Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds. Verletzung von Amts- und Arbeitsvertragspflicht
Leitsatz (redaktionell)
Auch bei Anlegung eines besonders strengen Prüfungsmaßstabes ist die Bereitschaft eines Arbeitnehmers, der Betriebsratsmitglied ist, in einem Rechtsstreit gegen seinen Arbeitgeber vorsätzlich falsch auszusagen, an sich geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen und im Rahmen der Interessenabwägung nach § 626 BGB auch nicht allein wegen seines Betriebsratsamtes anders zu beurteilen als das entsprechende Verhalten eines nicht durch § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmers.
Orientierungssatz
Klarstellung des Urteils des Ersten Senats vom 20. Dezember 1961 (- 1 AZR 404/61 = BAGE 12, 141 = AP Nr 16 zu § 13 KSchG) und im Anschluß an das Urteil des Siebten Senats vom 25. Mai 1982 (- 7 AZR 155/80 -, nicht veröffentlicht).
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 09.07.1985; Aktenzeichen 13 TaBV 2/85) |
ArbG Lingen (Entscheidung vom 14.03.1985; Aktenzeichen 1 BV 14/84) |
Gründe
A. Die Antragstellerin begehrt die Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3).
Der Beteiligte zu 3), verheiratet und zwei Kinder unterhaltspflichtig, ist seit 1. April 1976 bei der Antragstellerin, die in B eine Spielbank betreibt, angestellt. Er übt die Funktion eines Chefs des Automatensaals aus, sein Monatseinkommen betrug zuletzt 2.700,-- DM. Seit 30. Juni 1984 ist er Mitglied des Antragsgegners. Zu Beginn der Amtsperiode bestand der Betriebsrat aus fünf Arbeitnehmern, am 18. Oktober 1984 nur noch aus vier Arbeitnehmern, nachdem ein Mitglied seinen Rücktritt erklärt hatte und alle gewählten Ersatzmitglieder schon vorher für ausgeschiedene Mitglieder nachgerückt waren. Einer der vier Betriebsratsmitglieder war seit 25. Juni 1984 erkrankt.
Die Antragstellerin hatte einem Arbeitnehmer K. gekündigt, der hierauf Kündigungsschutzklage erhoben und in einem Schriftsatz vom 24. September 1984 durch seine Prozeßbevollmächtigten u. a.hatte vortragen lassen, die Angestellten der Spielbank erhielten monatliche Trinkgelder in Höhe von mindestens 1.000,-- DM, die nicht versteuert würden; die Antragstellerin berücksichtige dies bei Festsetzung der Gehälter, so daß dem Staat eine Einnahme unterschlagen werde; sie lasse es außerdem seit Jahren zu, daß die Saalchefs für Arbeitsstunden am Wochenende mehr Stunden aufschreiben, als sie tatsächlich arbeiteten; sie habe eine Meldung nicht verfolgt, nach der ein bei ihr tätiger Finanzbeamter mehrfach im Automatensaal Geld eingesteckt habe, und schließlich habe sie einen Diebstahl von Jetons nicht geahndet. Zum Beweis für diese Behauptungen war neben der Vernehmung anderer Personen auch die des Beteiligten zu 3) beantragt.
Nachdem die Antragstellerin diesen Schriftsatz erhalten hatte, fand am 1. Oktober 1984 ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführer und Mitgliedern der Geschäftsführung der Antragstellerin einerseits und dem Beteiligten zu 3) andererseits statt. Über den Inhalt des Gesprächs besteht Streit.
Die Antragstellerin befragte außerdem am 7. Oktober 1984 die im Schriftsatz weiter als Zeugen benannten Personen und den Bediensteten, der des Diebstahls der Jetons bezichtigt worden war. Die als Zeugen benannten Mitarbeiter erklärten, sie könnten sich ihre Benennung nicht erklären, der angebliche Jetondiebstahl wurde bestritten. Ebenfalls am 7. Oktober 1984 fand ein weiteres Aufklärungsgespräch zwischen dem Geschäftsführer der Antragstellerin und dem Beteiligten zu 3) statt.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 1984 begehrte die Antragstellerin die Zustimmung des Antragsgegners zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung des Beteiligten zu 3). Diese wurde mit Schreiben vom 19. Oktober 1984 verweigert. Im Laufe des Beschlußverfahrens wurde ein neuer Betriebsrat gebildet, dem der Beteiligte zu 3) wiederum angehört.
