Der Arbeitgeber ist bei der Ausübung seines Weisungsrechts nicht völlig frei. Schon bei der Art und Weise der Weisungserteilung ist er nach § 106 GewO durch die Ausübung des billigen Ermessens eingeschränkt (vgl. § 315 BGB). Aber auch der Inhalt der Weisung unterliegt den Grenzen der Rechtsordnung. Diese Grenzen ergeben sich aus den Grundrechten des Beschäftigten, gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträgen, Betriebs-/Dienstvereinbarungen oder Einzelarbeitsverträgen, können aber auch aus einer betrieblichen Übung entstehen. Neben den rechtlichen Grenzen hat der Arbeitgeber zusätzlich auch die tatsächlichen Anforderungen für eine ordnungsgemäße Erfüllung der Weisung zu besorgen .
Die Konkretisierungen können grundsätzlich nur durch solche Quellen vorgenommen werden, die sich entweder auf die Rechtmäßigkeit der Weisungserteilung oder unmittelbare Begrenzung der Rechte des Weisungsgebers beziehen (siehe Punkt 6.4). Rechtsquellen, die nur indirekt das Weisungsrecht betreffen können, sind regelmäßig nicht geeignet, das Weisungsrecht zu begrenzen.
4.1 Grundrechte
Eine direkte Geltung der Grundrechte auf das Arbeitsverhältnis scheidet eigentlich aus, da diese nur Abwehrrechte des Grundrechtsträgers gegenüber dem Staat begründen. Zwischen Privaten gelten die Grundrechte aber jedenfalls mittelbar als objektive Werteordnung, die auf alle Bereiche des Rechts ausstrahlen. Das BAG hat jedoch frühzeitig auch eine unmittelbare Wirkung auf die Rechtsposition des Beschäftigten angenommen. Der Arbeitgeber hat daher auch grundrechtlich geschützte Positionen des Beschäftigten zu beachten. Darunter fallen vor allem das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 GG), der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG), die Religions- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG), die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 GG). Die Grundrechte schützen jedoch nicht einseitig nur den Beschäftigten, sondern können auch eine Handlungspflicht des Arbeitgebers inhaltlich begründen.
Die Grundrechte bilden eine Grenze bei der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses – ob unmittelbar oder bei der Ausgestaltung des Ermessens in § 315 BGB. In der Regel wird der Grundrechtsschutz schon durch die gesetzlichen Bestimmungen oder einen privatautonomen Interessenausgleich gewährleistet. Weisungen, die in diesem rechtlichen Rahmen erteilt werden, müssen nicht mehr auf Grundrechtsverstöße überprüft werden. In der Praxis wird es im Einzelfall schwierig sein, eine derartige Abwägung durchzuführen.
Überschreitet der Beschäftigte durch sein Handeln den garantierten Schutzbereich, kann er sich gegenüber den daraufhin folgenden Weisungen des Arbeitgebers nicht mehr auf sein Grundrecht berufen.
Bezeichnet ein Vorarbeiter ein Mitglied der ihm zugeordneten Arbeitsgruppe als "Nazi", ohne dass dieser eine rechtsradikale Gesinnung zu erkennen gegeben hat, so kann dies den Widerruf der Vorarbeiterbestellung rechtfertigen.
Die Tarifvertragsparteien sind ebenfalls an die Grundrechte gebunden. Es obliegt ihnen jedoch, im Interesse ihrer Mitglieder Tarifverträge abzuschließen, die ein für beide Seiten gedeihliches Arbeitsverhältnis gewährleisten. Dieser Interessenausgleich erfolgt auf freiwilliger Basis (privatautonom). Einschränkungen von Grundrechten in Tarifverträgen sind durch das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen gedeckt, solange sie nicht zu einem gravierenden Ungleichgewicht führen. Bei Weisungen auf der Grundlage von Tarifverträgen ist daher eine eigene Grundrechtsprüfung grundsätzlich entbehrlich.
Grundrechte schränken das Weisungsrecht nur in den Fällen ein, in denen die Grundrechte des Beschäftigten in gravierender Weise nicht beachtet werden.
Beispiel
Kein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht besteht in der Anweisung an Flugbegleiter, während eines Nichtraucherfluges ebenfalls nicht zu rauchen.
Die Grundrechte sind jedoch nicht apodiktisch anzuwenden, sondern schränken das Weisungsrecht nur im konkreten Fall ein. So hat der Arbeitgeber bei der Ausübung billigen Ermessens zwar immer den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten, durch die Pflicht zur Gleichbehandlung wird die durch Ausübung des Weisungsrechts bestehende Gestaltungsmacht des Arbeitgebers nur für tatsächlich gleichartige oder vergleichbare Fälle begrenzt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz begründet allerdings keine Verpflichtung zur gleichartigen Behandlung von unterschiedlichen Arbeitssituationen.
Während der Corona-Pandemie ordnete der Arbeitgeber für einen Betriebsteil strenge Kontrollmaßnahmen an, für andere jedoch nicht oder erst später, da in diesen die Ansteckungsgefahr aus dem Gepräge des Arbeitsumfeldes nicht so groß war.
Sehr weitgehende Anforderungen stellt die Rechtsprechung an Weisungen, die die Religionsfreiheit einschränken können.
Beispiel
Nach Rückkehr aus der Elternzeit teilt eine Beschäftigte mit, dass sie aus religiösen Gründe...