Entscheidungsstichwort (Thema)
Mutterschutz: zum Vorliegen eines die fristlose Kündigung während der Schwangerschaft rechtfertigenden besonderen Falles nach MuSchG § 9 Abs 3 S 1 (hier: verneint)
Leitsatz (redaktionell)
Ein besonderer Fall, der es nach § 9 Abs 3 S 1 MuSchG rechtfertigt, daß die Arbeitsschutzbehörde die Kündigung einer dem Mutterschutz unterliegenden Arbeitnehmerin für zulässig erklärt, liegt nicht bereits dann vor, wenn die Arbeitnehmerin gegenüber der Ehefrau des Geschäftsführers und Gesellschafters ihrer Arbeitgeberin eine Indiskretion über dessen Privatleben begeht. Das gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmerin ihre Arbeitsleistung im Rahmen einer engen persönlichen Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer zu erbringen hat.
Normenkette
MuSchG § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
VG Karlsruhe (Entscheidung vom 28.10.1992; Aktenzeichen 7 K 562/92) |
Tatbestand
Die Klägerin ist seit 1.1.1990 bei der Beigeladenen als Angestellte beschäftigt. Mit Schreiben vom 31.7.1991 kündigte die Beigeladene ihr. Die Klägerin legte mit Telefax vom 4.9.1991 eine ärztliche Bescheinigung vom 2.9.1991 vor, wonach sie sich in der 6. Schwangerschaftswoche befunden habe. Mit Schreiben vom 18.9.1991 beantragte die Beigeladene beim Gewerbeaufsichtsamt die Zustimmung zur beabsichtigten fristlosen Kündigung der Klägerin gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG. Als Grund für die fristlose Kündigung gab die Beigeladene an: Die Klägerin habe am 29.7.1991 dienstlich von einer geschäftlichen Terminsvereinbarung des Geschäftsführers der Beigeladenen mit einem Kunden Kenntnis erlangt. Am selben Abend habe die Klägerin den Geschäftsführer gesehen, wie er mit einer Bekannten eine Gaststätte betreten habe. Sie habe sofort die Ehefrau des Geschäftsführers angerufen und dieser wörtlich mitgeteilt: "Ihr Mann hat heute abend keinen geschäftlichen Termin, er sitzt mit seiner Freundin, mit der er seit 1 1/2 Jahren fremdgeht, im "G." und macht sich dort einen schönen Abend". Durch diesen Anruf sei die Ehe des Geschäftsführers in eine schwere Krise geraten. Im Hinblick auf das Verhalten der Klägerin sei der Beigeladenen eine Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr zuzumuten.
Im Rahmen der Ermittlungen des Gewerbeaufsichtsamtes teilte die Ehefrau des Geschäftsführers in einem Schreiben vom 4.11.1991 Einzelheiten über den Inhalt des Telefongesprächs mit der Klägerin vom 29.7.1991 mit. Die Klägerin gab gegenüber dem Gewerbeaufsichtsamt eine abweichende Version des Gesprächs. Mit Entscheidung vom 19.11.1991 erklärte das Gewerbeaufsichtsamt die Kündigung für zulässig; die Klägerin habe einen schweren Verstoß gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten begangen und das besondere Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem Geschäftsführer der Beigeladenen gestört, so daß für letztere die Aufrechterhaltung des Anstellungsverhältnisses trotz der bestehenden Schwangerschaft unzumutbar sei.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies das Regierungspräsidium mit Bescheid vom 30.3.1992 als unbegründet zurück.
Am 22.4.1992 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben und zur Begründung im wesentlichen geltend gemacht: Sie habe nicht gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, da sie gegenüber der Ehefrau des Geschäftsführers über keine betrieblichen Angelegenheiten, an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse bestehe, gesprochen habe. Vielmehr sei es allein um die außereheliche Beziehung des Geschäftsführers gegangen. Dieser sei, auch wenn er alleiniger Gesellschafter der Beigeladenen sei, mit der Gesellschaft nicht identisch. Von den genannten Beziehungen des Geschäftsführers habe sie zudem nicht dienstlich, sondern in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin der Fa. c., deren anderer Gesellschafter der Geschäftsführer der Beigeladenen sei, erfahren. Sie habe keine Kenntnis davon gehabt, daß der Geschäftsführer seiner Ehefrau am 29.7.1991 fernmündlich mitgeteilt habe, daß er am Abend jenes Tages einen Geschäftstermin wahrzunehmen habe. Sie habe vor ihrem Ferngespräch mit der Ehefrau des Geschäftsführers mit diesem eine geschäftliche Auseinandersetzung gehabt. Dieser habe sich bei ihrer Begegnung vor der Gaststätte provozierend verhalten. Mit der Ehefrau des Geschäftsführers habe sie ein freundschaftliches Verhältnis. Sie habe nicht die Absicht gehabt, den Geschäftsführer bei seiner Ehefrau zu denunzieren. Zu berücksichtigen sei, daß sie sich in einem psychisch-physischen Erschöpfungszustand befunden habe.
Die Klägerin hat beantragt, die Entscheidung des Gewerbeaufsichtsamts ... vom 19.11.1991 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums ... vom 30.3.1992 aufzuheben. Das beklagte Land ist der Klage entgegengetreten. Es hat im wesentlichen vorgebracht: Die Klägerin habe bei dem Ferngespräch mit der Ehefrau des Geschäftsführers nach deren schriftlicher Stellungnahme mitgeteilt, daß die Miete für die Wohnung der Freundin des Geschäftsführers teilweise von der Beigeladenen bezahlt werde und daß der Geschäftsführ...