Entscheidungsstichwort (Thema)
Firmen- und Verbandstarifvertrag zur Beschäftigungssicherung
Leitsatz (amtlich)
Ein Firmentarifvertrag geht einem Flächentarifvertrag auch dann vor, wenn er Regelungen des Flächentarifvertrages zu Lasten der Arbeitnehmer verdrängt.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie; Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für die metallverarbeitende Industrie Nordrhein-Westfalens vom 7. Oktober 1997 § 6 (TV Besch 1998); Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens für die metallverarbeitende Industrie Nordrhein-Westfalens vom 11. Dezember 1996 § 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 27. September 1999 – 18 Sa 798/99 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger beansprucht von der Beklagten den tariflich abgesicherten Teil des 13. Monatseinkommens für das Jahr 1998. Er ist seit Juni 1969 bei der Beklagten beschäftigt und ist Mitglied der Industriegewerkschaft Metall. Die Beklagte gehört dem Arbeitgeberverband Metall- und Elektroindustrie Düsseldorf und Umgebung an. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung. Nach dem zwischen dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen e.V. und der Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleitungen Dortmund und Wuppertal geschlossenen Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens vom 11. Dezember 1996 in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens haben Arbeitnehmer und Auszubildende, die am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis bzw. Ausbildungsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen sechs Monate angehört haben, je Kalenderjahr Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen. Nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit beträgt die Sonderzahlung 55 % eines Monatsentgelts bzw. einer Monatsvergütung.
Am 7. Oktober 1997 wurde zwischen dem Verband der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen e.V. und der Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen, der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung 1998 abgeschlossen, der zum 1. Januar 1998 in Kraft getreten und zum 31. Dezember 1998 ausgelaufen ist (§ 7). §2 dieses Tarifvertrages gestattet eine Absenkung der wöchentlichen Arbeitszeit durch Betriebsvereinbarung und regelt weitere, sich daraus ergebende Fragen.
§ 6 „Sonderfallregelung” lautet:
„Die Tarifvertragsparteien werden sich, wie bisher, in besonders gravierenden Fällen, z.B. zur Abwendung einer Insolvenz, darum bemühen, für einzelne Unternehmen Sonderregelungen zu finden, um damit einen Beitrag zum Erhalt der Unternehmen und der Arbeitsplätze zu leisten.”
Die Beklagte und der Betriebsrat verhandelten seit April 1998 über ein Sanierungskonzept mit dem Ziel, jährlich 25 Mio. DM einzusparen.
Am 24. Juni 1998 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan ab. In der Präambel zum Interessenausgleich heißt es ua.:
„Die Ertragslage des Unternehmens ist seit Jahren rückläufig. Der Abschluß des Interessenausgleichs und Sozialplans im Jahr 1997 hat entgegen den Erwartungen der Betriebspartner die Trendwende nicht erbracht.
…
Eine Neuausrichtung der Gesellschaft ist unerläßlich. Sie ergibt sich im einzelnen aus einer Studie zur Verlustfreimachung der Gesellschaft, die allen Mitgliedern der Einigungsstelle vorgelegen hat.
Die Neuausrichtung des Unternehmens macht eine erhebliche Personalreduzierung erneut unumgänglich.
Hiervon betroffen sind ca. 200 Arbeitnehmer. … Ziel der Maßnahmen sind die Sanierung des Unternehmens und die Sicherung der verbleibenden ca. 300 Arbeitsplätze.
Die Umsetzung der Maßnahmen wird voraussichtlich Ende 1999 abgeschlossen sein.”
Nach Ziffer 1 des Abschnitts B des Interessenausgleichs vereinbarten die Betriebsparteien, daß ein Firmentarifvertrag für die im Unternehmen verbleibenden Arbeitnehmer mit ua. einem vorläufigen Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld abgeschlossen wird. Ziffer 2 des Abschnitts B betrifft den Abschluß und die Kündigung von Betriebsvereinbarungen. Ziffer 3 des Abschnitts B bestimmt, daß Eingruppierungen überprüft und Leistungsbeurteilungen neu vorgenommen werden.
Weiter ist im Abschnitt B des Interessenausgleichs ua. folgendes vereinbart:
„5. Beschäftigungssicherung
Im Interesse der Beschäftigungssicherung verständigen sich die Betriebspartner auf eine Ausweitung der Mitbestimmung
– Gemäß § 102 Abs. 6 BetrVG wird vereinbart, daß bis zum 31. Dezember 2001 betriebsbedingte Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung entscheidet die Einigungsstelle.”
