Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungskosten - Rückzahlungsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Lehrgangsdauer bis zu zwei Monaten rechtfertigt in der Regel nur dann eine längere Bindung als ein Jahr nach Abschluß der Ausbildung, wenn durch die Teilnahme am Lehrgang eine besonders hohe Qualifikation verbunden mit überdurchschnittlichen Vorteilen für den Arbeitnehmer entsteht oder wenn die Fortbildung besonders kostenintensiv ist (Weiterführung von BAG Urteil vom 11.4.1984 5 AZR 430/82 = AP Nr 8 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe).
2. Eine praktische Unterweisung des Arbeitnehmers ist bei der Berechnung der Lehrgangsdauer nur dann (mit) zu berücksichtigen, wenn sie einen erheblichen Anteil der Arbeitszeit ausmacht und der Arbeitnehmer dadurch keine der Vergütung angemessene Arbeitsleistung erbringt.
Orientierungssatz
Entscheidungen zur Bindungsdauer BAG Urteile vom: 23.3.1983 5 AZR 531/80, vom 11.4.1984 5 AZR 430/82, vom 15.5.1985 5 AZR 161/84, vom 23.4.1986 5 AZR 159/85, vom 19.6.1974 4 AZR 299/73, vom 12.12.1979 5 AZR 1056/77 und vom 8.8.1990 5 AZR 545/89.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 29.10.1992; Aktenzeichen 13 Sa 96/91) |
ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 29.05.1990; Aktenzeichen 2 Ca 94/90) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin die Kosten für die Weiterbildung zur Substitutin an die Beklagte nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses zurückzuzahlen hat.
Die am 12. November 1965 geborene Klägerin war bei der Beklagten, einem bundesweit tätigen Kaufhausunternehmen, in der Zeit vom 1. September 1982 bis zum 31. Januar 1990, zuletzt als Substitutin in der Parfümerieabteilung, beschäftigt. Die Klägerin begann zunächst am 1. September 1982 in der Filiale K der Beklagten eine Ausbildung für den Beruf der Verkäuferin. Nachdem sie die Verkäuferinnen-Prüfung am 6. Juni 1984 bestanden hatte, wurde sie in der Parfümerieabteilung zur Einzelhandelskauffrau ausgebildet. Sie bestand die entsprechende Prüfung am 13. Juni 1985 und wurde ab dem 14. Juni 1985 als Verkäuferin für die Parfümerieabteilung in der Filiale K der Beklagten angestellt. Ihr Bruttomonatseinkommen betrug für diese Tätigkeit zuletzt 1.516,00 DM. Am 14. Oktober 1987 vereinbarten die Parteien die Anstellung der Klägerin "als E z Subst." (gemeint ist damit: Einarbeitung zum Substituten) mit Wirkung vom 1. November 1987 bei einem monatlichem Bruttoeinkommen in Höhe von 2.000,00 DM. Mit Datum vom 12. Oktober 1987 schlossen die Parteien eine Zusatzvereinbarung zu diesem Anstellungsvertrag, in der es u. a. heißt:
"2. Nach erfolgreichem Abschluß der Weiterbil-
dung ist bei freier Planstelle der Einsatz
als Substitut vorgesehen.
4. Endet die Weiterbildung vorzeitig wegen Ei-
genkündigung oder fristloser Kündigung
durch die K AG, so haben Sie die bis
zu diesem Zeitpunkt angefallenen Weiterbil-
dungskosten bis zu einem Höchstbetrag von
4.000,00 DM zu erstatten.
5. Sollten Sie innerhalb von 3 Jahren nach er-
folgreichem Abschluß der Weiterbildung Ihr
Arbeitsverhältnis auflösen, oder sollte
Ihnen in dieser Zeit wirksam fristlos ge-
kündigt werden, so haben Sie der K
AG für aufgewendete Weiterbildungskosten
einen Anteil von 4.000,00 DM zu erstatten.
Dieser Betrag verringert sich für jeden
vollen Monat der Tätigkeit nach erfolgrei-
chem Abschluß der Weiterbildung um 1/36 des
Gesamtbetrages."
