Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung; Betriebsratsanhörung
Leitsatz (amtlich)
1. Besteht aus der Sicht des Arbeitgebers keine Möglichkeit, den zu kündigenden Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 1 b und 2 b KSchG), so genügt der Arbeitgeber seiner Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG in der Regel schon durch den ausdrücklichen oder konkludenten Hinweis auf fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten.
2. Hat jedoch der Betriebsrat vor Einleitung des Anhörungsverfahrens Auskunft über Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für den zu kündigenden Arbeitnehmer auf einem konkreten, kürzlich frei gewordenen Arbeitsplatz verlangt, so muß der Arbeitgeber dem Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG mitteilen, warum aus seiner Sicht eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf diesem Arbeitsplatz nicht möglich ist. Der lediglich pauschale Hinweis auf fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb reicht dann nicht aus.
3. Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf dem vom Betriebsrat benannten Arbeitsplatz zunächst objektiv falsch informiert und rügt der Betriebsrat dies innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 BetrVG unter Angabe des zutreffenden Sachverhalts, so ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Betriebsrat ergänzend mitzuteilen, warum aus seiner Sicht trotzdem eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf diesem Arbeitsplatz nicht in Betracht kommt. Unterläßt er dies und kündigt, so ist die Kündigung nach § 102 BetrVG unwirksam.
Normenkette
BetrVG § 102; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 5. November 1998 – 8 Sa 1159/98 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Der 1959 geborene Kläger ist seit 1973 bei der Beklagten beschäftigt und war zuletzt seit 1984 als Lokfahrer mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 4.500,00 DM tätig. Er ist mit einem GdB von 40 einem Schwerbehinderten gleichgestellt und Inhaber des Bergmannsversorgungsscheines. Seit dem 13. Januar 1993 ist der Kläger ununterbrochen arbeitsunfähig krank geschrieben und kann seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten. Nach einer Arbeitsplatzwechselempfehlung der Bundesknappschaft vom 2. September 1994 kann der Kläger im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand nur noch zu mittelschweren und körperlich leichten Tätigkeiten eingesetzt werden und dies auch nur mit zahlreichen Einschränkungen (z.B. keine Arbeit auf Leitern und Gerüsten, keine Nachtschicht). Im Juli 1996 entschloß sich die Beklagte dem Kläger zu kündigen, nachdem sie mehrfach versucht hatte, einen leidensgerechten Arbeitsplatz für ihn zu finden. Mit Schreiben vom 9. Juli 1996 hörte sie den im Betrieb gebildeten Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung an. Der Betriebsrat widersprach unter Hinweis auf den hohen sozialen Besitzstand des Klägers (verheiratet, fünf Kinder, davon zwei schwerbehindert) vor allem mit der Begründung, die Beklagte habe es versäumt, dem Kläger einen geeigneten Arbeitsplatz entsprechend der Empfehlung der Bundesknappschaft anzubieten.
In dem sodann eingeleiteten Zustimmungsverfahren bei der Hauptfürsorgestelle erhoben der Betriebsrat und der Vertrauensmann der Schwerbehinderten den Einwand, möglicherweise sei ein freier leidensgerechter Arbeitsplatz im Magazin vorhanden, nachdem hier der Mitarbeiter R ausgeschieden sei. Die Beklagte sagte eine Überprüfung zu, teilte dann aber der Hauptfürsorgestelle mit Schreiben vom 24. Februar 1997 mit, nach Rücksprache mit dem betreffenden Fachbereich sei der Arbeitsplatz des Herrn R zwischenzeitlich mit dem schwerbehinderten Mitarbeiter Dirk V, geboren am 10. November 1964, besetzt. Diese Angabe traf nicht zu. Der Arbeitnehmer Dirk V war nicht im Magazin, sondern in einer anderen Abteilung beschäftigt. Im Magazin war der Mitarbeiter Olaf V tätig, der nicht schwerbehindert ist, sondern lediglich einen Bergmannsversorgungsschein besitzt und auch nicht als Nachfolger des am 30. Juni 1996 ausgeschiedenen Mitarbeiters R eingesetzt worden ist, sondern bereits seit dem 1. Februar 1994 im Magazin beschäftigt wurde. Mit Bescheid vom 6. Juni 1997 stimmte die Hauptfürsorgestelle der beabsichtigten Kündigung mit der Begründung zu, die Sachverhaltsermittlungen hätten ergeben, daß auf dem Arbeitsplatz im Magazin mittlerweile ein anderer Schwerbehinderter beschäftigt werde. Dem schloß sich die Zentrale für den Bergmannsversorgungsschein an.