Am selben Tag schlossen die Beklagte und die Industriegewerkschaft Metall, Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen, einen als „Vereinbarung gemäß § 6 TV Besch. 1998” bezeichneten Firmentarifvertrag ab. Die IG Metall wurde durch den Bezirkssekretär K, der in Vollmacht des Bezirksleiters handelte, vertreten.
Dieser Tarifvertrag lautet auszugsweise:
„Präambel
Im Hinblick auf die schwierige wirtschaftliche und finanzielle Situation, in der sich das Unternehmen befindet und zur Sicherung der Arbeitsplätze, schließen die Vertragsparteien auf der Grundlage des § 6 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung in der metallverarbeitenden Industrie Nordrhein-Westfalen die nachfolgende tarifliche Vereinbarung:
§ 1 Geltungsbereich
…
§ 2 Außertarifliche Angestellte, leitende Angestellte
Die Vertragsparteien stimmen darin überein, daß die außertariflichen Angestellten und die leitenden Angestellten des Unternehmens in einer Weise behandelt werden, die denjenigen Belastungen der übrigen gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten aus dieser Vereinbarung entspricht. Das Unternehmen wird den Betriebsrat über die getroffenen Regelungen unaufgefordert informieren.
§ 3 Zusätzliche Urlaubsvergütung
Das Unternehmen zahlt den Beschäftigten in den Jahren 1999, 2000 und 2001 die jeweilige zusätzliche Urlaubsvergütung gemäß § 14 des MTV nicht aus.
§ 4 Teile des 13. Monatseinkommens
Das Unternehmen zahlt an die Beschäftigten in den Jahren 1998, 1999, 2000 und 2001 die Teile eines 13. Monatseinkommens gemäß Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles des 13. Monatseinkommens nicht aus.
§ 5 Besserungsschein
Ein Anspruch auf Auszahlung der zusätzlichen Urlaubsvergütung an die Beschäftigten für die Jahre 1999, 2000 und 2001 gemäß § 3 und die Teile des 13. Monatseinkommens für die Jahre 1998, 1999, 2000 und 2001 gemäß § 4 entsteht nur dann, wenn ein handelsrechtlicher Gewinn von mehr als 3 % der Umsatzerlöse in den Jahren 1999 bis 2006 oder in einem oder in mehreren dieser Jahre ausgewiesen wird. …
Eine Rückzahlung der vorstehend genannten zusätzlichen Urlaubsvergütungen und der Teile des 13. Monatseinkommens erfolgt nur in dem Umfang, daß 50 % des jeweiligen Jahresmehrüberschusses (vor Rückzahlung) für die Rückzahlung der offenen Beträge verwendet wird. Eine Rückzahlung entfällt, wenn die operative Tätigkeit in den bisherigen Geschäftsfeldern Kraftwerk, Industrie und Nuklear in Gänze untergegangen ist. (Mit dem vorstehend genannten Untergang ist nicht eine evtl. Liquidation gemeint).
Das Unternehmen wird dem Betriebsrat und der IG Metall jährlich – erstmals in 1999 – nach Erstellung der Unterlagen zur Überprüfung die jeweilige Bilanz, die jeweilige Gewinn- und Verlustrechnung, die entsprechenden Erläuterungen, den entsprechenden Lagebericht, den entsprechenden Anlagespiegel, den entsprechenden Beteiligungsspiegel und das entsprechende Testat des Wirtschaftsprüfers aushändigen.
Nach Vorlage der vorstehend genannten Unterlagen werden das Unternehmen, die IG Metall und der Betriebsrat in jedem Jahr unverzüglich in Verhandlungen darüber eintreten, inwieweit die Voraussetzungen für eine Rückzahlung der nicht ausgezahlten Beträge gegeben sind. Dabei wird zwischen den vorgenannten Parteien vereinbart, ob und in welcher Höhe Beträge an die Beschäftigten ausgezahlt werden.
§ 9 Insolvenzklausel / Leistungsbestimmungsrecht
Im Falle der drohenden Insolvenz kann die IG Metall gegenüber dem Unternehmen für die Beschäftigten bezüglich der bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgezahlten Beträge der zusätzlichen Urlaubsvergütung und der Teile des 13. Monatseinkommens gem. der §§ 3 und 4 ein Leistungsbestimmungsrecht dergestalt ausüben, daß sämtliche bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgezahlten Beträge infolge der entsprechenden Geltendmachung unabhängig von den vorstehend beschriebenen Bedingungen dieser Vereinbarung unmittelbar auszuzahlen sind. Insoweit ist die Vereinbarung insgesamt als von Anfang an als unwirksam anzusehen.