Am 15. August 1988 schlossen die Parteien einen Anstellungsvertrag über die Tätigkeit der Klägerin als Substitutin mit Wirkung vom 1. November 1988. Die Vergütung sollte sich nach Tarifgruppe IV, monatlich 2.800,00 DM, "vorbehaltlich bestandener Substituten-Prüfung", richten. Weiter heißt es dort:
"14. Sonstiges
Zusatzvereinbarung:
Frau W verpflichtet sich, die Drogisten-
prüfung bis Ende 1989 abzulegen. Die dazu
erforderlichen Aktivitäten sind außerhalb
der Arbeitszeit zu erbringen."
In der Zusatzvereinbarung zu diesem Anstellungsvertrag vom 15. August 1988 heißt es u. a.:
"Die Substitutenzeit ist eine verlängerte Weiter-
bildung und dient zur Vorbereitung auf die Abtei-
lungsleiterposition."
Die Klägerin legte die Substitutenprüfung in der Zeit vom 3. Oktober bis 5. Oktober 1988 erfolgreich ab. Dabei handelte es sich um eine interne Prüfung bei der Beklagten. Die Prüfungskommission bestand aus je einem Geschäftsführer, Organisationsleiter und Personalleiter, einem Vertreter des Gesamtbetriebsrates, einem Vertreter der Rechtsabteilung und zwei Mitarbeitern aus der Abteilung Personalentwicklung. Im Wissensteil der Prüfung wurden Klausuren im Bereich Betriebswirtschaftslehre, Recht, integrierte Betriebs-Ergebnis-Planung, Personalplanung und Verkaufsförderung geschrieben. Über das Bestehen der Substitutenprüfung wurde den Teilnehmern eine Urkunde ausgehändigt.
Ab dem 1. November 1988 war die Klägerin vereinbarungsgemäß als Substitutin in den Parfümerieabteilungen der Niederlassung K der Beklagten tätig. Sie kündigte ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 31. Januar 1990. Mit Schreiben vom 10. November 1989 stellte die Beklagte der Klägerin aufgrund der Rückzahlungsvereinbarung 21/36 von 4.000,00 DM, also 2.333,34 DM in Rechnung. Die Beklagte behielt 872,20 DM von der Januarvergütung ein. Diesen Betrag beansprucht die Klägerin mit ihrer Klage. Die Beklagte ihrerseits verlangt mit der Widerklage den von ihr errechneten Restbetrag von 1.461,14 DM.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe keinen Anspruch auf Rückzahlung von Ausbildungskosten. Die Beklagte könne die geltend gemachte Zahlung nicht auf die Rückzahlungsvereinbarung aus Ziffer 5 der Zusatzvereinbarung vom 12. Oktober 1987 stützen. Die Parteien hätten ihre Rechtsbeziehungen mit dem Anstellungsvertrag vom 15. August 1988 umfassend neu geregelt. Hierdurch seien alle früheren vertraglichen Regelungen abgelöst worden. Mit dem Wegfall der Rückzahlungsklausel in der Zusatzvereinbarung vom 15. August 1988 sei klargestellt, daß die Rückzahlung nicht mehr verlangt werden solle.
Darüber hinaus sei die Rückzahlungsvereinbarung unwirksam, da sie keinen angemessenen Gegenwert erhalten habe. Die Bezeichnung "Substitut" sei kein anerkannter Berufsabschluß. Die Beklagte habe auch nicht den Nachweis erbracht, daß die angebliche Ausbildung zusätzliche Marktchancen für sie geschaffen habe. Dabei komme es nicht auf die Marktchancen von Substituten im allgemeinen an, sondern speziell für Substituten im Drogeriefach. Für ihre berufliche Entwicklung sei die Einarbeitung zur Substitutin völlig unerheblich gewesen. Dies ergebe sich bereits aus der Zusatzvereinbarung vom 15. August 1988, mit der sie sich verpflichtet habe, die Drogerieprüfung bis Ende 1989 abzulegen. Allein diese Drogistenprüfung habe die Voraussetzungen für das Erreichen einer besser bezahlten Position geschaffen. Die vereinbarte Bindungsdauer von drei Jahren sei im Verhältnis zur Ausbildungsdauer unzulässig. Aus dem Vorbringen der Beklagten ergebe sich eine Gesamtdauer der Weiterbildungsveranstaltungen von 31 Tagen. Die übrige Einarbeitungszeit habe sie konkret als normale Verkäuferin gearbeitet. Es sei damit keine Bindungsdauer von mehr als 15 Monaten gerechtfertigt.