Die Antragstellerin hat mit einem am 19. Oktober 1984 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz beantragt, die Zustimmung des Antragsgegners gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG für die noch auszusprechende außerordentliche Kündigung des Beteiligten zu 3) zu ersetzen.
Die Antragstellerin hat behauptet, der Beteiligte zu 3) habe dem Prozeßbevollmächtigten des Arbeitnehmers K. die Informationen für die in dem Schriftsatz vom 24. September 1984 aufgestellten Behauptungen geliefert und sich als Zeuge zur Verfügung gestellt. Sämtliche Behauptungen seien unwahr, der Beteiligte zu 3) habe sie dennoch in den Gesprächen am 1. und 7. Oktober 1984 aufrecht erhalten. Er habe in dem Gespräch am 1. Oktober 1984 weiter noch gesagt, er bzw. der Antragsgegner wolle der Geschäftsführung schaden und sie in ein schlechtes Licht rücken, er habe hierbei die Worte "Rundschlag gegen die Geschäftsführung, koste es, was es wolle" gebraucht.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, ihr sei eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar, sie müsse es nicht dulden, daß ein Arbeitnehmer sie einer strafbaren Handlung (der Anstiftung zum Steuerbetrug) bezichtige. Sie habe nach Anhörung des Beteiligten zu 3) Anlaß zu weiteren Nachforschungen gehabt und habe erst am 7. Oktober 1984 die anderen Arbeitnehmer sprechen können.
Der Antragsgegner und der Beteiligte zu 3) haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie haben geltend gemacht, der Antragsgegner sei der Auffassung gewesen, die Antragstellerin habe ihm in der Kündigungssache K. die Kündigungsgründe nicht abschließend mitgeteilt. Der Beteiligte zu 3) habe daher zusammen mit einem anderen Betriebsratsmitglied den Prozeßbevollmächtigten des Arbeitnehmers K. aufgesucht. Sämtliche Informationen, die im Schriftsatz vom 24. September 1984 verwertet seien, stammten ausschließlich vom Arbeitnehmer K. Der Beteiligte zu 3) habe sich auch nicht als Zeuge zur Verfügung gestellt.
Während der Gespräche am 1. und 7. Oktober 1984 seien dem Beteiligten zu 3) schwere Vorwürfe gemacht worden, er sei praktisch gar nicht zu Wort gekommen. Außerdem habe der Beteiligte zu 3) sich von der Antragstellerin kontrolliert und bedroht gefühlt. So habe der Geschäftsführer der Antragstellerin u. a. erklärt, es sei das beste, wenn er - der Beteiligte zu 3) - kündige oder sich aufhänge oder erschieße.
Das Arbeitsgericht hat nach Beweiserhebung den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Beteiligte zu 3) habe sich in mehreren Fällen pflichtwidrig gegenüber der Antragstellerin verhalten. Zwar stehe aufgrund der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme nicht fest, daß der Beteiligte zu 3) Informant der im Schriftsatz vom 24. September 1984 aufgestellten Behauptung sei, er sei jedoch "bestätigend" aufgetreten, obwohl alle Behauptungen unrichtig gewesen seien, wie der Beteiligte zu 3) eingeräumt habe. Der Beteiligte zu 3) hätte bei dem Gespräch mit dem Prozeßbevollmächtigten Zurückhaltung üben, zu unwahren Behauptungen wenigstens schweigen müssen. Jedenfalls hätte er sie nicht bestätigen dürfen. Letzteres stelle eine Arbeitspflichtverletzung im Rahmen der Betriebsratstätigkeit dar. Der Betrieb einer Spielbank sei gegenüber äußeren und inneren Angriffen zu stark gefährdet, als daß mit einem Mitarbeiter in durchaus nicht untergeordneter Position vertrauensvoll zusammengearbeitet werden könne, der sich so treuwidrig verhalten habe.
