Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz bei Eigenkündigung. Schadensersatz
Leitsatz (amtlich)
Der Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB setzt ein Auflösungsverschulden mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes voraus. Auf die Form der Vertragsbeendigung kommt es nicht an.
Orientierungssatz
- § 628 Abs. 2 BGB gilt sowohl für das Arbeitsverhältnis wie für das freie Dienstverhältnis.
- Die vertragswidrige Nichtvornahme einer Bestellung des Dienstnehmers zum Geschäftsführer und einer Gehaltsanhebung kann ein Auflösungsverschulden des Dienstgebers darstellen. § 38 Abs. 1 GmbHG, wonach die Bestellung eines Geschäftsführers jederzeit widerruflich ist, steht einem Schadensersatzanspruch des Dienstnehmers nach § 628 Abs. 2 BGB nicht entgegen.
Normenkette
BGB § 628 Abs. 2; GmbHG § 38
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Schlußurteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 19. Juli 2001 – 4 Sa 1413/99 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungs- und Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer Eigenkündigung des Klägers.
Die Beklagte ist die persönlich haftende Gesellschafterin der H… KG (frühere Beklagte zu 2). Diese betrieb in D… einen Baustoffhandel sowie ein Hoch- und Tiefbauunternehmen. Geschäftsführer der Beklagten ist S… W…, der zugleich Gesellschafter beider Gesellschaften war. Er und seine Ehefrau halten jeweils 50 % der Geschäftsanteile an der Beklagten.
Der am 13. November 1966 geborene Kläger schloß am 18. September 1997 mit Wirkung zum 1. Januar 1998 mit der Beklagten einen sogenannten Geschäftsführervertrag. Dort wurde ua. vereinbart:
Ҥ 1
Tätigkeit und Verantwortung
- Der Geschäftsführer ist berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und einer etwaigen Geschäftsführungsordnung allein zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft allein zu führen. Weisungen der Gesellschafterversammlung sind zu befolgen, soweit Vereinbarungen in diesem Vertrag nicht entgegenstehen.
- Der Geschäftsführer hat die ihm obliegenden Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns unter Wahrung der Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen.
- Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB frei.
§ 2
Einzelne Aufgaben
- Dem Geschäftsführer obliegt die Leitung und Überwachung des Unternehmens im ganzen. Ihm steht Einzelgeschäftsführungs- und Einzelvertretungsbefugnis zu. Er wird alleinverantwortlich die gesamte kaufmännische, technische und organisatorische Leitung der GmbH und der KG wahrnehmen, in der der GmbH kraft ihrer Komplementärstellung die Geschäftsführung obliegt.
- Der Geschäftsführer nimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr.
- …
§ 5
Bezüge des Geschäftsführers
§ 9
Dauer, Kündigung
- Die Tätigkeit für die Gesellschaft beginnt am 01. Januar 1998. Die Bestellung zum Geschäftsführer und Eintragung in das Handelsregister erfolgt nach einer halbjährigen Einarbeitungszeit zum 01. Juli 1998.
- Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und ist mit einer Frist von einem Jahr zum Quartalsende kündbar. Die ersten sechs Monate der Zusammenarbeit werden als Probezeit vereinbart, während der beide Vertragspartner diesen Anstellungsvertrag auch ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von vier Wochen zum Ende der Probezeit kündigen können.
- Die Kündigung ist schriftlich auszusprechen. Der Geschäftsführer hat sein Kündigungsschreiben an den Gesellschafter mit der höchsten Kapitalbeteiligung zu richten.
§ 10
Schlußbestimmungen
- Erfüllungsort für alle Ansprüche aus diesem Vertrag ist der Sitz der Gesellschaft.
- Ergänzungen zu diesem Vertrag bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform.
- …
- …”
Der Kläger erhielt im Sommer 1998 Handlungsvollmacht.
Am 26. Juni 1998 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten in einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung beider Gesellschaften, den Kläger zum 1. Juli 1998 nicht zum Geschäftsführer zu bestellen, sondern dessen Probezeit bis zum 31. Dezember 1998 zu verlängern. Auch wurde das Gehalt des Klägers zum 1. Juli 1998 nicht erhöht.
Der Kläger verlangte von dem Geschäftsführer in mehreren Schreiben die Einhaltung seines Geschäftsführervertrages, seine Bestellung zum Geschäftsführer sowie eine Erhöhung seiner Bezüge. Das erste Schreiben übergab der Kläger am 22. Juli 1998. Die Annahme der weiteren Schreiben verweigerte der Geschäftsführer.