…
§ 12 Beschäftigungssicherung
Während der Laufzeit dieser Vereinbarung bedürfen Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats und bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung entscheidet die Einigungsstelle gem. §§ 76, 102 Abs. 6 BetrVG.
§ 13 Inkrafttreten / Laufzeit
Dieser Tarifvertrag tritt mit Datum des 01.07.1998 in Kraft und endet mit Ausnahme der nachfolgenden Vorschriften ohne Nachwirkung am 31.12.2001. Die §§ 5 bis 9 enden ohne Nachwirkung am 31.12.2006. …”
Nach Abschluß des Interessenausgleichs und Sozialplans und des Haustarifvertrages glich die Muttergesellschaft der Beklagten die bis dahin aufgelaufenen Verluste mit über 35 Mio. DM aus.
Am 19. November 1998 beschloß der Aufsichtsrat der Beklagten, daß die Geschäftsführung mit dem Betriebsrat über eine Teilbetriebsstillegung verhandeln solle, weil der vorgesehene Verlustabbau bis 2001 aufgrund der bisherigen Entwicklung nicht mehr gelingen könne. Am 23. November 1998 unterrichtete die Beklagte hierüber den Wirtschaftsausschuß und legte ihm ein Konzept „Inhalt der Teilbetriebsschließung laut Durchrechnung 09.10.1998” vor. Danach waren eine Einstellung der Geschäftsfelder LI, LK und LM und ein weiterer Personalabbau um mindestens 199 und maximal 245 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beabsichtigt. Der Geschäftsbereich „Nuklear” sollte verkauft oder ausgegliedert werden. Bei der Beklagten sollten bis auf weiteres die Holding und der Bauhof verbleiben.
Mit Schreiben vom 26. November 1998 kündigte die IG Metall, Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen, durch den Bezirkssekretär K den Tarifvertrag vom 24. Juni 1998 fristlos. Die Beklagte wies gegenüber der IG Metall, Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen, mit Schreiben vom 4. Dezember 1998 die fristlose Kündigung gem. § 174 BGB zurück und beanstandete die Vorgehensweise gem. § 180 BGB, auch halte die fristlose Kündigung in materieller Hinsicht einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Abschließend wurde in dem Schreiben zum Ausdruck gebracht, daß die Beklagte grundsätzlich gesprächsbereit sei.
Am 17. Februar 1999 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat einen weiteren Interessenausgleich und Sozialplan ab. Mit Zustimmung des Betriebsrats kündigte die Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit 184 Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Die Beklagte beabsichtigt die vollständige Einstellung ihrer Geschäftstätigkeit bis zum 30. Juni 2000.
Der Kläger hat nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung mit der am 21. Dezember 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Sonderzahlung für das Jahr 1998 in Höhe von 55 % seiner Monatsvergütung geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, der Tarifvertrag vom 24. Juni 1998 sei nicht wirksam (geworden). Jedenfalls sei die fristlose Kündigung des Tarifvertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage wirksam, da die Betriebsparteien davon ausgegangen seien, in einem Zeitraum von drei Jahren sei eine Verlustfreimachung und dauerhafte Sanierung möglich und die verbleibenden 300 Arbeitsplätze könnten mit dem Sanierungskonzept gesichert werden. Es sei Teil des Sanierungskonzepts gewesen, daß die Muttergesellschaft der Beklagten unter Umständen verpflichtet gewesen wäre, einen etwa entstehenden Verlust im Geschäftsjahr 1998 wiederum auszugleichen. Zumindest sei das Schreiben der IG Metall vom 26. November 1998 als Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts gem. § 9 des Tarifvertrages vom 24. Juni 1998 anzusehen, da von einer drohenden Insolvenz der Beklagten auszugehen gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.961,20 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag ab Klagezustellung (4. Januar 1999) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat ausgeführt, es treffe nicht zu, daß die Parteien bei Abschluß des Tarifvertrages davon ausgegangen seien, spätestens im Jahr 2001 würden „schwarze Zahlen” geschrieben. Eine Nachzahlung der gestundeten Beträge sei ausdrücklich als unrealistisch