Wegen der in den kommenden Jahren steigenden Rentenneuzugängen (die sog. Babyboomer gehen in Rente) und der steigenden Lebenserwartung der Rentner wird die gesetzliche Rente in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wohl weiter unter das heutige Niveau absinken. Damit wird die gesetzliche Rente in der Zukunft in vielen Fällen noch weniger als bisher nicht mehr ausreichen, um das während eines Arbeitslebens erworbene Lebenshaltungsniveau zu bewahren. Deshalb wird sich die Lücke zwischen dem zuletzt erreichten Verdienst und der gesetzlichen Altersversorgung in den kommenden Jahren vergrößern.
Um dem vorzubeugen und eine Verarmung im Alter zu verhindern, wurde durch das Altersvermögensgesetz sowohl die betriebliche Altersvorsorge gestärkt als auch ein Anreiz für die eigene Altersvorsorge geschaffen. Durch das 2018 in Kraft getretene Betriebsrentenstärkungsgesetz wurde eine weitere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung (insbesondere in kleineren und mittleren Betrieben) angestrebt.
Zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung wurde durch das Altersvermögensgesetz bereits ab dem Jahr 2002 ein gesetzlicher Anspruch auf Entgeltumwandlung eingeführt, den der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber geltend machen konnte. Erst ein Jahr später wurde durch Tarifbeschluss vom 8.2.2003 auch im kommunalen öffentlichen Dienst der Weg für eine Entgeltumwandlung geöffnet. Der Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung galt allerdings nur für den kommunalen Bereich.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Urteil vom 15.7.2010 (Europäische Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland) entschieden, dass die Bundesrepublik gegen europäisches Vergaberecht verstoßen hat, soweit Verträge über Dienstleistungen der betrieblichen Altersversorgung durch kommunale Behörden oder Betriebe ohne Ausschreibung direkt an in § 6 des Tarifvertrags zur Entgeltumwandlung für Arbeitnehmer/-innen im kommunalen öffentlichen Dienst (TV-EUmw/VKA) genannten Anbieter vergeben wurden. Dies bedeutet, dass die öffentliche Hand als Tarifvertragspartei und im Zusammenwirken mit Arbeitnehmervertretern nicht tarifvertraglich Versorgungsträger zur Durchführung der Entgeltumwandlung festlegen darf. Wegen der Vorgaben des europäischen Vergaberechts müssen angestrebte Rahmenvereinbarungen zur Entgeltumwandlung als öffentliche Aufträge ausgeschrieben und ein Vergabeverfahren durchgeführt werden.
Dieses Urteil betrifft nur kommunale Arbeitgeber, nicht also Bund und Länder oder auch kirchliche oder im karitativen Bereich tätige Arbeitgeber. Wegen der Schwellenwerte des europäischen Vergaberechts sind nur solche kommunalen Behörden oder Betriebe betroffen, die
- im Jahr 2004 mehr als 4.505 Beschäftigte,
- im Jahr 2005 mehr als 3.133 Beschäftigte und
- in den Jahren 2006 und 2007 mehr als 2.402 Beschäftigte
hatten. Nur diese Arbeitgeber hätten ausschreiben müssen.
Für die betroffenen großen kommunalen Arbeitgeber hat das Urteil keine unmittelbaren Folgen. Streitgegenständliche Norm war vor allem § 6 TV-EUmw/VKA, in dem der Kreis der zulässigen Anbieter für die Entgeltumwandlung festgelegt wurde. Da diese Norm wegen der Tarifhoheit nur von den Tarifvertragsparteien geändert werden kann, bedarf es erst einer Einigung der Tarifvertragsparteien über die Abänderung dieser Vorschrift. Sodann sind die bestehenden Rahmenverträge zu beenden (Kündigung oder Aufhebungsvereinbarung) und eine neue Vergabe auszuschreiben.
Für Bund und Länder wurde erst durch den TV-EntgeltU-L vom 12.10.2006 ab dem 1.11.2006 die Entgeltumwandlung ermöglicht. Die Entgeltumwandlung im Bund-/Länderbereich ist ausschließlich bei der VBL durchzuführen.
Im kirchlichen Bereich wurde die Entgeltumwandlung bereits im Jahr 2001 eingeführt.
2.1 Entgeltumwandlung
Entgeltumwandlung ist eine Vereinbarung zwischen dem Beschäftigten und dem Arbeitgeber, dass in Zukunft ein Teil seiner Bruttoarbeitsbezüge in eine wertgleiche Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung umgewandelt wird. Das bedeutet, dass dieser Teil der Bruttobezüge in die betriebliche Altersversorgung eingezahlt wird.
Der Vorteil ist, dass der für die Entgeltumwandlung aufgewendete Teil der Bezüge steuer- und sozialabgabenfrei ist, sodass sich die Verringerung der Bruttobezüge nur teilweise in der Verringerung der Nettobezüge widerspiegelt.
Ein Beschäftigter mit Steuerklasse I hat im Jahr 2021 ein Bruttoeinkommen von 30.000 EUR. Er beabsichtigt eine Entgeltumwandlung mit Beiträgen in Höhe von 100 EUR monatlich, also 1.200 EUR im Jahr. Dies wirkt sich wie folgt auf seine Nettobezüge aus:
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Vor Entgeltumwandlung |
Differenz |
Nach Entgeltumwandlung |
Bruttoentgelt |
30.000,00 EUR |
1.200,00 EUR |
28.800,00 EUR |
Lohnsteuer |
3.340,00 EUR |
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3.064,00 EUR |
Kirchensteuer |
267,20 EUR |
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245,12 EUR |
Sozialabgaben |
6.079,84 EUR |
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5.841,34 EUR |
Gesamte Abzüge |
9.687,04 EUR |
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9.150,46 EUR |
Nettoentgelt |
20.312,94 EUR |
663,42 EUR |
19.649,54 EUR |
Während sich die Bruttobezüge um 1.200 EUR verringern, entsteht bei den Nettobezügen nur eine Differenz von 663,42 EUR. Der Beschäftigte würde also im Jah...