verfallfristen unterlägen; und dies müsse nach der Rechtsprechung des EuGH auch für Ansprüche auf Urlaubsabgeltung gelten, insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt hatte, den Urlaub zu nehmen.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das LAG Düsseldorf entschied, dass der Anspruch gemäß der arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist verfallen sei.
Das Gericht führte zunächst aus, dass zu den von der Ausschlussfrist erfassten "Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis" auch Ansprüche auf Abgeltung von Urlaubsansprüchen gehörten; denn fänden sich in einer Verfallklausel keine sachlichen Einschränkungen, so würden unter den Begriff der „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis” alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche fallen, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben. Vom Anwendungsbereich der Klausel erfasst sei demnach auch der Anspruch auf Urlaubsabgeltung gem. § 7 Abs. 4 BUrlG. Weiter urteilte das LAG, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung als reiner Geldanspruch allgemeinen arbeits- oder tarifvertraglichen Ausschlussfristen unterliegen könne. Dem stehe weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die vom EuGH vorgenommene Auslegung der Richtlinie 2003/88/EG entgegen. Entgegen der Auffassung des Klägers gelte dies auch dann, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nicht durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Auch wenn nach der Rechtsprechung des EuGH ein Arbeitnehmer in diesem Fall seinen Anspruch auf Urlaub bzw. entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub nicht verlöre, betreffe diese Rechtsprechung allein die Frage des urlaubsrechtlichen Verfalls von Urlaubsansprüchen und sei für den hier fraglichen Verfall eines Urlaubsabgeltungsanspruchs aufgrund allgemeiner vertraglicher oder tarifvertraglicher Verfallfristen nicht einschlägig. Anderenfalls ließe sich auch der Zweck von Verfallklauseln, Rechtsfrieden zu schaffen, nicht verwirklichen.