Mit Schreiben vom 27. Juni 1997 hörte die Beklagte den Betriebsrat erneut unter Beifügung der zuvor überreichten Unterlagen sowie der Mitteilung, der Kläger sei immer noch krank, zu der beabsichtigten Kündigung an. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 2. Juli 1997. Er wies insbesondere darauf hin, das Anhörungsverfahren sei fehlerhaft; der Arbeitsplatz des Mitarbeiters R, auf dem der Kläger nach dem Vorschlag des Betriebsrats eingesetzt werden solle, sei nicht, wie der Hauptfürsorgestelle mitgeteilt, mit dem Mitarbeiter Dirk V besetzt. Dieser sei nicht im Magazin, sondern im Versand tätig. Damit seien dem Betriebsrat falsche Aussagen gemacht worden und die Hauptfürsorgestelle habe der Kündigung unter falschen Voraussetzungen zugestimmt. Trotz des Widerspruchs kündigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 8. Juli 1997 zum 31. März 1998.
Der Kläger hat die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung sowie die soziale Rechtfertigung der Kündigung bestritten und vorgetragen, die Kündigung hätte sich dadurch vermeiden lassen, daß er – dem Widerspruch des Betriebsrats folgend – auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz im Magazin hätte beschäftigt werden können. Er sei in der Lage gewesen, den nach Ausscheiden des Mitarbeiters R freien Arbeitsplatz im Magazin auszufüllen (Beweis: Sachverständigengutachten). Jedenfalls habe die Beklagte den Betriebsrat unrichtig informiert, was dieser in seinem Widerspruch auch ausdrücklich beanstandet habe. Eine bewußte Irreführung des Betriebsrats durch die Beklagte wolle er insoweit allerdings nicht behaupten.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 8. Juli 1997 nicht beendet worden ist.
Die Beklagte hat zur Stützung ihres Klageabweisungsantrags geltend gemacht, die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß erfolgt, obwohl der Betriebsrat infolge einer Namensverwechslung objektiv unrichtig informiert worden sei. Jedenfalls habe im Kündigungszeitpunkt kein freier, durch den Kläger zu besetzender Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden. Eine Nachbesetzung des frei gewordenen Arbeitsplatzes des Mitarbeiters R sei wegen des erheblichen Personalüberhanges im Magazin nicht erforderlich gewesen. Abgesehen davon sei der Kläger aus gesundheitlichen Gründen für einen Einsatz im Magazin/Lager ungeeignet, da diese Tätigkeiten mit dem Heben schwerer Gegenstände sowie dem Besteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten pp. verbunden seien. Sie könne auch ungeachtet der unrichtigen Information des Betriebsrats den Kündigungssachverhalt in diesen beiden Punkten (Fehlen eines leidensgerechten Arbeitsplatzes und Ungeeignetheit des Klägers für eine Arbeit im Magazin) ergänzen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert bereits an § 102 BetrVG.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe den Betriebsrat aus ihrer Sicht vollständig über die Kündigungsgründe informiert und es liege deshalb eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung vor. Die Kündigung sei jedoch sozialwidrig. Darauf, daß der Arbeitsplatz im Magazin eingespart worden und im übrigen nicht leidensgerecht gewesen sei, könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie insoweit den Kündigungssachverhalt dem Betriebsrat bei der Anhörung nicht mitgeteilt habe. Nachdem die Beklagte dem Betriebsrat irrtümlicherweise die unzutreffende Mitteilung gemacht habe, der Arbeitsplatz des Herrn R sei neu besetzt worden, handele es sich nicht um eine Präzisierung oder Erläuterung, sondern um einen Austausch des Kündigungsgrundes, wenn sich die Beklagte jetzt darauf berufe, auf eine Neubesetzung des Arbeitsplatzes sei verzichtet worden und der Kläger sei auch aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht zur Ausfüllung dieses Arbeitsplatzes in der Lage.