Mit anwaltlichen Schreiben vom 9. November 1998 forderte der Kläger die Beklagte auf, bis spätestens zum 20. November 1998 zu bestätigen, daß die monatliche Vergütungsdifferenz von 2.500,00 DM für die Zeit seit 1. Juli 1998 unverzüglich nachgezahlt werde sowie mitzuteilen, wie sie sich die weitere Gestaltung der Zusammenarbeit vorstelle, insbesondere ab wann die Bestellung zum Geschäftsführer beabsichtigt sei. Zudem wurde gerügt, daß der Kläger nicht ansatzweise die zur Erfüllung seiner Aufgaben gemäß § 2 des Anstellungsvertrages erforderlichen Kompetenzen und Befugnisse übertragen erhalten habe und ihm bislang die Einsicht in wichtige betriebliche Unterlagen (Bilanzen, Buchhaltung, Kontoauszüge) verweigert worden sei. Des weiteren ließ der Kläger versichern, daß er auch weiterhin zu einer loyalen und konstruktiven Zusammenarbeit bereit sei, jedoch auf der uneingeschränkten Erfüllung der vertraglichen Vereinbarung vom 18. September 1997 bestehe. Ferner heißt es dann wörtlich:
“Sollte diese Abmahnung – und als solche wollen Sie dieses Schreiben bitte verstehen – unbeachtet bleiben, muß Herr Dr. V… davon ausgehen, daß Sie zur Vertragserfüllung nicht bereit sind. Ihm würde dann nichts anderes übrig bleiben, als sämtliche rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, wozu u.a. auch eine Kündigung aus wichtigem Grund sowie die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gemäß § 628 Abs. 2 BGB gehört.
…”
Die Beklagte erfüllte die Forderungen des Klägers nicht. Nach Fristablauf erklärte der Kläger mit Schreiben vom 1. Dezember 1998 die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages zum 31. Dezember 1998. Er sah davon ab, die außerordentliche Kündigung als fristlose Kündigung auszusprechen, um für den Übergangszeitraum bis zum Jahresende noch für Abschlußarbeiten zur Verfügung zu stehen.
Der Kläger bezog vom 1. Januar 1999 bis 31. Juli 1999 Arbeitslosengeld, danach bis Ende 1999 Überbrückungsgeld.
Durch Beschluß vom 1. Februar 2001 wurde über das Vermögen der H… KG das Insolvenzverfahren eröffnet. Über einen Antrag der Beklagten vom 19. Dezember 2000 unter dem Aktenzeichen – 73 IN 50/00 – auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde bislang nicht entschieden.
Mit der Klage vom 4. Dezember 1998 und deren Erweiterung am 26. Mai 1999 hat der Kläger die Nachzahlung der Gehaltsdifferenz für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1998 sowie Ersatz des Verdienstausfalls für die Zeit vom 1. Juli 1998 bis 31. Dezember 1999 in der zwischen den Parteien außer Streit stehenden Höhe von insgesamt 219.237,48 DM brutto abzüglich 38.174,13 DM netto begehrt. Ferner hat er den Ausgleich des Vorenthaltungsschadens für den Entzug des Geschäftswagens für das Kalenderjahr 1999 in der ebenfalls unstreitigen Höhe von insgesamt 9.987,84 DM verlangt.
Der Kläger hat die Rechtsansicht vertreten, daß die Beklagte infolge seiner berechtigten außerordentlichen Kündigung zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet sei. Die Beklagte habe ab dem 1. Juli 1998 permanent die im Abmahnungsschreiben vom 9. November 1998 näher bezeichneten Verpflichtungen aus dem Geschäftsführervertrag verletzt. Der Geschäftsführer habe dem Kläger nicht nur das dringend nachgesuchte Gespräch über die weitere Zusammenarbeit verweigert, sondern ihn am 13. November 1998 ultimativ zur Rücknahme der Abmahnung aufgefordert, andernfalls er – der Kläger – das Unternehmen zu verlassen habe und große Schwierigkeiten bekommen werde. Die Beklagte habe die vertraglichen Vereinbarungen mißachtet. Der Kläger habe den einseitigen Vertragsänderungen nicht zugestimmt, insbesondere keiner Verlängerung der Probezeit. Das Vertrauen sei durch die Beklagte irreparabel zerstört worden.