Der geltend gemachte Rückzahlungsanspruch sei zudem überhöht. Die Rückzahlung der Vergütung während der Arbeitsfreistellung zwecks Teilnahme an den Seminaren könne die Beklagte nicht beanspruchen. Sie habe insoweit keine Vermögenseinbuße dargelegt. Hierzu wäre es erforderlich, daß andere Arbeitnehmer wegen ihrer ausbildungsbedingten Abwesenheit Mehrarbeit geleistet hätten. Zudem dürfe die Beklagte wegen ihrer Berechtigung zur Umsatzsteuer keine Mehrwertsteuer in Rechnung stellen. Die Beklagte habe auch nicht die kostengünstigste Möglichkeit der Fortbildung gesucht. Die Seminarveranstaltungen hätten in N oder Umgebung stattfinden können. Als Referenten hätten örtliche Kräfte herangezogen werden können. Es wären dann die Hotel- und Reisekosten für die Referenten und die Teilnehmer nicht entstanden.
Die Klägerin hat vor dem Arbeitsgericht beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
872,20 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Februar
1990 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat weiter im Wege der Widerklage beantragt,
die Klägerin zur Zahlung von 1.461,14 DM nebst
4 % Zinsen seit Zustellung des Widerklageschrift-
satzes vom 18. April 1990 zu verurteilen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ihr Rückzahlungsanspruch ergebe sich aus Ziffer 5 der Zusatzvereinbarung vom 12. Oktober 1987. Diese Rückzahlungsvereinbarung sei nicht durch den Vertrag vom 15. August 1988 aufgehoben worden. Die Rückzahlungsverpflichtung in Ziffer 5 regele gerade die Rückzahlung bei Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses, für welches sie ausgebildet worden sei. Es sei daher nicht erforderlich gewesen, auf die Weitergeltung dieser Verpflichtung im Anstellungsvertrag vom 15. August 1988 erneut hinzuweisen.
Die Rückzahlungsklausel sei auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zulässig. Sie führe nicht zu einer unangemessenen Bindung der Klägerin. Ihr sei eine Ausbildung zugeflossen, die ihren Marktwert auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erhöht habe. Die Steigerung des Marktwertes der Substituten gegenüber den Verkäufer/innen könne bereits aus der höheren tariflichen Vergütung abgeleitet werden. Ihr eigener Bedarf an Führungsnachwuchs könne kaum gedeckt werden. 75 % der vor der Prüfung stehenden Einarbeiter zum Substituten nähmen bereits eine Planstelle wahr. Die restlichen 25 % würden innerhalb von drei Monaten nach Absolvierung auf entsprechende Arbeitsplätze vermittelt. Die Ausübung der Substituten-Tätigkeit sei mit einem deutlich höheren Gehalt verbunden. Die Klägerin könne sich auf dem Arbeitsmarkt aussichtsreich für eine entsprechende Tätigkeit auch in einem anderen Unternehmen bewerben. Von ihr ausgebildete Substituten hätten größte Chancen, gleiche oder höherwertige Positionen in anderen Einzelhandelsunternehmen zu finden. Im Einzelhandel bestehe ein breiter Arbeitsmarkt. Führungsnachwuchs werde in Warenhausunternehmen, Mittelbetrieben des Einzelhandels sowie in Filialbetrieben benötigt. Es seien in der Vergangenheit auch verschiedene Substituten bei ihr ausgeschieden, um in anderen Unternehmen in Führungspositionen tätig zu werden. Die Unternehmen H GmbH, H AG, K AG und K AG würden ihre Substitutenausbildung anerkennen und so ausgebildeten Arbeitnehmer mindestens zu entsprechenden Tarifgehältern übernehmen.