Die zweite Pflichtverletzung habe der Beteiligte zu 3) begangen, indem er im Gespräch mit vier Herren der Geschäftsleitung geäußert habe, er sehe keinen Grund, den Geschäftsführer zu schonen; er werde alles tun, um der Geschäftsführung Schaden zuzufügen und werde einen Rundumschlag unternehmen, er möchte dem Geschäftsführer schaden, er wolle dies als Aufsichtspflichtverletzung darstellen und er werde dem Haus Schaden zufügen.
Diese Pflichtwidrigkeiten seien nicht so unerheblich, daß es bei einer Abmahnung sein Bewenden hätte haben können. Dennoch müsse ein wichtiger Grund, der es der Antragstellerin nicht zumutbar mache, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, verneint werden. Der Beteiligte zu 3) habe 8 Jahre unbeanstandet im Betrieb der Antragstellerin gearbeitet. Eine Kündigung bedrohe seine Existenz und damit das Wohlergehen seiner Familie, denn aufgrund Mitteilungen der Spielbanken untereinander werde er in einer Spielbank nicht mehr tätig sein können. Ebenso sei nicht zu erwarten, daß er angesichts der langjährigen Abwesenheit aus seinem Tätigkeitsbereich als Elektriker unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage im schwach strukturierten E in seinem erlernten Beruf eine Stelle finden werde. Seine falsch verstandene Sekundantenrolle beim Rechtsanwaltsgespräch, d. h. sein Vorpreschen zugunsten eines Kollegen, das als "Amtspflichtexzeß" bezeichnet werden könne, sei eine Pflichtverletzung, die anders beurteilt werden müsse, als wenn ein Arbeitnehmer als Privatmann dem Prozeßbevollmächtigten eines Kollegen falsche Informationen bewußt bestätige.
Bei der Pflichtverletzung am 1. Oktober 1984 habe er keinen vom Kollektiv abgesegneten Auftrag gehabt. Er habe insoweit überreagiert, weil die Atmosphäre nicht so entspannt und ruhig gewesen sei. Einer der Teilnehmer sei aufgebraust, der Geschäftsführer habe erklärt, der Beteiligte zu 3) könne nur selbst kündigen, sich aufhängen oder erschießen. Wer jedoch in einer für den Beteiligten zu 3) so entscheidenden Situation derartig flapsige Bemerkungen über die nahe Zukunft eines, wenn auch ungetreuen, Mitarbeiters mache, dürfe sich nicht wundern, wenn der derart Bedrängte Drohungen ausstoße. Solche Worte könnten nicht auf die Goldwaage gelegt, die eigene Erregung hingegen entschuldigt werden.
Die Antragstellerin hätte nach der erregten Unterhaltung vom 1. Oktober 1984 dafür sorgen müssen, Mißverständnisse zu beseitigen, gegebenenfalls hätte sie den Beteiligten zu 3) nach einer zusammenfassenden Schilderung der Vorwürfe Gelegenheit zu einer Entschuldigungserklärung geben müssen. Dem werde das kurze Gespräch am 7. Oktober 1984 nicht gerecht. Die Antragstellerin hätte schließlich den Beteiligten zu 3) aufklären müssen, daß er nach den zur Kündigung des Mitarbeiters K. führenden Vorgängen nicht rechtswidrig überwacht und kontrolliert worden sei, sondern diese Maßnahmen ihren Grund vielmehr in staatsaufsichtsrechtlichen Forderungen gehabt hätten.
Dem Beteiligten zu 3) seien demnach grobe Pflichtverletzungen vorzuwerfen, die eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich rechtfertigten. Lediglich die Umstände des Einzelfalles und die aus einer umfassenden Interessenabwägung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte ließen die Beurteilung zu, daß eine außerordentliche Kündigung gerade noch nicht gerechtfertigt sei.