eingestuft worden. In den Vereinbarungen fänden sich zahlreiche Hinweise darauf, daß ggf. auch von einem Scheitern der Sanierungsbemühungen ausgegangen worden sei. Weil allen Beteiligten die Marktrisiken bekannt gewesen seien, habe die Beklagte sich gerade nicht zu einer Beschäftigungssicherung im Stande gesehen und sei nur zu einer Ausweitung der Mitbestimmung im Rahmen des § 102 BetrVG bereit gewesen. Die Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage lägen nicht vor. Jedenfalls sei die fristlose Kündigung schon deswegen unwirksam, weil die IG Metall nicht einmal ein Angebot zum Gespräch unterbreitet habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Nach Vortrag des Klägers in der Revisionsinstanz hat die IG Metall im Hinblick auf das ihm am 4. November 1999 zugestellte Urteil des Landesarbeitsgerichts am 27. Januar 2000 eine Nachverhandlung durchgeführt, die nach einer Stunde vollständig ergebnislos abgebrochen worden sei. Die Beklagte habe sich zu keinerlei Kompromiß im Hinblick auf die Auszahlung der gestundeten Beträge des Weihnachtsgeldes 1998 und 1999 und des Urlaubsgeldes 1999 bereit erklärt. Dem ist die Beklagte mit dem Hinweis entgegengetreten, sie habe nicht Verhandlungen schlechthin verweigert.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat gemäß dem Firmentarifvertrag „Vereinbarung gemäß § 6 TV Besch. 1998” zur Zeit keinen Anspruch auf Auskehr des tariflichen anteiligen 13. Monatseinkommens für das Jahr 1998. Der Firmentarifvertrag vom 24. Juni 1998 ist wirksam abgeschlossen worden und geblieben. Er hat nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 26./30. November 1998 sein Ende gefunden. In der außerordentlichen Kündigung liegt auch keine Leistungsbestimmung iSd. § 9 des Tarifvertrages vom 24. Juni 1998. Das haben die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend entschieden.
1. Der genannte Firmentarifvertrag vom 24. Juni 1998 verdrängt den Flächentarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teils des 13. Monatseinkommens vom 11. Dezember 1996 mit der Folge, daß jedenfalls zur Zeit kein Anspruch des Klägers auf den tariflich abgesicherten Teil des 13. Monatseinkommens für das Jahr 1998 besteht.
a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß der Firmentarifvertrag „Vereinbarung gemäß § 6 TV Besch. 1998” vom 24. Juni 1998 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet. Der Tarifvertrag ist zwischen der IG Metall, deren Mitglied der Kläger ist, und der Beklagten abgeschlossen worden. Sowohl die IG Metall als Gewerkschaft als auch die Beklagte als Arbeitgeberin sind tariffähig, § 2 Abs. 1 TVG. Nach § 3 Abs. 1 TVG sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Tarifvertragspartei ist, tarifgebunden. Der Kläger ist Mitglied der IG Metall, die den Tarifvertrag vom 24. Juni 1998 abgeschlossen hat. Die Arbeitsvertragsparteien sind sonach aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit an den Tarifvertrag vom 24. Juni 1998 gebunden.
b) Die „Vereinbarung gemäß § 6 TV Besch. 1998” vom 24. Juni 1998 ist als Firmentarifvertrag wirksam. Auch das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
aa) Es hat ausgeführt, aus § 6 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung 1998 (im folgenden: TV Besch 1998) ergebe sich nicht, daß der Unternehmenstarifvertrag unwirksam sei. Zwar sei in § 6 vorgesehen, daß die Tarifvertragsparteien dieses Tarifvertrages, also der Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen einerseits und die Industriegewerkschaft Metall andererseits bemüht sein würden, in besonders gravierenden Fällen für einzelne Unternehmen Sonderregelungen zu finden. Es bestünden jedoch schon nach dem Wortlaut der Regelung keine Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien Sonderregelungen durch Haustarifvertrag hätten ausschließen wollen. Ob ein solcher Ausschluß zulässig sei, könne somit dahinstehen. Die Beklagte und die Industriegewerkschaft Metall hätten zwar in tatsächlicher Hinsicht keine Vereinbarung gem. § 6 TV Besch 1998 abgeschlossen. Auf die Wirksamkeit der getroffenen Regelung habe dies jedoch keinen Einfluß.
