Entscheidungsstichwort (Thema)
Schriftform für Ausbildungsvertrag
Leitsatz (amtlich)
- Ein Berufsausbildungsvertrag ist nicht wegen Nichteinhaltung der Schriftform des § 4 Abs. 1 Satz 1 BBiG formnichtig.
- Hieran hat die Nachweisrichtlinie – RL 91/533/EWG – nichts geändert.
Normenkette
BBiG § 4 Abs. 1 S. 1, § 99 Abs. 1 Nr. 1; EWGRL 533/91
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung der üblichen Vergütung für eine Aushilfskraft anstelle von Ausbildungsvergütung in Anspruch.
Der Beklagte war Rechtsanwalt in C…. Im Juni 1994 kam die 1975 geborene Klägerin mit ihm überein, daß sie ab 1. August 1994 beim Beklagten zur Rechtsanwaltsgehilfin ausgebildet werde und die Ausbildungsvergütung 360,00 DM brutto zuzügl. 15,00 DM Fahrgeld pro Monat betrage. Ein schriftlicher Ausbildungsvertrag wurde nicht unterschrieben. Das Ausbildungsverhältnis wurde nicht in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse eingetragen. Allerdings hatte der Beklagte die Klägerin bei der Berufsschule angemeldet.
In der Zeit vom 1. August 1994 bis zum 14. Oktober 1994 war die Klägerin im Büro des Beklagten insgesamt 456 Stunden und 55 Minuten tätig. Ab September 1994 besuchte sie jeweils montags und freitags die Berufsschule; im Anschluß an die Berufsschule ging sie in die Kanzlei des Beklagten. Der Beklagte zahlte ihr für August 1994 375,00 DM, für September 1994 305,66 DM. Für Oktober 1994 leistete er keine Zahlung.
Die Klägerin meint, der Beklagte schulde ihr die übliche Vergütung einer Aushilfskraft und nicht etwa nur Ausbildungsvergütung. Mangels Einhaltung der Schriftform des § 4 Abs. 1 BBiG sei der Ausbildungsvertrag nichtig. Diese Bestimmung müsse unter Berücksichtigung der Europäischen Nachweisrichtlinie 91/533/EWG vom 14. Oktober 1991 dahin ausgelegt werden, daß der fehlende Nachweis der Bedingungen in einem schriftlichen Berufsausbildungsvertrag entgegen der Ansicht des Bundesarbeitsgerichts zur Unwirksamkeit des Vertrags führe. Für die auf der Grundlage des unwirksamen Vertrages geleisteten Dienste schulde der Beklagte die übliche Vergütung für eine Aushilfskraft i.H.v. 10,00 DM brutto pro Stunde. Auf die Gesamtvergütung von – gerundet – 4.570,00 DM seien die geleisteten Zahlungen anzurechnen; der Restbetrag bilde die Klageforderung.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
- an sie 3.889,34 DM brutto nebst 4 % Zinsen hierauf seit dem 22. Dezember 1994 zu zahlen,
- für die Zeit vom 1. August 1994 bis einschließlich 14. Oktober 1994 eine Abrechnung zu erteilen und die daraus resultierenden Sozialversicherungsbeiträge abzuführen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat entgegnet, der unstreitig mündlich abgeschlossene Ausbildungsvertrag sei nicht formunwirksam. Die Rechtsauffassung der Klägerin finde im Gesetz keine Stütze.
Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Zahlungsantrag in Höhe der restlichen Ausbildungsvergütung nebst 4 % Zinsen auf den Nettobetrag und dem Antrag zu 2. vollen Umfangs stattgegeben. Es hat die Revision für beide Parteien zugelassen. Nur die Klägerin hat Revision eingelegt. Mit ihr verfolgt sie ihren Zahlungsantrag in vollem Umfang weiter. Sie beantragt gegen den säumigen Revisionsbeklagten das Versäumnisurteil.