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Das Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß die Antragstellerin zur betriebsverfassungsrechtlich wirksamen Kündigung (§ 15 KSchG,§ 103 Abs. 1 BetrVG) der Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners nach § 103 Abs. 2 BetrVG bedarf, denn der noch vorhandene Rest-Betriebsrat hatte die Zustimmung wirksam verweigert. Dieser hatte sich zwar zahlenmäßig von ursprünglich fünf auf vier Mitglieder verringert. Darüber hinaus war im Oktober 1984 bei der Einleitung des Verfahrens nach § 103 Abs. 1 BetrVG noch ein Mitglied durch Krankheit verhindert und der Beteiligte zu 3) hatte kein Stimmrecht, weil er im Zustimmungsverfahren nach § 103 BetrVG nicht an der Beratung und Beschlußfassung über eine ihn betreffende Kündigung teilnehmen darf (Urteil des Senats vom 23. August 1984, BAG 46, 258 = AP Nr. 17 zu § 103 BetrVG 1972). In einem solchen Fall nimmt der verbleibende Rest-Betriebsrat in entsprechender Anwendung des § 22 BetrVG die Mitbestimmungsrechte wahr (BAG Urteil vom 18. August 1982 - 7 AZR 437/80 - AP Nr. 24 zu § 102 BetrVG 1972; KR-Etzel, 2. Aufl. § 102 BetrVG Rz 24 e).
2. Die Antragstellerin hat die gerichtliche Zustimmungsersetzung auch fristgemäß im Sinne des § 626 Abs. 2 BGB beantragt. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 18. August 1977 - 2 ABR 19/77, - BAG 29, 270 = AP Nr. 10 zu § 103 BetrVG 1972 und vom 7. Mai 1986 - 2 ABR 27/85 -, zur Veröffentlichung bestimmt) gilt die zweiwöchige Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB auch für die außerordentliche Kündigung gegenüber den Arbeitnehmern, die den besonderen Kündigungsschutz des § 15 KSchG genießen. Die Frist beginnt auch im Regelungsbereich des § 103 BetrVG mit der Kenntnis des Arbeitgebers von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen.
Nachdem die Antragstellerin aufgrund des Schriftsatzes vom 24. September 1984 in der Kündigungsschutzsache K. am 1. Oktober 1984 mit dem Beteiligten zu 3) ein Gespräch geführt hatte, bei dem dieser die Vorwürfe aufrecht erhielt, konnte sie weitere aufklärende Ermittlungen führen. Binnen zwei Wochen nach der in diesem Zusammenhang am 7. Oktober 1984 erfolgten Anhörung der betroffenen Personen hat sie sodann am 19. Oktober 1984 den Zustimmungsersetzungsantrag bei Gericht eingereicht.
3. Die Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB im Rahmen von § 103 BetrVG durch das Beschwerdegericht kann in der Rechtsbeschwerde nur eingeschränkt daraufhin überprüft werden, ob der Sachverhalt unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben und ob alle vernünftiger Weise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei berücksichtigt worden sind (BAG Urteil vom 26. August 1976 - 2 AZR 377/75 - AP Nr. 68 zu § 626 BGB). Auch bei Anwendung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes hält der angefochtene Beschluß der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 22, 178 = AP Nr. 19 zu § 13 KSchG m. w. N.; BAG Urteil vom 11. Dezember 1975 - 2 AZR 426/74 - AP Nr. 1 zu § 15 KSchG 1969; BAG 26, 219 = AP Nr.1 zu § 103 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 25. Mai 1982 - 7 AZR 155/80 -) ist bei der beabsichtigten Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes zunächst danach zu differenzieren, ob diesem eine reine Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis vorgeworfen wird oder ob die Arbeitspflichtverletzung im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied steht. Wird einem Betriebsratsmitglied lediglich die Verletzung einer Amtspflicht zum Vorwurf gemacht, so ist die Kündigung unzulässig und nur ein Ausschlußverfahren nach § 23 BetrVG möglich. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur dann in Betracht, wenn zugleich eine schwere Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis vorliegt, wobei an die Berechtigung der fristlosen Entlassung ein "strengerer Maßstab" anzulegen ist als bei einem Arbeitnehmer, der dem Betriebsrat nicht angehört (BAG, aa0 sowie BAG Urteil vom 20. Dezember 1961 - 1 AZR 404/61 - BAG 12, 141 = AP Nr. 16 zu § 13 KSchG).