Die geltend gemachten Ausbildungskosten seien auch der Höhe nach gerechtfertigt. Ihr seien durch die Weiterbildungsveranstaltungen nachweisbare Kosten in Höhe von 3.974,69 DM entstanden. Die Klägerin habe im Rahmen ihrer Ausbildung fünf Seminare mit einer Gesamtdauer von 31 Tagen und eine Prüfungsveranstaltung besucht. Hierfür seien Reise- und Hotelkosten für Referenten und Teilnehmer entstanden; hinzu kämen die Honorarkosten. Zudem sei die Klägerin für die Dauer der Seminare, also insgesamt länger als einen Monat, unter Weiterzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht befreit worden. Hierdurch seien Kosten in Höhe von 2.500,00 DM entstanden.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 872,20 DM nebst Zinsen verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung zahlte die Beklagte den ausgeurteilten Betrag zuzüglich Zinsen, zusammen 889,64 DM. Mit ihrer Berufung hat die Beklagte neben den in erster Instanz gestellten Anträgen (Rück)Zahlung von 889,64 DM nebst Zinsen nach § 717 Abs. 2 ZPO verlangt. Die Berufung war erfolglos. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihre in zweiter Instanz gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der Weiterbildungskosten. Daher ist die auf Zahlung der eingehaltenen 872,20 DM nebst Zinsen gerichtete Klage begründet und die Widerklage unbegründet.
A. Die Zulässigkeit der Berufung gehört zu den in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfenden Prozeßfortsetzungsbedingungen (BAG Urteil vom 27. Januar 1961 - 1 AZR 311/59 - AP Nr. 26 zu § 11 ArbGG 1953). Sie ist vom Landesarbeitsgericht zu Recht bejaht worden. Zwar ist gegen das am 29. Mai 1990 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts erst am 9. September 1991 Berufung eingelegt worden. Das vollständig abgefaßte Urteil ist der Beklagten erst am 15. August 1991 zugestellt worden. Die Berufungsfrist ist dennoch eingehalten. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren beginnt mit der Fünf-Monats-Frist der §§ 516, 552 ZPO nicht die Berufungs- bzw. Revisionsfrist, sondern wegen des Fehlens der vorgeschriebenen Rechtsmittelbelehrung die Jahresfrist des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG (BAG Urteil vom 29. April 1983, BAGE 42, 303, 309 = AP Nr. 2 zu § 9 ArbGG 1979, zu 3 a der Gründe; BAG Urteil vom 16. August 1991 - 2 AZR 241/90 - AP Nr. 2 zu § 15 SchwbG 1986, zu I 3 der Gründe). Die Berufungsfrist begann daher erst am 15. August 1991.
B. Die Revision ist unbegründet.
I.1. Dem Landesarbeitsgericht ist zunächst darin zu folgen, daß die Parteien die Rückzahlungsvereinbarung vom 12. Oktober 1987 nicht durch den Vertrag vom 15. August 1988 aufgehoben haben. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Rückzahlungsabrede der Ziffer 5 nach ihrem Sinn und Zweck regelmäßig nur bei späterem Abschluß eines Vertrages über eine Tätigkeit der Klägerin als Substitutin Bedeutung gewinnen konnte.
Die Parteien haben weder im Anstellungsvertrag vom 15. August 1988 noch in dessen Zusatzvereinbarung die Rückzahlungsvereinbarung ausdrücklich aufgehoben. Sie haben ihre vertraglichen Beziehungen auch nicht unter konkludenter Aufhebung aller bisherigen Vereinbarungen auf eine neue Rechtsgrundlage stellen wollen. Zwar ist der von der Beklagten verwendete Vertrag für die Tätigkeit der Klägerin als Substitutin so formuliert, als solle eine Neueinstellung erfolgen. Rechtlich handelt es sich jedoch nur um eine Änderungsvereinbarung. Die Klägerin war bei Abschluß dieses Vertrages bereits mehrere Jahre bei der Beklagten ununterbrochen beschäftigt gewesen. Auch nach Absolvierung der Substitutenprüfung sollte das Vertragsverhältnis nicht automatisch beendet werden. Der erneute Vertragsabschluß erfolgte vielmehr auf der Grundlage von Ziffer 2 der Zusatzvereinbarung vom 12. Oktober 1987. Danach sollte die Klägerin nach erfolgreichem Abschluß der Weiterbildung als Substitutin eingesetzt werden. Hierzu war eine Änderung der Bestimmungen über die vertraglich geschuldete Tätigkeit und die Vergütung erforderlich. Die Rückzahlungsvereinbarung in Ziffer 5 regelte dabei ausdrücklich die Rückzahlungsverpflichtung für den Fall der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Abschluß der Weiterbildung. Damit haben die Parteien zu erkennen gegeben, daß die Bindung drei Jahre nach Abschluß der Weiterbildung für die vertragsgemäße Tätigkeit als Substitutin Geltung haben sollte.