Entscheidungsgründe
I. Über die Revision der Klägerin war durch Urteil zu entscheiden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte war zwar in der Revisionsverhandlung säumig. Der Revision war jedoch nicht im Wege des Versäumnisurteils stattzugeben. Dies hätte nur geschehen können, wenn die Revision begründet gewesen wäre. Das aber ist nicht der Fall.
II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, daß die Klägerin keinen Anspruch auf übliches Arbeitsentgelt anstelle der vereinbarten Ausbildungsvergütung hat.
1. Anspruch auf die übliche Vergütung einer Büro-Aushilfskraft in einem Rechtsanwaltsbüro hätte die Klägerin nur, wenn zwischen dem Beklagten und ihr ein zumindest faktisches Arbeitsverhältnis bestanden hat (§ 611 Abs. 1 BGB) und sich die Parteien nicht auf eine Vergütung für diese Tätigkeit in einer bestimmten Höhe geeinigt hätten (§ 612 Abs. 1, 2 BGB). Ein faktisches Arbeitsverhältnis scheidet als Rechtsgrundlage für die Ansprüche der Klägerin aus, wenn sich die Parteien auf eine andere Rechtsgrundlage geeinigt haben. Das ist hier der Fall. Die Parteien haben sich wirksam auf einen Berufsausbildungsvertrag geeinigt, wonach die Klägerin gegen eine monatliche Ausbildungsvergütung von 360,00 DM brutto zuzüglich 15,00 DM Fahrgeld ab 1. August 1994 im Büro des Beklagten zur Rechtsanwaltsgehilfin ausgebildet werden sollte. Auf der Grundlage dieses Berufsausbildungsvertrages war die Klägerin im Büro des Beklagten tätig; dementsprechend hat sie ab September 1994 montags und freitags die Berufsschule besucht.
2. Entgegen der Ansicht der Klägerin war der Berufsausbildungsvertrag nicht mangels (rechtzeitiger) schriftlicher Niederlegung seines wesentlichen Inhaltes formunwirksam.
a) Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BBiG hat der Ausbilder den wesentlichen Inhalt des Berufsausbildungsvertrages unverzüglich, spätestens vor Beginn der Ausbildung, schriftlich niederzulegen. Dem ist der Beklagte nicht nachgekommen. Hieraus folgt jedoch nicht die Formunwirksamkeit des Berufsausbildungsvertrages. Die Schriftform des § 4 Abs. 1 Satz 1 BBiG hat nur deklaratorische Bedeutung; sie ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für das Zustandekommen des Berufsausbildungsvertrages. Vielmehr kann ein Berufsausbildungsvertrag – wie hier – formlos abgeschlossen werden; dies zeigt bereits der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 BBiG (BAGE 24, 133, 135 = AP Nr. 1 zu § 15 BBiG = BB 1972, 1191, m.w.N.; Wohlgemuth, Berufsbildungsgesetz, 2. Aufl., § 4 Rz 2; Weber, Berufsbildungsgesetz, Stand: Nov. 1996, § 4 Anm. 1; Herkert, Berufsbildungsgesetz, Stand: Juni 1997, § 4 Rz 4). Er ist dann von Anfang an wirksam. Auch eine nachträgliche Nichtigkeit des nur mündlich abgeschlossenen Berufsausbildungsvertrages infolge Nichteinhaltung der Frist des § 4 Abs. 1 Satz 1 BBiG ist nicht im Gesetz angeordnet worden, Auch sie liefe dem Schutzzweck des § 4 Abs. 1 Satz 1 BBiG zuwider, denn dann hätte es jeder Ausbildende in der Hand, durch Nichterfüllung der Formvorschrift von bereits formlos wirksam abgeschlossenen Verträgen wieder abzurükken.
b) An dieser seit Inkrafttreten des Berufsbildungsgesetzes im Jahre 1969 geltenden Regelung hat sich durch die am 18. Oktober 1991 verkündete “Richtlinie des Rates vom 14. Oktober 1991 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bestimmungen” (Nachweisrichtlinie – RL 91/533/EWG – ABlEG L 288/32 – 35) nichts geändert.