2. Dem folgt der Senat jedenfalls im Ergebnis.
Die Kündigung der Beklagten ist wegen nicht ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.
a) Das Landesarbeitsgericht ist mit der ständigen Senatsrechtsprechung (BAG 28. Februar 1974 – 2 AZR 455/73 – BAGE 26, 27; 22. September 1994 – 2 AZR 31/94 – BAGE 78, 39, jeweils mwN) davon ausgegangen, daß eine Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur dann unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat zuvor überhaupt beteiligt zu haben, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachkommt. Die Einschaltung des Betriebsrats im Rahmen des Anhörungsverfahrens vor einer Kündigung hat über die reine Unterrichtung hinaus den Sinn, ihm Gelegenheit zu geben, seine Überlegungen zu der Kündigungsabsicht aus der Sicht der Arbeitnehmervertretung zur Kenntnis zu bringen. Die Anhörung soll in geeigneten Fällen dazu beitragen, daß es gar nicht zum Ausspruch einer Kündigung kommt (BAG 2. November 1983 – 7 AZR 65/82 – BAGE 44, 201, 206). Aus diesem Sinn und Zweck der Anhörung folgt für den Arbeitgeber die Verpflichtung, die Gründe für seine Kündigungsabsicht derart mitzuteilen, daß er dem Betriebsrat eine nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalts gibt. Diese Kennzeichnung des Sachverhalts muß so genau und umfassend sein, daß der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage ist, selbst die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich ein Bild zu machen. Der Arbeitgeber genügt der ihm obliegenden Mitteilungspflicht nicht, wenn er den Kündigungssachverhalt nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig umschreibt, ohne die für seine Bewertung maßgeblichen Tatsachen mitzuteilen (BAG 22. September 1994 aaO).
b) Ebenso zutreffend geht das Landesarbeitsgericht auch davon aus, daß an die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bei der Betriebsratsanhörung nicht dieselben Anforderungen zu stellen sind wie an die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozeß, sondern der Grundsatz der sogenannten „subjektiven Determinierung” gilt, dem zufolge der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört worden ist, wenn der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (st. Rspr., etwa BAG 11. Juli 1991 – 2 AZR 119/91 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 57; BAG 22. September 1994 aaO mwN). Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen nicht mit, weil er die Kündigung darauf (zunächst) nicht stützen will oder weil er sie bei seinem Kündigungsentschluß für unerheblich oder entbehrlich hält, dann ist die Anhörung selbst ordnungsgemäß. Die in objektiver Hinsicht unvollständige Unterrichtung hat lediglich mittelbar die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge, wenn der mitgeteilte Sachverhalt zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung nicht ausreicht, weil es dem Arbeitgeber verwehrt ist, Gründe nachzuschieben, die nicht Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren (BAG 11. Juli 1991 AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 57).
c) Zu den Gründen für die Kündigung, die nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem Betriebsrat bei der Anhörung mitzuteilen sind, zählen auch die Gründe, die nach § 102 Abs. 3 Nr. 2 bis 5 BetrVG den Betriebsrat zum Widerspruch berechtigen können (BAG 6. Juli 1978 – 2 AZR 810/76 – BAGE 30, 370). Ist zB bei einem Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes eines Arbeitnehmers die Versetzung auf einen anderen freien Arbeitsplatz zu erwägen, dann spricht es für die Kündigung, wenn der Arbeitgeber die Versetzung unterläßt, weil der Arbeitnehmer für die andere Tätigkeit nicht geeignet ist, oder er den Arbeitsplatz einsparen möchte. Die für oder gegen eine derartige Versetzung sprechenden Gründe sind damit unmittelbare Bestandteile der für die Kündigung maßgeblichen Gründe. Besteht aus der Sicht des Arbeitgebers keine Möglichkeit, den zu kündigenden Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 1 b und 2 b KSchG), so genügt der Arbeitgeber seiner Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG in der Regel schon durch den ausdrücklichen oder konkludenten Hinweis auf fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten. Auch im Kündigungsschutzprozeß ist der Arbeitgeber zu weiteren Darlegungen nur verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer angibt, wie er sich eine Weiterbeschäftigung vorstellt. Die Darlegungspflicht im Rahmen der Betriebsratsanhörung geht regelmäßig nicht weiter als die Darlegungslast im späteren Prozeß (BAG 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 29).
