Soweit das Weisungsrecht weder durch gesetzliche, noch durch tarifliche oder einzelvertragliche Regelungen beschränkt ist, kann es jedoch vom Arbeitgeber nur "nach billigem Ermessen" (§ 106 GewO, § 315 BGB) ausgeübt werden.[1] Dabei kann auch der neue § 275 Abs. 3 BGB relevant werden, der ggf. wegen Unzumutbarkeit der Erbringung einer bestimmten Arbeitsleistung ein Einrederecht gibt.[2]

Es war bisher z.T. umstritten, ob "billiges Ermessen" im Sinne von § 315 BGB zu verstehen ist oder nur die weiteren Grenzen des § 242 BGB[3] (vor allem Willkürverbot, Rechtsmissbrauch) zu beachten sind.

Zum Teil wurde unterschieden nach der Qualität der Weisung (untergeordnete Einzelweisung), nach anderen Auffassungen sollten die beamtenrechtlichen Grundsätze zum Grund- und Betriebsverhältnis herangezogen werden oder differenziert werden nach begünstigenden, konkretisierenden oder belastenden Weisungen, wobei eine Bindung nach § 315 BGB nur für die belastenden Weisungen angenommen wurde.[4]

Diese Differenzierungen werden allerdings in der täglichen Praxis im Einzelfall nur schwierig zu entscheiden sein.

Mit der herrschenden Meinung[5] und unter Berücksichtigung der Formulierung in § 106 GewO ist deshalb beim Weisungsrecht von einem einseitigen Recht des Arbeitgebers zur Leistungsbestimmung bzw. Gestaltung im Sinne von § 315 BGB auszugehen, da das Arbeitsverhältnis ein besonders enges und persönliches Rechtsverhältnis ist und § 242 BGB den Rahmen zu weit spannen würde. Das billige Ermessen ist unter Abwägung der Interessenlage beider Vertragsparteien[6] zu beurteilen, wobei immer im Einzelfall zu entscheiden sein wird, ob eine Weisung des Arbeitgebers der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entspricht oder nicht. Nach dem BAG sind die wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der Angemessenheit, aber auch der Verkehrssitte und Zumutbarkeit abzuwägen. Hierbei sind auch Fragen der Risikoverteilung im Arbeitsrecht, Vermögens-, Einkommensverhältnisse sowie soziale und persönliche Lebensverhältnisse einzubeziehen.[7]

 
Praxis-Beispiel

Anordnung von Bereitschaftsdienst für eine Mutter mit mehreren Kindern dürfte nicht vom Weisungsrecht gedeckt sein, wenn eine andere sachgemäße Regelung möglich ist.

Unzulässig sind auf jeden Fall Weisungen, die etwa wegen einer unberechtigten Maßregelung rechtsmissbräuchlich oder willkürlich sind.

Die Ausübung des Weisungsrechts im Rahmen des zunächst "billigen Ermessens" kann zu einer Selbstbindung des Arbeitgebers führen und damit auf bestimmte Fälle beschränkt sein. Dies ist nach dem BAG[8] dann der Fall, wenn dem Arbeitnehmer vorläufig eine höherwertige Tätigkeit (hier: kommissarische Schulleitung) übertragen wird und die Dauer der Übertragung ohne weiteren Vorbehalt nur von der fachlichen Bewährung abhängig gemacht wird. Damit kommt eine Entziehung dieser Aufgaben nur noch in Betracht, wenn die Bewährung nicht festgestellt werden kann (s. auch Vorübergehende höherwertige Tätigkeit (§ 24 BAT)).

 
Praxis-Tipp

Formulieren Sie einen etwaigen Vorbehalt möglichst allgemein, um das Weisungsrecht weitgehend zu erhalten und nicht mehr als notwendig einzuschränken. Dies wäre z.B. "vorübergehende Übertragung der Aufgaben zur Erprobung".

Der Arbeitgeber kann kraft des Weisungsrechts auch die bisherigen Arbeitsbedingungen eines Arbeitnehmers nicht erneut in einem bereits gerichtlich für unzulässig befundenen Ausmaß einseitig ändern. Der dagegen zulässigerweise erhobenen Feststellungsklage ist durch das zuständige Gericht ohne weiteres stattzugeben.[9]

Auch bei Konfliktlagen unter Arbeitnehmern im Betrieb kann der Arbeitgeber im Rahmen des Weisungsrechts neue Aufgaben zuweisen, wobei er gem. § 315 BGB nicht nur die Interessen der unmittelbar am Konflikt beteiligten Arbeitnehmer, sondern auch der übrigen Arbeitnehmer, die von der Maßnahme betroffen sind, als auch seine Prognoseentscheidung über die Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Konfliktlösung berücksichtigen kann.[10]

[2] Beachte Schuldrechtsreform.
[3] Vgl. dazu Leßmann, Die Grenzen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts in DB 1992, 1137 ff. m.w.N.; Reuter in BB 1986, 385 ff.
[4] Leßmann, DB 1992, 1137 ff.

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