Der Kläger hat – zusammengefaßt – beantragt,
die Beklagte als Gesamtschuldnerin neben der Firma H… KG zu verurteilen, an den Kläger
219.237,48 DM brutto abzüglich erhaltener 38.174,13 DM netto
sowie weitere 9.987,84 DM
nebst 4 % Zinsen aus dem sich jeweils ergebenden Nettobetrag von
9.237,50 DM |
brutto |
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ab dem 9. Dezember 1998 |
83.333,33 DM |
brutto |
abzüglich |
6.657,12 DM netto und weitere |
4.161,60 DM |
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ab dem 1. Juni 1999 |
126.666,65 DM |
brutto |
abzüglich |
31.517,01 DM netto und weitere |
5.826,24 DM |
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|
ab dem 24. Januar 2000 |
zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat die Rechtsansicht vertreten, daß der Kläger nicht zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 BGB berechtigt gewesen sei und ihm folglich auch keine Schadensersatzansprüche aus § 628 Abs. 2 BGB zustünden. Nach dem Geschäftsführervertrag sei der Kläger nicht ab dem 1. Juli 1998 ohne wenn und aber zum Geschäftsführer zu bestellen gewesen. Noch vor dem 1. Juli 1998 habe der Geschäftsführer dem Kläger mitgeteilt, daß nach dem Gesellschafterbeschluß vom 26. Juni 1998 die Probezeit zunächst bis zum 31. Dezember 1998 verlängert worden sei. Der Kläger habe nach Erhalt dieser Mitteilung geantwortet, er sei mit dem Aufschub einverstanden, wenn er eine feste Zusage zum Jahresende bekäme. Hierauf habe der Gesellschafter W erwidert, dies liege ganz an der Entwicklung des Klägers. Es komme darauf an, ob man bis dahin feststellen könne, daß er allein die Verantwortung im Unternehmen übernehmen könne. Bei sämtlichen Mitteilungen an den Kläger und bei den Gesprächen mit ihm sei die Geschäftsführerbestellung nie grundsätzlich verweigert, sondern nur die Auffassung vertreten worden, der Kläger könne aus Sicht der Beklagten noch nicht zum Geschäftsführer bestellt werden. Die zeitliche Verzögerung der vorgesehenen Bestellung zum Geschäftsführer könne nicht als “beharrlicher Verstoß” gewertet werden. Mit der Abmahnung habe der Kläger selbst das Vertrauensverhältnis zerstört.
Im übrigen hätten gewichtige Gründe bestanden, die gegen eine Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer bereits zum Zeitpunkt ab dem 1. Juli 1998 gesprochen hätten. Zum einen habe – was auch in dem Gespräch vom 13. November 1998 dem Kläger mitgeteilt worden sei – der Gesellschafter W den sicheren Eindruck gehabt, daß der Kläger im vorgesehenen Bestellungszeitpunkt den technischen Bereich des Unternehmens noch nicht beherrscht habe. Zum anderen habe der Kläger eine eigenwillige und eigenartige, “schulmeisterliche” Personalpolitik verfolgt. Der Kläger sei vom Geschäftsführer im Sommer darauf hingewiesen worden, daß er die Basis des Unternehmens und den Betrieb auf den Baustellen kennenlernen müsse, insbesondere deren Organisation und deren Abrechnung. Dabei sei der Kläger auf die Probleme der Vor- und Nachkalkulation hingewiesen worden. Nach Erhalt des Mahnschreibens vom 9. November 1998 habe der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger dies erklärt, der Kläger habe den Sachverhalt jedoch nicht akzeptiert.
Des weiteren hat die Beklagte die Rechtsansicht vertreten, dem Kläger stünde mangels Bestellung zum Geschäftsführer ab dem 1. Juli 1998 kein höheres Jahresgehalt als der ursprünglich vereinbarte Betrag von 150.000,00 DM zu. Im übrigen habe dem Kläger nach dem Ultima-Ratio-Prinzip durch eine Klage beim Arbeitsgericht auf Erfüllung des Vertrages ein zunächst einfacherer und sinnvollerer Weg zur Klärung der Angelegenheit zur Verfügung gestanden.
Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil vom 11. Juni 1999 die Beklagte und die H… KG als Gesamtschuldner zur Zahlung der Vergütung bis zum 31. Mai 1999 sowie durch Schlußurteil vom 24. März 2000 zur Zahlung des restlichen Verdienstausfalls bis zum 31. Dezember 1999 verurteilt. Soweit der Kläger einen unbezifferten Feststellungsantrag gestellt hat, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der H… KG durch Teilurteil vom 31. August 2000 das Teilurteil und das Schlußurteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Durch Schlußurteil vom 19. Juli 2001 hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Anschlußberufung des Klägers, mit der er den Feststellungsantrag weiterverfolgt hat, hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Unterschriften
Hauck, Laux, Morsch, R. Iskra
Richter Wittek ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert.
Hauck
Fundstellen
Haufe-Index 845597 |
DB 2002, 2273 |
DStZ 2003, 132 |
NJW 2003, 82 |
NWB 2002, 3755 |
BuW 2003, 42 |
GmbH-StB 2003, 43 |
ARST 2002, 262 |
ARST 2003, 135 |
EWiR 2003, 1183 |
FA 2002, 327 |
FA 2002, 383 |
FA 2002, 390 |
NZG 2002, 1177 |
SAE 2003, 231 |
StuB 2003, 240 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 5 |
EzA |
AUR 2002, 435 |
ArbRB 2003, 5 |
GmbHR 2003, 105 |
AuS 2002, 56 |
BAGReport 2003, 44 |
SPA 2002, 8 |