d) Soweit das Berufungsgericht aus dem Grundsatz der sogenannten „subjektiven Determinierung” allerdings herleitet, die Betriebsratsanhörung sei im vorliegenden Fall ordnungsgemäß erfolgt, berücksichtigt dies nicht hinreichend, daß der Betriebsrat schon vor der Anhörung der Beklagten einen konkreten Arbeitsplatz im Magazin benannt hat, auf dem aus seiner Sicht eine Weiterbeschäftigung des Klägers möglich war und er im Anhörungsverfahren ausdrücklich mit konkretem Sachvortrag gerügt hat, er sei hinsichtlich dieser Weiterbeschäftigungsmöglichkeit durch die Beklagte falsch informiert worden.
aa) Wie ausführlich der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Kündigungsgründe zu informieren hat, ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens. Geht der Arbeitgeber davon aus, daß im Betrieb kein geeigneter Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der zur Kündigung anstehende Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden könnte, so ergibt sich in der Regel schon aus dem Zusammenhang des Anhörungsschreibens für den Betriebsrat mit hinreichender Deutlichkeit, daß eine Kündigung erfolgen soll, weil andere geeignete Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten aus der Sicht des Arbeitgebers nicht bestehen (BAG 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 29). Gibt sich der Betriebsrat damit zufrieden, ist er ordnungsgemäß angehört.
bb) Weitergehende Mitteilungspflichten bestehen jedoch dann, wenn der Betriebsrat – wie hier – den Arbeitgeber schon vor Einleitung des Anhörungsverfahrens darauf aufmerksam gemacht hat, daß ein konkreter Arbeitsplatz derzeit unbesetzt ist, und er weiter geltend gemacht hat, auf diesem Arbeitsplatz bestehe eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den zu kündigenden Arbeitnehmer. Aufgrund eines solchen gezielten Hinweises des Betriebsrats vor Einleitung des Anhörungsverfahrens ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Betriebsrat über den pauschalen Hinweis auf fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten hinaus weitere konkrete Auskünfte, bezogen auf diesen Arbeitsplatz zu erteilen. Er kann in einem solchen Fall erkennen, daß seine Erwartung, der Betriebsrat werde durch den bloßen allgemeinen Hinweis auf fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten ausreichend unterrichtet, nicht gerechtfertigt ist. Er hat deshalb dem Betriebsrat im einzelnen darzulegen, weshalb eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf dem genannten Arbeitsplatz aus seiner Sicht nicht in Betracht kommt. Diese erweiterte Mitteilungspflicht nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gilt nur dann nicht, wenn das Verlangen des Betriebsrats, über Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für den Arbeitnehmer auf einen bestimmten anderen Arbeitsplatz informiert zu werden, von der Sache her nicht gerechtfertigt ist, etwa weil der Betriebsrat entsprechende Kenntnisse schon besitzt. Kommt der Arbeitgeber einem schon im Vorfeld der eigentlichen Anhörung geäußerten berechtigten Verlangen des Betriebsrats nach zusätzlicher Information über die Kündigungsgründe nicht nach, so macht dies die Kündigung unwirksam (vgl. BAG 6. Juli 1979 – 2 AZR 810/76 – BAGE 30, 370). Selbst die Autoren, die die Ausdehnung der Unwirksamkeitsfolge des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG auf die nicht ordnungsgemäße Anhörung für zu weitgehend halten (GK-Kraft BetrVG 6. Aufl. § 2 Rn. 75; Oetker SAE 1989, 302, 305; ders. FS Kraft S 429; Raab ZfA 1995, 479, 528), setzen den Fall, daß der Arbeitgeber einem derartigen berechtigten Verlangen des Betriebsrats nach Zusatzinformationen nicht nachkommt, der Nichtanhörung des Betriebsrats mit der Unwirksamkeitsfolge des § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG gleich. Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens rechtfertigen dies: Geht der Betriebsrat etwa mit vertretbaren Gründen davon aus, daß der Arbeitnehmer auf einem bestimmten freien Arbeitsplatz, den der Arbeitgeber bisher in seine Erwägungen nicht einbezogen hat, weiterbeschäftigt werden kann und macht dies konkret schon vor Einleitung des Anhörungsverfahrens geltend, so kann er sich ohne eigene zusätzliche Nachforschungen nur dann selbst ein Bild über die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe und ein etwaiges Widerspruchsrecht nach § 102 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG machen, wenn ihm der Arbeitgeber konkret mitteilt, weshalb aus seiner Sicht eine Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers auf diesem Arbeitsplatz nicht möglich ist.