bb) Dem folgt der Senat. Nach § 6 TV Besch 1998 werden sich die Tarifvertragsparteien darum bemühen, in besonders gravierenden Fällen, zB zur Abwendung einer Insolvenz, für einzelne Unternehmen Sonderregelungen zu finden, um damit einen Beitrag zum Erhalt der Unternehmen und der Arbeitsplätze zu leisten. Tarifvertragsparteien sind hier die IG Metall und der Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie NRW e.V. § 6 TV Besch 1998 eröffnet also keine Regelungskompetenz auf Betriebsebene, etwa durch Betriebsvereinbarung(vgl. BAG 20. April 1999 – 1 AZR 631/98 – BAGE 91, 244, 256). Das hindert den Abschluß eines Firmentarifvertrages nicht.
c) Das Landesarbeitsgericht hat weiter ausgeführt, nach dem Grundsatz der Spezialität in Fällen der Tarifkonkurrenz gelte für den Anspruch des Klägers auf die betriebliche Sonderzahlung für das Jahr 1998 nicht der Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens, sondern der Unternehmenstarifvertrag.
aa) Das greift die Revision mit der Erwägung an, zwar komme nach § 2 Abs. 1 TVG die Beklagte durchaus als Tarifvertragspartei in Betracht, sie sei jedoch gem. § 3 Abs. 1 TVG an den Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens gebunden gewesen. Die Sperrwirkung dieser Tarifvereinbarung ergebe sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, wonach Tarifnormen unmittelbar und zwingend gelten. Sie werde näher konkretisiert durch § 4 Abs. 3 TVG, wonach abweichende Abmachungen nur zulässig seien, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet seien oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthielten. Eine tarifvertragliche Öffnungsklausel für einen Firmentarifvertrag habe nicht vorgelegen. Die Regelung ziele auch auf den Ausschluß der tariflichen Sonderzahlungen und sei insoweit für die Arbeitnehmer ungünstiger als die Regelung durch den Tarifvertrag, auf den sich der Kläger berufe. Der Gesichtspunkt der Beschäftigungssicherung könne nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen. Die Argumentation der Vorinstanzen, der Firmentarifvertrag gehe nach dem Grundsatz der Spezialität dem Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teils des 13. Monatseinkommens vor, verstoße danach gegen § 4 Abs. 3 TVG.
bb) Das ist unzutreffend.
(1) § 2 Abs. 1 TVG verleiht dem Arbeitgeber die Tariffähigkeit unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Arbeitgebervereinigung. Der Arbeitgeber kann trotz Verbandszugehörigkeit und trotz eines für ihn gültigen Verbandstarifvertrages einen konkurrierenden oder ergänzenden Firmentarifvertrag abschließen. Zwar kann der Arbeitgeber damit gegen seine Verbandspflichten verstoßen und mag sich Verbandsstrafen aussetzen. Die Wirksamkeit des abgeschlossenen Firmentarifvertrages wird davon nicht betroffen. Auch ein verbandswidriger Tarifvertrag ist gültig(Wiedemann/Oetker TVG 6. Aufl. § 2 Rn. 114). Das wird bereits aus dem Urteil des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Mai 1955(– 1 AZR 493/54 – BAGE 2, 75) deutlich: Das Bundesarbeitsgericht setzt die Wirksamkeit eines verbandswidrigen Firmentarifvertrages voraus(aaO BAGE 2, 75, 77 f. vgl. auch Wiedemann/Oetker aaO § 2 Rn. 128). Für die Anwendbarkeit des Günstigkeitsprinzips nach § 4 Abs. 3 TVG, das die Revision angesprochen hat, ist kein Raum. Dieses stellt eine Kollisionsregelung für das Verhältnis von schwächeren zu stärkeren Rechtsnormen dar. Es ist nicht anzuwenden, wenn mehrere tarifvertragliche und damit gleichrangige Regelungen zusammentreffen. Gerade dies ist bei Tarifkonkurrenzen wie hier zwischen einem Verbandstarifvertrag und einem Firmentarifvertrag der Fall. In solchem Fall ist zu entscheiden, welcher Tarifvertrag anzuwenden ist. Das richtet sich nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz(Senat 20. März 1991 – 4 AZR 455/90 – BAGE 67, 330, 341 f.). Firmentarifverträge stellen gegenüber Verbandstarifverträgen stets die speziellere Regelung dar(BAG 20. April 1999 – 1 AZR 631/98 – BAGE 91, 244, 256; Senat 20. März 1991 – 4 AZR 455/90 – BAGE 67, 330, 340 f.).