a) Das Beschwerdegericht ist von dieser notwendigen Unterscheidung ausgegangen, indem es ausgeführt hat, das Verhalten des Beteiligten zu 3) anläßlich der Besprechung mit dem Prozeßbevollmächtigten des Mitarbeiters K. berühre die Betriebsratstätigkeit und zugleich die aus dem Arbeitsverhältnis herzuleitenden Pflichten, während das übrige Verhalten ohne Bezug zu einem kollektiven Auftrag zu sehen sei.
Es hat jedoch nicht beachtet, daß das Erfordernis, bei der Prüfung des wichtigen Grundes zur Kündigung eins Amtsträgers einen "besonders strengen Maßstab" anzulegen nur dazu dient, die freie Betätigung des Betriebsratsmitgliedes in seinem Amt zu gewährleisten (vgl. BAG 12, 141 = AP Nr. 16 zu § 13 KSchG unter Hinweis auf BAG 1, 185 und 2, 138; BAG Urteil vom 25. Mai 1982, aa0). Eine Verletzung der Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, die im Rahmen einer Amtstätigkeit begangen wird, kann aus einer Konfliktsituation entstanden sein, der der Arbeitnehmer, der nicht Betriebsratsmitglied ist, nicht ausgesetzt ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn es bei Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Verlauf längerer schwieriger und erregter Auseinandersetzungen je nach der Persönlichkeitsstruktur der Teilnehmer zu verbalen Beleidigungen kommt. Die in dem strengeren Prüfungsmaßstab zum Ausdruck kommende Tat- und Situationsgerechtigkeit ist in solchen Fällen keine verbotene Besserstellung des Betriebsratsmitglieds, sondern Folge der Beachtung der besonderen Sachlage (BAG 33, 1 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit m. w. N.; BAG 30, 309 = AP Nr. 70 zu § 626 BGB; insbesondere BAG Urteil vom 25. Mai 1982, aa0). Die Bereitschaft, in einem Arbeitsgerichtsverfahren gegen den Arbeitgeber bewußt falsch auszusagen, ist demgegenüber auch unter Zugrundelegung eines strengen Prüfungsmaßstabes nicht zu rechtfertigen. Ein solches Verhalten stellt vielmehr als schwere Pflichtverletzung einen wichtigen Grund zur Kündigung dar. Es ist dann auch im Rahmen der Interessenabwägung nach § 626 BGB nicht allein wegen des Betriebsratsamtes milder zu beurteilen als das entsprechende Verhalten eines nicht durch § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmers.
b) Im vorliegenden Fall hat das Landesarbeitsgericht es für möglich gehalten, daß sich der Beteiligte zu 3) bei dem Gespräch mit dem Prozeßbevollmächtigten des Mitarbeiters K. bereit erklärt hat, von ihm als unwahr erkannte Tatsachenbehauptungen zu bestätigen, denn es hat ausgeführt, in einer solchen Situation sei es geboten gewesen, zu unwahren Behauptungen wenigstens zu schweigen, wenn nicht gar, diese richtig zu stellen. Es hat dazu unrichtig ausgeführt, eine mit dem Amt des Betriebsrats verbundene Pflichtverletzung müsse anders beurteilt werden, als wenn ein Arbeitnehmer als Privatmann dem Prozeßbevollmächtigten eines Kollegen falsche Informationen bewußt bestätige.