cc) Das gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat zwar zunächst über eventuelle Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf dem genannten anderen Arbeitsplatz informiert hat, dabei jedoch, wie der Betriebsrat noch innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 BetrVG substantiiert und zutreffend rügt, irrtümlich von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist. Ändert sich der dem Betriebsrat vom Arbeitgeber mitgeteilte Kündigungssachverhalt während der Anhörungsfrist, ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese Änderung dem Betriebsrat noch vor Ausspruch der Kündigung mitzuteilen. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Anhörung, dem Betriebsrat eine nähere Umschreibung des für die Kündigung maßgeblichen Sachverhalts zu geben. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Änderung des für den Arbeitgeber maßgeblichen Kündigungssachverhalts vor Ausspruch der Kündigung nicht mit, ist der Betriebsrat bei Ausspruch der Kündigung nicht über den maßgeblichen Kündigungssachverhalt unterrichtet, so daß keine ordnungsgemäße Anhörung nach § 102 BetrVG vorliegt und die Kündigung deshalb unwirksam ist. Eine Änderung des dem Betriebsrat vom Arbeitgeber mitgeteilten Kündigungssachverhalts liegt auch dann vor, wenn der Arbeitgeber während des Laufs der Kündigungsfrist davon in Kenntnis gesetzt wird, daß er den Betriebsrat über einen für die Kündigung wesentlichen Umstand irrtümlich falsch unterrichtet hat und der Betriebsrat deshalb über den für die Kündigung tatsächlich maßgebenden Kündigungssachverhalt nicht (zutreffend) unterrichtet ist.
Das gilt um so mehr, wenn der Betriebsrat die unzutreffende Unterrichtung durch den Arbeitgeber rügt, ohne den für den Arbeitgeber maßgeblichen, zutreffenden Kündigungssachverhalt zu kennen. In diesem Fall ist der Arbeitgeber nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verpflichtet, eine zutreffende Unterrichtung des Betriebsrats über den wahren Kündigungssachverhalt (ggf. nach weiteren Erkundigungen im Betrieb) nachzuholen. Unterläßt der Arbeitgeber eine ergänzende Information des Betriebsrats, läßt die Beanstandung des Betriebsrats auf sich beruhen und kündigt einfach, so fehlt es auch hier an einer ausreichenden Mitteilung über die Kündigungsgründe und die Kündigung ist nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.
Ist der Arbeitgeber nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, etwa aufgrund eines im Vorfeld der Anhörung gestellten konkreten Auskunftsverlangens des Betriebsrats, verpflichtet, den Betriebsrat über eine bestimmte von diesem geltend gemachte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb zu unterrichten, so macht es vom Sinn und Zweck der Betriebsratsanhörung her gesehen keinen Unterschied, ob der Arbeitgeber diese Mitteilung von Anfang an unterläßt oder ob er zunächst irrtümlich eine falsche Erklärung abgibt und, nachdem der Betriebsrat dies aufgeklärt hat, nunmehr keine weiteren Auskünfte erteilt, sondern unmittelbar kündigt. Ohne die erbetenen Auskünfte kann der Betriebsrat zumindest ohne eigene zusätzliche Nachforschungen nicht prüfen, ob stichhaltige Gründe bestehen, aus denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht auf dem betreffenden Arbeitsplatz weiterbeschäftigen möchte.