(2) Darauf, daß der TV Besch 1998 keine Öffnungsklausel für Firmentarifverträge vorsieht, kommt es nicht an.
(3) Das Landesarbeitsgericht hat erwogen, auch dann, wenn der Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens aufgrund vertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finde, verdränge der Unternehmenstarifvertrag den Verbandstarifvertrag, für das Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG sei insoweit kein Raum, da dieses nicht nur für die Kollision gleichrangiger Regelungen gelte. Hierauf kommt es schon deswegen nicht an, weil der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen in der Revisionsinstanz „keinen schriftlichen Arbeitsvertrag … besitzt”.
d) Die Revision trägt weiter vor, nach dem Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens sei die Sonderzahlung „auszuzahlen”. Nach der Vereinbarung vom 24. Juni 1998 sollten die Arbeitnehmer auf die Auszahlung dieser Sonderzahlung gerade verzichten. Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG sei aber ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß ein solcher Vergleich nur von den Tarifvertragsparteien des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens hätte abgeschlossen werden können, nicht aber von der Beklagten. Tarifvertragsparteien im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung seien die Parteien des Tarifvertrages, auf dessen Rechte verzichtet werden solle. Danach habe die Vereinbarung vom 24. Juni 1998 mangels Öffnungsklausel in dem Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens von dem Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen zumindest genehmigt werden müssen. Diese Auslegung mache auch Sinn. Es sei durchaus nicht selbstverständlich, daß der Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen besondere Wettbewerbsbedingungen für die Beklagte genehmigt hätte. Eine Außerkraftsetzung der tariflichen Regelung des Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens habe hierdurch demnach nicht bewirkt werden können.
Die Revision verkennt, daß es bei dem Firmentarifvertrag vom 24. Juni 1998 gar nicht um einen Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte, also auf fällige tarifbegründete Ansprüche, geht, wie § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG voraussetzt. Vielmehr geht es um zukunftsbezogene Ansprüche. Es werden die zusätzliche Urlaubsvergütung und Teile des 13. Monatseinkommens für bestimmte Jahre nicht ausgezahlt. Im übrigen widerspricht sich der Kläger selbst, wenn er auf der einen Seite davon ausgeht, daß nach dem TV vom 24. Juni 1998 die Arbeitnehmer auf die Auszahlung der Sonderzahlung gerade verzichten sollten, an anderen Stellen seines Vorbringens von „Stundung des Weihnachtsgeldes 1998” ausgeht. Außerdem verkennt der Kläger, daß durch einen spezielleren Tarifvertrag, hier Firmentarifvertrag, die Arbeitsbedingungen – uU sogar rückwirkend – zum Nachteil der Arbeitnehmer verändert werden können.
2. Die fristlose Kündigung des Firmentarifvertrages durch die IG Metall vom 26./30. November 1998 ist unwirksam. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
a) Dem hält die Revision entgegen, die Aufgabe des Sanierungskonzepts durch den Aufsichtsrat der Beklagten stelle einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung dar. Die IG Metall habe auch die 14-Tage-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Das kann dahinstehen.
b) Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, daß nach der Rechtsprechung des Senats(zB 18. Juni 1997 – 4 AZR 710/95 – AP TVG § 1 Kündigung Nr. 2 = EzA TVG § 1 Fristlose Kündigung Nr. 3) der ultima-ratio-Grundsatz erfordere, der die außerordentliche Kündigung von Dauerrechtsverhältnissen präge, daß die außerordentliche Kündigung eines Tarifvertrages nur wirksam sei, wenn keine andere Möglichkeit bestehe, die Unzumutbarkeit zu beseitigen. Die durch den Tarifvertrag unzumutbar belastete Partei müsse daher zunächst versuchen, die Möglichkeiten der tarifautonomen Anpassung als milderes Mittel auszuschöpfen. Sie habe auch ohne eine im Tarifvertrag ausdrücklich enthaltene Nachverhandlungsklausel die Obliegenheit, mit der anderen Seite Verhandlungen zur Anpassung des Tarifvertrages aufzunehmen. Ein entsprechendes Gesprächsangebot habe die IG Metall vor Erklärung der fristlosen Kündigung nicht abgegeben. Die Obliegenheit zu Anpassungsverhandlungen sei nicht deshalb entfallen, weil keine Anpassungsmöglichkeit bestanden habe. Vorstellbar seien die unterschiedlichsten Regelungen zu den Anspruchsvoraussetzungen und zu dem Fälligkeitszeitpunkt der Sonderzahlung und der Urlaubsvergütung, mit denen der neuen Lage habe Rechnung getragen werden könne.