2. Die Rückzahlungsvereinbarung verstößt entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht gegen § 5 BBiG. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BBiG ist "eine Vereinbarung, die den Auszubildenden nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses in der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit beschränkt, ... nichtig". Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG ist nichtig auch "eine Vereinbarung über ... die Verpflichtung des Auszubildenden, für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen". Nach § 19 BBiG gelten, "soweit nicht ein Arbeitsverhältnis vereinbart ist, ... für Personen, die eingestellt werden, um berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen zu erwerben, ohne daß es sich um eine Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes handelt" nach näherer Maßgabe die §§ 3 bis 18 BBiG. Diese Bestimmung ist nur anwendbar auf Rechtsverhältnisse, die weder Berufsausbildungsverhältnisse noch Arbeitsverhältnisse sind, also im wesentlichen auf die - heute selten gewordenen - Praktikanten- und Volontärverhältnisse. Sie findet keine Anwendung auf Arbeitsverhältnisse, die neben der Arbeitsleistung eine Fortbildung des Arbeitnehmers zum Gegenstand haben. Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Die Fortbildung zur Substitutin stellt keine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes dar. Dies ergibt sich schon daraus, daß keine "breitangelegte berufliche Grundbildung" (§ 1 Abs. 2 BBiG) vermittelt wurde. Vielmehr stand die Arbeitsleistung im Vordergrund. Die Fortbildung nahm nur einen geringen Teil der gesamten Arbeitszeit in Anspruch.
II. Die Beklagte kann dennoch aus der Rückzahlungsvereinbarung keine Ansprüche herleiten. Ziffer 5 der Zusatzvereinbarung vom 12. Oktober 1987 ist zumindest insoweit unwirksam, als die Bindungsdauer ein Jahr überschreitet.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Arbeitsvertragsparteien vereinbaren, daß Ausbildungskosten, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer aufgewendet hat, von diesem zurückzuzahlen sind, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vor Ablauf bestimmter Fristen beendet. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Zahlungsverpflichtungen, die an die vom Arbeitnehmer ausgehende Kündigung anknüpfen, können gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Dieser Grundsatz erhält in Fällen der vorliegenden Art seinen spezifischen Inhalt aus der Wertentscheidung des Grundgesetzes für die freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 GG), die auch das Recht umfaßt, den gewählten Arbeitsplatz aufzugeben und zu wechseln (BAG Urteil vom 24. Juli 1991 - 5 AZR 443/90 - AP Nr. 16 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung entfaltet sich in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten durch die das Privatrecht unmittelbar beherrschenden Vorschriften, insbesondere die Generalklauseln (BVerfGE 42, 143, 148). Zu diesen Generalklauseln zählt auch der Grundsatz von Treu und Glauben. Dieser setzt dem Arbeitgeber, der zur Fürsorge gegenüber seinen Beschäftigten verpflichtet ist, für Rückzahlungsvereinbarungen dieser Art wegen der damit verbundenen Bindungen des Arbeitnehmers an seinen Arbeitsplatz Schranken. Andererseits verbietet er ihm nicht schlechthin, seine Leistung für eine berufliche Aus- und Weiterbildung mit einer Bindung des Beschäftigten zu verknüpfen. In Grenzen muß dieser dem schutzwürdigen Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, sich als Gegenleistung den Wert von ihm finanzierter Aus- und Fortbildung für einen angemessenen Zeitraum zu sichern. Eine angemessene Berücksichtigung der Arbeitgeberinteressen in dieser Form schließt das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nicht aus (vgl. BVerfGE 39, 128, 141). Die für den Arbeitnehmer tragbaren Bindungen sind aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (BGH Urteil vom 5. Juni 1984 - VI ZR 279/82 - AP Nr. 11 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, zu II 1 der Gründe).