e) Nach diesen Grundsätzen ist die Kündigung der Beklagten nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat hatte schon ca. acht Monate vor der erneuten Anhörung mit Schreiben vom 27. Juni 1997 bei der Verhandlung vor der Hauptfürsorgestelle geltend gemacht, der Kläger könne auf dem unstreitig freigewordenen Arbeitsplatz des Arbeitnehmers R, bei dem es sich zudem um einen Schwerbehindertenarbeitsplatz gehandelt hat, weiterbeschäftigt werden. Die Beklagte hatte, weil der zuständige Mitarbeiter des Betriebes bei der Verhandlung vor der Hauptfürsorgestelle nicht anwesend war, Prüfung zugesagt und sich dafür einige Monate Zeit genommen, bevor sie der Hauptfürsorgestelle fälschlicherweise mitteilte, der Arbeitsplatz sei durch den schwerbehinderten Mitarbeiter Dirk V besetzt. Wenn die Beklagte den Betriebsrat unter diesen Umständen im wesentlichen unter Vorlage der alten Unterlagen erneut zur Kündigung des Klägers anhörte, so konnte dies zur Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf dem Arbeitsplatz des Mitarbeiters R nur heißen, daß die Beklagte sich auf ihre Mitteilung an die Hauptfürsorgestelle bezog. Der konkrete – der Sache nach zutreffende – Hinweis des Betriebsrats, der gegenüber der Hauptfürsorgestelle angegebene Grund für die Nichtweiterbeschäftigung des Klägers auf dem Arbeitsplatz R könne nicht zutreffen, verpflichtete die Beklagte nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, den Betriebsrat nunmehr zutreffend darüber zu informieren, warum aus der Sicht der Beklagten eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf diesem Arbeitsplatz nicht in Frage kam. Da sie dies nicht getan hat, ist sie der Anhörungspflicht zu den Kündigungsgründen nicht hinreichend nachgekommen und die Kündigung ist nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.
f) Zu Unrecht macht die Revision dem gegenüber geltend, der Betriebsrat sei schon im Anhörungsverfahren auch darüber unterrichtet worden, daß im Magazin ein entsprechender Arbeitsplatz für den Kläger „egal aus welchen Gründen” nicht zur Verfügung stehe bzw. nicht vorhanden sei. Die durch das Landesarbeitsgericht vorgenommene, ohnehin durch das Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbare Auslegung des Anhörungsschreibens ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Wenn die Beklagte in den ca. acht Monaten, seitdem der Betriebsrat sich auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger auf dem Arbeitsplatz R berufen hatte, stets nur geltend gemacht hatte, dieser Arbeitsplatz sei durch den Arbeitnehmer Dirk V besetzt, hatte sie ihre Argumentation erkennbar hierauf beschränkt und vom Empfängerhorizont des Betriebsrats aus gesehen boten die allgemeinen Formulierungen in dem Anhörungsschreiben keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß sich die Beklagte auf andere Gründe, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers auf diesem Arbeitsplatz entgegenstanden, berufen wollte.
Auch auf eine Kenntnis des Betriebsrats, bei dem fraglichen Arbeitsplatz handele es nicht um einen für den Kläger leidensgerechten Arbeitsplatz, beruft sich die Revision zu Unrecht. Es handelt sich insoweit um ein nach § 561 ZPO unbeachtliches neues Vorbringen in der Revisionsinstanz, das zudem nicht einmal schlüssig ist: Selbst wenn dem Betriebsrat die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers und der Arbeitsplatz im Magazin bekannt waren, folgt daraus noch nicht, daß dem Betriebsrat klar war, daß im Magazin, wo überwiegend Schwerbehinderte beschäftigt werden, keine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestand.
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, Rosendahl, Bartel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.02.2000 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436379 |
BAGE, 366 |
BB 2000, 1407 |
DB 2000, 1130 |
NJW 2000, 3801 |
ARST 2000, 210 |
FA 2000, 254 |
NZA 2000, 761 |
SAE 2000, 310 |
AP, 0 |
AuA 2000, 500 |
AuA 2001, 429 |
MDR 2000, 890 |
PERSONAL 2001, 330 |
RdW 2000, 505 |