Es ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zwischen den Parteien unstreitig, daß die in dem Schriftsatz vom 24. September 1984 aufgestellten Behauptungen objektiv unwahr waren, und es ergibt sich aus ihnen eine schwere Belastung des Vertrauensverhältnisses. Sofern der Beteiligte zu 3) diese Behauptungen bewußt unrichtig bestätigt haben sollte, stellte ein solches Verhalten eine schwere Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflichten dar und ist grundsätzlich als wichtiger Grund i. S. von § 626 BGB für eine außerordentliche Kündigung geeignet (BAG 29, 195 = AP Nr. 5 zu 611 BGB Beschäftigungspflicht, m. w. N.; BAG Urteil vom 25. Mai 1982, aa0). Es ist auch kein Grund ersichtlich oder vom Beschwerdegericht festgestellt, den ein Betriebsratsmitglied unter Zugrundelegung der festgestellten Situation hätte berechtigen können, in zu schützender Wahrnehmung seines Amtes bewußt wahrheitswidrige, seinen Arbeitgeber erheblich belastende Aussagen zu bestätigen. Der vom Landesarbeitsgericht insoweit als " Amtspflichtexzeß " bezeichnete Vorgang hat keinen Bezug zu einem etwa fehlenden hohen Differenzierungsvermögen für die mit dem Amt entstehende kollektive Gegnerposition.
5. Der angefochtene Beschluß ist aber auch deshalb aufzuheben, weil die in ihm getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, um den Vorwurf zu rechtfertigen, der Beteiligte habe bewußt unwahre Angaben über die Antragstellerin und Mitarbeiter bestätigt. Der Argumentation des Beschwerdegerichts liegt zwar ersichtlich die Unterstellung zugrunde, der Beteiligte zu 3) habe sich vorsätzlich bereiterklärt, unwahre, seinen Arbeitgeber belastende Behauptungen zu bestätigen, da anderenfalls der vom Landesarbeitsgericht gewählte Vergleich mit einem als Privatmann auftretenden Arbeitnehmer nicht verständlich wäre. Es fehlt jedoch eine klare Feststellung dahingehend, daß dem Beteiligten zu 3) die Unrichtigkeit der Behauptungen tatsächlich bekannt war, zumal nicht alle behaupteten Vorgänge innerhalb seines Wahrnehmungsbereichs lagen. Das Verhalten des Beteiligten zu 3) wäre nämlich rechtlich anders zu beurteilen, wenn er sich nur fahrlässig auf entsprechende Gerüchte verlassen hätte.
6. Das Landesarbeitsgericht wird daher unter Zugrundelegung der durchgeführten oder gegebenenfalls zu wiederholenden Beweisaufnahme festzustellen haben, ob der Beteiligte zu 3) bei dem Gespräch mit dem Prozeßbevollmächtigten des Mitarbeiters K. von der Unwahrheit der ihm unterbreiteten Behauptungen ausgegangen ist. Insoweit kann auch das Verhalten des Beteiligten zu 3) nach dem Anwaltsbesuch aufschlußreich sein.
Gelangt das Landesarbeitsgericht zu der Auffassung, der Beteiligte zu 3) habe vorsätzlich von ihm als unwahr erkannte, die Antragstellerin belastende Behauptungen bestätigt, so bedarf es einer neuen Interessenabwägung, bei der die Mitgliedschaft im Betriebsrat nicht als ein für den Kläger sprechender Umstand zu berücksichtigen ist.
Hillebrecht Dr. Weller Ascheid
Brocksiepe Walter
Fundstellen
Haufe-Index 437452 |
BB 1987, 1952 |
BB 1987, 1952-1953 (LT) |
DB 1987, 1304-1304 (LT) |
JR 1987, 308 |
RdA 1987, 125 |
RzK, II 1b 2 (LT1) |
ZTR 1987, 125-126 (LT) |
AP § 626 BGB (LT), Nr 95 |
AR-Blattei, Betriebsverfassung IX Entsch 66 (LT) |
AR-Blattei, ES 530.9 Nr 66 (LT) |
EzA § 626 nF BGB, Nr 105 (LT) |