2. Die Rückzahlungspflicht muß vom Standpunkt eines verständigen Betrachters aus einem begründeten und zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entsprechen; der Arbeitnehmer muß mit der Ausbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muß die Erstattungspflicht dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zumutbar sein. Dabei kommt es u. a. auf die Dauer der Bindung, den Umfang der Fortbildungsmaßnahme, die Höhe des Rückzahlungsbetrages und dessen Abwicklung an (BAGE 42, 48 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; BAG Urteil vom 24. Juli 1991 - 5 AZR 443/90 - AP Nr. 16 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, zu III 2 der Gründe).
a) Der erkennende Senat hat mehrfach ausgesprochen, daß die Zulässigkeit von Rückzahlungsklauseln auch von der Fortbildung- und Bindungsdauer abhängt. Beide müssen in angemessenem Verhältnis stehen. Daran ist entgegen einer im Schrifttum gelegentlich geäußerten Ansicht (Hanau/Stoffels, Beteiligung von Arbeitnehmern an den Kosten der beruflichen Fortbildung, Seite 36 f.) festzuhalten. Da der Arbeitgeber während der Fortbildung üblicherweise die Vergütung fortzahlt oder einen Unterhaltszuschuß gewährt, hängt von ihrer Dauer im Regelfall die Höhe der Arbeitgeberaufwendungen maßgeblich ab. Entscheidend ist aber, daß die Dauer der Fortbildung ein starkes Indiz für die Qualität der erworbenen Qualifikation ist. Allerdings kann im Einzelfall auch bei kürzerer Ausbildungsdauer eine verhältnismäßig lange Bindung gerechtfertigt sein, und zwar wenn der Arbeitgeber erhebliche Mittel aufwendet oder die Teilnahme an der Fortbildung dem Arbeitnehmer besondere Vorteile bringt.
b) Im einzelnen gilt folgendes: Eine Lehrgangsdauer von bis zu einem Jahr ohne Arbeitsverpflichtung rechtfertigt im Regelfall keine längere Bindung als drei Jahre. In seinem Urteil vom 23. Februar 1983 (BAGE 42, 48, 54 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, unter III 2 der Gründe) hat der Senat im Hinblick auf einen knapp sechsmonatigen Lehrgang für den gehobenen Sparkassendienst ausgesprochen, daß eine Bindung von drei Jahren, die der sechsfachen Dauer der Ausbildung entspricht, im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen, wie Höhe der Ausbildungskosten und erlangte Vorteile, das äußerste Maß dessen darstellt, was im Hinblick auf Art. 12 GG als zulässig angesehen werden könne. Mit Urteil vom 11. April 1984 (- 5 AZR 430/82 - AP Nr. 8 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe) hat der Senat entschieden, daß eine Lehrgangsdauer bis zu zwölf Monaten i.d.R. nur dann eine längere Bindung als drei Jahre nach Abschluß der Ausbildung rechtfertigt, wenn durch die Teilnahme am Lehrgang eine besonders hohe Qualifikation verbunden mit überdurchschnittlichen Vorteilen für den Arbeitnehmer entsteht. In seinem Urteil vom 15. Mai 1985 (- 5 AZR 161/84 - AP Nr. 9 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe) hat der Senat eine drei Jahre überschreitende Bindungsfrist bei einer 16-monatigen Ausbildungsdauer für unwirksam gehalten. Er hat dabei u. a. darauf abgestellt, daß der Beklagte während der gesamten Ausbildungszeit immerhin 22,2 % der geschuldeten Arbeitsleistung erbracht hatte. In seinem Urteil vom 23. April 1986 (- 5 AZR 159/85 - AP Nr. 10 zu § 611 Ausbildungsbeihilfe) hat der Senat an dieser Rechtsprechung festgehalten.
In seinen Urteilen vom 19. Juni 1974 (- 4 AZR 299/73 - AP Nr. 1 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe) und vom 12. Dezember 1979 (- 5 AZR 1056/77 - AP Nr. 4 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe) hat der Senat eine Bindungsfrist von fünf Jahren für zulässig gehalten; in dem einen Fall war dem Beklagten ein über zweijähriger Lehrgang zur Ausbildung von Fachlehrern für bildhaftes Gestalten und Werken und im zweiten Fall ein über achtsemestriges Universitätsstudium finanziert worden, ohne daß der Betreffende dabei vertraglich zur Arbeit verpflichtet war. Andererseits hat der Senat in seinem Urteil vom 8. August 1990 (- 5 AZR 545/89 -, n.v., unter IV der Gründe) erhebliche Zweifel daran geäußert, ob bei einer Lehrgangsdauer von nur einigen Wochen der Arbeitnehmer drei Jahre gebunden werden kann.