Das greift die Revision mit der Erwägung an, daß hier die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung vom 24. Juni 1998, nämlich das Festhalten an dem Sanierungskonzept, entfallen gewesen sei. Durch den Beschluß, den Betrieb zum 30. Juni 2000 stillzulegen, habe die Beklagte das Sanierungskonzept endgültig aufgegeben. Den Arbeitnehmern der Beklagten und der IG Metall sei es danach nicht zuzumuten gewesen, an dieser Vereinbarung festzuhalten. Ein milderes Mittel der tarifautonomen Anpassung der Vereinbarung vom 24. Juni 1998 an die Umstände der geplanten Betriebsstillegung habe nicht bestanden. Der Lohnverzicht habe keinerlei Sinn gemacht, wenn nicht eine Beschäftigungssicherung hierdurch habe erreicht werden können, wie es ursprünglich beabsichtigt gewesen sei. Ohne die ernsthafte Absicht der Beschäftigungssicherung sei es niemals zum Abschluß der Vereinbarung vom 24. Juni 1998 gekommen. Durch die Aufgabe dieser Absicht habe für die IG Metall keine andere Möglichkeit, auch keine mildere, bestanden, als die Vereinbarung fristlos zu kündigen. Das Landesarbeitsgericht habe auch den Zeitdruck berücksichtigen müssen, unter dem sich die IG Metall befunden habe. Am 23. November 1998 sei der Wirtschaftsausschuß bei der Beklagten informiert worden. Der Betriebsrat bei der Beklagten habe die IG Metall am 26. November 1998 über den Aufsichtsratsbeschluß informiert. Am 1. Dezember 1998 sei der Anspruch auf Auszahlung des Weihnachtsgeldes 1998 fällig geworden, den der Kläger mit der Klage geltend mache. Angesichts der angespannten Terminslage des Sekretärs der IG Metall, K, ebenso wie die des Geschäftsführers der Beklagten und seines Prozeßbevollmächtigten sei eine Nachverhandlung in der Zeit zwischen dem 26. November und dem 30. November 1998 undenkbar gewesen. Bei Beachtung einer Nachverhandlungsobliegenheit sei die IG Metall gezwungen gewesen, von vornherein einzuräumen, daß das Weihnachtsgeld 1998 gestundet werde. Der IG Metall sei eine Nachverhandlung nicht zuzumuten gewesen. Eine sinnvolle Anpassungsmöglichkeit des Tarifvertrages an die veränderten Gegebenheiten habe nicht bestanden.
Dem ist entgegenzuhalten, daß es nicht erkennbar ist, daß es keine Spielräume für Nachverhandlungen gab. Schließlich hat die Beklagte – vom Kläger unwidersprochen – von ihren Gesellschaftern Mittel in Höhe von etwa 40 Mio. DM erhalten, so daß nicht auszuschließen war, daß die Gesellschafter aufgrund von Nachverhandlungen zu weiteren Konzessionen bereit sein konnten. Dies auszuloten, wäre Sinn von Nachverhandlungen gewesen. Auf den von der Revision geschilderten Zeitpunkt kann es schlechterdings nicht ankommen. Mit der außerordentlichen Kündigung des Firmentarifvertrages mag zwar das Ziel verfolgt worden sein, den tariflich abgesicherten Teil des 13. Monatsgehalts für das Jahr 1998 fällig zu stellen. Davon, daß es bei Fälligkeit auch tatsächlich gezahlt werde, konnten weder die IG Metall noch der Kläger ausgehen.
Die „Nachverhandlung” am 27. Januar 2000 nach Zustellung des Berufungsurteils vermag daran nichts zu ändern; sie ist zeitlich weit nach Zugang der außerordentlichen Kündigung erfolgt; auf die unterschiedliche Einschätzung dieser Verhandlung durch die Parteien kommt es somit in keiner Weise an.
3. Das Landesarbeitsgericht hat weiter ausgeführt, selbst wenn die IG Metall das ihr nach § 9 des Firmentarifvertrages (FTV) vom 24. Juni 1998 eingeräumte Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt habe, sei der Firmentarifvertrag nicht unwirksam geworden. Die Voraussetzungen des § 9 seien nicht erfüllt, weil der Geschäftsführer der Beklagten gegenüber dem Betriebsrat erklärt habe, die Insolvenz sei unvermeidlich, wenn der Betriebsrat der Betriebsschließung nicht zustimme. Denn die Betriebsparteien hätten am 17. Februar 1999 einen Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen. Die Insolvenz habe damit nach dem Willen der Beklagten vermieden werden sollen. Daß sie dennoch gedroht habe, sei nicht ersichtlich. Entsprechende Tatsachen habe der Kläger nicht vorgetragen.
a) Das will die Revision nicht gelten lassen, weil sich das Unternehmen Ende November 1998 ganz offenkundig in einer drohenden Insolvenzsituation befunden habe. Der Geschäftsführer der Beklagten habe die drohende Insolvenz mit aller Deutlichkeit an die Wand gemalt, um den Betriebsrat zu überzeugen, daß er den geplanten Entlassungen im Rahmen eines abzuschließenden Sozialplans zustimmen müsse, wenn ein Konkurs vermieden werden sollte. Daß es dazu gekommen sei, beseitige nicht ex post die Ende November 1998 bestehende drohende Insolvenzlage. Dieser Rückschluß aus dem Ereignis vom Februar 1999 sei ein Verstoß gegen Denkgesetze. Die drohende Insolvenzlage im November 1998 habe hierdurch nicht nachträglich beseitigt werden können.
b) Das vermag zu einem anderen Ergebnis nicht zu führen. Denn die IG Metall hat den Firmentarifvertrag außerordentlich gekündigt und nicht von ihrem Leistungsbestimmungsrecht nach § 9 FTV Gebrauch gemacht. Sie hat mit der außerordentlichen Kündigung den Firmentarifvertrag mit ihrem Zugang beenden wollen, also ihrem Leistungsbestimmungsrecht den Boden entziehen wollen. Dann aber ist eine Umdeutung der unwirksamen außerordentlichen Kündigung in die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts nach § 9 FTV nicht möglich. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß die IG Metall für den Fall, daß ihre außerordentliche Kündigung des Firmentarifvertrages sich als unwirksam erweist, jedenfalls hilfsweise von ihrem Leistungsbestimmungsrecht Gebrauch machen wollte.
Zudem lagen die Voraussetzungen für eine wirksame Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts nicht vor. Denn von einer drohenden Insolvenz kann nicht schon dann gesprochen werden, wenn eine Betriebsstillegung aus wirtschaftlichen Gründen angestrebt wird. Sie soll eine Insolvenz gerade vermeiden; die bis zur Stillegung anfallenden Ansprüche der Gläubiger sollen gerade befriedigt werden. Eine Betriebsschließung steht einem Insolvenzfall nicht gleich. Wenn ein Unternehmen seine Betätigung einstellt, weil es keine ausreichenden Chancen auf dem Markt mehr sieht und seine Gesellschafter keine weiteren Beträge investieren wollen, kann es unter Ausgleich der noch bestehenden Verbindlichkeiten liquidiert werden. Gegebenenfalls muß ein Sozialplan abgeschlossen werden. Erst bei Fortführung des Betriebes kann es ggf. zur Insolvenz kommen. Nur das ist dem von der Revision geschilderten Vortrag des Geschäftsführers der Beklagten zu entnehmen. Das Landesarbeitsgericht hat nicht gegen Denkgesetze verstoßen, wenn es aus dem Abschluß des Sozialplanes am 17. Februar 1999 auf eine fehlende Insolvenzlage im Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung (26. November 1998) geschlossen hat. Auf diesen Zeitpunkt kommt es an. Spätere Umstände lassen durchaus den Schluß auf zeitlich vorher liegende Tatsachen zu und auch darauf, daß eine bestimmte Tatsache, hier eine Insolvenz der Beklagten am 26. November 1998 bzw. bei Kündigungszugang am 30. November 1998 gerade nicht bzw. noch nicht gedroht hat.
4. Auf die übrigen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts braucht der Senat nicht einzugehen, nachdem sie von der Revision nicht aufgegriffen und beanstandet worden sind.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Friedrich, Winterholler, Seifner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.01.2001 durch Freitag, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 584683 |
BB 2001, 1310 |
BB 2001, 1531 |
BB 2001, 996 |
DB 2001, 1096 |
EWiR 2001, 641 |
FA 2001, 223 |
NZA 2001, 788 |
SAE 2001, 241 |
ZIP 2001, 980 |
ZTR 2001, 312 |
AP, 0 |
AuA 2002, 138 |
EzA |