Die Richtlinie richtet sich an die Mitgliedsstaaten der EG, nicht unmittelbar an die Bürger dieser Mitgliedsstaaten, und war von den Mitgliedsstaaten bis spätestens 30. Juni 1993 in nationales Recht umzusetzen (Art. 9, 10 RL 91/533/EWG). Bis zum Abschluß des hier in Rede stehenden Berufsausbildungsvertrages ist eine Umsetzung in nationales Recht zumindest insoweit nicht erfolgt, als es um Arbeitsverhältnisse geht. Erst durch das am 21. Juli 1995 in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen an das EG-Recht vom 20. Juli 1995 (BGBl. I, 946) wurde das Nachweisgesetz für Arbeitsverhältnisse geschaffen. Zugleich wurde § 4 Abs. 1 Satz 2 BBiG insoweit geändert, als dort die Eingangsworte neu gefaßt wurden; dagegen blieb § 4 Abs. 1 Satz 1 BBiG im Wortlaut unverändert.
Auch wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, die Richtlinie sei einerseits für Berufsausbildungsverhältnisse nicht in § 4 Abs. 1 Satz 1 BBiG (teilweise) umgesetzt gewesen, andererseits jedoch unmittelbar anzuwenden, folgt hieraus nicht die Formunwirksamkeit des vorliegenden Berufsausbildungsvertrages. Denn die Nachweisrichtlinie (91/533/EWG) ordnet ebenso wie § 4 Abs. 1 BBiG keine konstitutive Schriftform an. Auch nach der Nachweisrichtlinie genügt die nachträgliche Bestätigung der wesentlichen vereinbarten Arbeitsbedingungen nach Abschluß des Arbeitsvertrages. Die Nachweisrichtlinie 91/533/EWG enthält auch keine Regelung des Inhaltes, daß etwa die Überschreitung der Frist zur nachträglichen Mitteilung der wesentlichen Arbeitsbedingungen rückwirkend oder ab Fristüberschreitung die nachträgliche Unwirksamkeit eines entsprechenden Ausbildungs- oder Arbeitsvertrages zur Folge hätte. Vielmehr überläßt es Art. 8 Abs. 1 RL 91/533/EWG den Mitgliedsstaaten, innerstaatliche Vorschriften zu erlassen, die notwendig sind, damit jeder Arbeitnehmer, der sich durch die Nichterfüllung der Verpflichtung aus dieser Richtlinie für beschwert hält, nach etwaiger Befassung anderer zuständiger Stellen seine Rechte gerichtlich geltend machen kann. Die Nichteinhaltung der Formvorschriften der Nachweisrichtlinie 91/533/EWG stellt zugleich einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 BBiG dar; dies wird nach deutschem Recht als Ordnungswidrigkeit verfolgt (§ 99 Abs. 1 Nr. 1 BBiG); der Auszubildende kann ferner Schadenersatz geltend machen, soweit er durch die Nichteinhaltung der nachträglichen schriftlichen Mitteilung Schaden erleidet (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 BBiG). Einer Vorlage nach Art. 177 EG-V bedurfte es nicht (acte clair).
2. Auch aus § 154 Abs. 2 BGB läßt sich vorliegend nicht herleiten, daß zwischen den Parteien kein wirksamer Berufsausbildungsvertrag zustande gekommen sei. Nach dieser Vorschrift ist ein Vertrag solange als nicht geschlossen anzusehen, solange die von den Vertragsparteien vereinbarte Schriftform (Beurkundung) nicht gewahrt ist. Die Klägerin hat indessen nicht behauptet, daß die Parteien eine Vereinbarung geschlossen haben, wonach der Abschluß des Berufsausbildungsvertrages der Schriftform bedurft haben sollte.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke, Werner, Winterfeld
Fundstellen
Haufe-Index 884868 |
NJW 1998, 922 |
FA 1998, 26 |
JR 1998, 176 |
NZA 1998, 37 |
RdA 1998, 63 |
EuZW 1998, 94 |