Diese Frage ist zu verneinen. Es gibt keinen Grundsatz, daß eine Bindung von drei Jahren im Regelfall unbedenklich ist. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert vielmehr weitere Abstufungen. Bei einer Fortbildungsdauer von bis zu zwei Monaten ohne Verpflichtung zur Arbeitsleistung kann im Regelfall höchstens eine einjährige Bindung vereinbart werden (vgl. LAG Frankfurt Urteil vom 20. März 1986 - 9 Sa 165/85 - EzB § 611 BGB Aus- und Weiterbildungskosten Nr. 29 = NzA 1986, 753). Etwas anderes kann dann gelten, wenn die Fortbildung dem Arbeitnehmer eine besonders hohe Qualifikation und damit verbunden überdurchschnittlich große Vorteile bringt oder der Arbeitgeber für die Fortbildung ganz erhebliche Mittel aufwendet.
3. Für den Streitfall ergibt sich daraus folgendes: Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dauerten die Lehrgänge insgesamt 31 Tage und damit erheblich weniger als zwei Monate. Die Klägerin war in dieser Zeit von der Arbeit freigestellt. Entgegen der Auffassung der Revision und entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts München (Urteil vom 31. Oktober 1990 - 5 Sa 532/89 -) kommt es auf die Gesamtdauer der Einarbeitungszeit (1. November 1987 bis zur Prüfung am 5. Oktober 1988) nicht an. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß die praktische Unterweisung der Klägerin einen erheblichen Anteil ihrer Arbeitszeit ausmachte und diese dadurch keine der Vergütung angemessene Arbeitsleistung erbracht hat.
Eine besonders hohe Qualifikation hat die Klägerin nicht erworben. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend hervorgehoben hat, gibt es keine anerkannte Ausbildung zum Substituten. Die Klägerin ist nach dem Vortrag der Beklagten im Wissensteil in den Fächern Betriebswirtschaftslehre, Recht, Integrierte Betriebs-Ergebnis-Planung, Personalplanung und Verkaufsförderung geprüft worden. Aufgrund der verhältnismäßig kurzen Dauer der Seminare können daher nur Grundkenntnisse vermittelt worden sein. Die Klägerin ist zwar nach den Tarifverträgen für den Einzelhandel des Landes Baden-Württemberg als Substitutin zwei Tarifgruppen höher eingruppiert als sie es als Verkäuferin war. Das sind jedoch keine überdurchschnittlichen Vorteile. Schließlich war die Fortbildung auch nicht besonders kostenaufwendig. Die Beklagte hat für die Teilnahme der Klägerin an den Lehrgängen nach ihrem Vortrag insgesamt 3.974,69 DM aufgewandt. Selbst wenn man die während der Lehrgänge gezahlte Vergütung in der von der Beklagten behaupteten Höhe von 2.500,00 DM hinzurechnet, ergibt sich ein Betrag von lediglich 6.500,00 DM. Das sind nur wenig mehr als zwei Monatsverdienste der Klägerin als Substitutin.
Nach alledem durfte die Beklagte mit der Klägerin zumindest keine über ein Jahr hinaus gehende Bindung vereinbaren. Da die Klägerin diese Frist eingehalten hat, hat die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung anteiliger Ausbildungskosten. Ob die Klägerin überhaupt eine angemessene Gegenleistung erhalten hat, die eine Bindung rechtfertigt, was das Landesarbeitsgericht nach durchgeführter Beweisaufnahme zumindest für zweifelhaft gehalten hat, kann daher unentschieden bleiben.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Reinecke
Kähler Dr. Frey
Fundstellen
Haufe-Index 439948 |
BAGE 75, 215-225 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
BAGE, 215 |
BB 1994, 433 |
BB 1994, 433-434 (Gründe) |
BB 1994, 723 |
DB 1994, 1040-1041 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
BuW 1994, 288 (Kurzwiedergabe) |
EzB BGB § 611 Aus- und Weiterbildungskosten, Nr 44 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
NZA 1994, 835 |
NZA 1994, 835-837 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
AP § 611 BGB, Nr 17 |
AR-Blattei, ES 1340 Nr 7 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
AuA 1995, 396-398 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
EzA § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe, Nr 9 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
EzBAT § 4 BAT Rückzahlungsklausel, Nr 11 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |