Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des Begriffes „Einkünfte“ in § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG
Leitsatz (NV)
Der Rechtsfrage, ob der Einkünftebegriff in § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG abweichend von § 2 Abs. 2 EStG auszulegen ist, kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu. Sie ist nicht klärungsbedürftig, weil sich ihre Beantwortung unter Berücksichtigung des Wortlauts und Zwecks des § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Danach knüpft die Vorschrift an den Einkünftebegriff des § 2 Abs. 2 EStG an.
Normenkette
EStG § 2 Abs. 2, § 32a Abs. 1, § 32b Abs. 1, 2 Nr. 2; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, wie der Begriff der "Einkünfte" in § 32b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach dessen Änderung durch das Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) auszulegen ist.
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte Einkünfte aus den USA in Form von Gehalt und Versorgungsbezügen, während die Klägerin inländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie aus Vermietung und Verpachtung erzielte. Im Einzelnen erhielt der Kläger aus den USA eine Pension in Höhe von umgerechnet DM 15 410, auf welche eine US-amerikanische Steuer in Höhe von umgerechnet DM 2 208 entfiel, sowie ein Gehalt in Höhe von umgerechnet DM 52 697, auf welches US-amerikanische Steuer und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von umgerechnet DM 13 296,90 entfielen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger ausländische Einkünfte i.S. des § 32b EStG in Höhe von DM 48 322. Diesen Betrag errechneten sie aus einer Addition der vorgenannten Pensions- und Gehaltsbezüge des Klägers unter Abzug der US-amerikanischen Steuern und Sozialversicherungsbeträge, eines Versorgungsfreibetrages in Höhe von 40 % sowie des Werbungskostenpauschbetrages in Höhe von DM 2 000.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) hingegen errechnete in seinem Einkommensteuerbescheid den besonderen Steuersatz nach § 32b Abs. 2 EStG unter Einbeziehung ausländischer Einkünfte in Höhe von DM 66 879. Den so ermittelten Steuersatz von 21,7017 % wandte es auf das zu versteuernde Einkommen der Kläger an, welches unstreitig DM 28 848 betrug.
Im Rahmen seiner Einspruchsentscheidung bezog das FA dann allerdings ausländische Einkünfte in Höhe von DM 63 107 in die Ermittlung des besonderen Steuersatzes ein. Diesen Betrag ermittelte es wie folgt:
Pension (10 093 $ x 1,5268): |
15 410 DM |
Gehalt (36 480 $ x 1,5268): |
55 697 DM |
Zwischensumme (unstreitig) |
71 107 DM |
abzgl. Versorgungsfreibetrag (§ 19 Abs. 2 EStG) |
|
40 % von DM 15 410, max. |
./. 6 000 DM |
abzgl. WK-Pauschale |
./. 2 000 DM |
Summe |
63 107 DM |
Die gegen den Einkommensteuerbescheid in Form der Einspruchsentscheidung gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Es ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Die Kläger beantragen im Rahmen ihrer gegen das vorgenannte Urteil eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Der von den Klägern aufgeworfenen Rechtsfrage, ob der Einkünftebegriff in § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG nicht abweichend von § 2 Abs. 2 EStG auszulegen ist, kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu. Sie ist nach Auffassung des Senats nicht klärungsbedürftig, weil sich ihre Beantwortung unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zwecks des § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage auch dann fehlt, wenn sich die Antwort auf die Frage ohne weiteres aus dem Wortlaut und dem Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtsfrage also eindeutig ist (vgl. nur Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 5. April 1995 I B 126/94, BFHE 177, 231, BStBl II 1995, 496; vom 27. Januar 1999 II B 7/98, BFHE 187, 332, BStBl II 1999, 206; vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 28, m.w.N.).
1. Bereits der Wortlaut des § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG spricht für die vom FG vorgenommene Auslegung, dass die Vorschrift an den Einkünftebegriff des § 2 Abs. 2 EStG anknüpft. Nach § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG ist der besondere Steuersatz nach Abs. 1 derjenige, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32a Abs. 1 zu versteuernde Einkommen um die in Abs. 1 Nr. 2 und 3 bezeichneten Einkünfte, ausgenommen die darin enthaltenen außerordentlichen Einkünfte, vermehrt oder vermindert wird. Der in der Vorschrift angeführte Begriff "Einkünfte" wird im EStG einheitlich verwendet und in § 2 Abs. 2 EStG für das gesamte EStG übergreifend definiert. Der erkennende Senat ist dementsprechend bereits zu § 32b EStG in der Fassung vor dem In-Kraft-Treten des JStG 1996 davon ausgegangen, dass die steuerfreien Einkünfte i.S. des § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG nach § 2 Abs. 2 EStG zu ermitteln sind (Urteil vom 13. September 1989 I R 117/87, BFHE 158, 340, BStBl II 1990, 57; vgl. auch BFH-Urteile vom 6. Oktober 1982 I R 121/79, BFHE 136, 533, BStBl II 1983, 34; vom 22. Mai 1991 I R 32/90, BFHE 165, 197, BStBl II 1992, 94). Auch die Kommentarliteratur geht übereinstimmend davon aus, dass § 32b EStG sich durch die Verwendung des Wortes "Einkünfte" auf einen Begriff bezieht, der in § 2 Abs. 1 und 2 EStG ausgestaltet ist, so dass sich die Einkünfteermittlung nach diesen Vorschriften richtet (vgl. nur Frenz in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 32b Rz. E 5, 8 und 11; Probst in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 32b EStG Rz. 82; Wewers in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 32b Rz. 47; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 32b Rz. 36; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuergesetz, § 32b Rz. 105; Blümich/Wied, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 32b EStG Rz. 41). Für die Anknüpfung an die Begrifflichkeiten des § 2 EStG spricht im Übrigen auch die Tatsache, dass in § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG auf § 32a Abs. 1 EStG Bezug genommen und dabei der dort genannte Begriff des "zu versteuernden Einkommens" verwendet wird, dessen gesetzliche Definition in § 2 Abs. 5 EStG enthalten ist.
2. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber im Rahmen des JStG 1996 den Einleitungssatz des § 32b EStG verändert hat: Nach den Materialien (insbesondere dem Gesetzesentwurf in BTDrucks 13/901 S. 136) sollte die Änderung klarstellen, dass der Berechnung des durchschnittlichen Steuersatzes die tarifliche Einkommensteuer nach § 32a EStG zugrunde zu legen ist und etwaige Steuerermäßigungen außer Acht bleiben. Eine Steuervereinfachung war darüber hinaus insoweit intendiert, als nunmehr die vorher notwendige sog. Schattenveranlagung entfallen sollte. Zuvor war nämlich für die Berechnung des besonderen Steuersatzes das zu versteuernde Einkommen so zu ermitteln, als ob das jeweilige Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Doppelbesteuerungsabkommen ―DBA―) nicht bestünde. Die Einbeziehung dieser steuerfreien Einkünfte konnte dann im Rahmen der sog. Schattenveranlagung zur Änderung der von der Höhe der Einkünfte abhängigen Besteuerungsgrundlagen (z.B. des Altersentlastungsbetrages) führen. Auch war im Hinblick auf § 10d EStG ggf. eine Schattenveranlagung durchzuführen. Da diese Technik vom Gesetzgeber als zu kompliziert empfunden wurde, wurde sie im Rahmen des JStG 1996 durch die Hinzurechnungsmethode ersetzt. Die negativen und positiven Einkünfte werden danach dem zu versteuernden Einkommen zur Ermittlung des Steuersatzeinkommens lediglich hinzugerechnet oder von ihm abgezogen und in anderen Jahren als dem Entstehungsjahr nicht berücksichtigt. Schon aus der Aussage in den Materialien (a.a.O.), dass es lediglich um die Umstellung der Schattenveranlagung auf eine Hinzurechnungs- bzw. Abrechnungsmethode geht und die Hinzu- oder Abrechnungen "der negativen oder positiven Einkünfte" zum zu versteuernden Einkommen vorzunehmen seien, ergibt sich, dass mit der Gesetzesänderung keine Neudefinition des Einkünftebegriffs in § 32b EStG verbunden war.
3. Dem vorgenannten Auslegungsergebnis steht auch das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht entgegen. Vielmehr dient der Progressionsvorbehalt selbst der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, indem dem Steuerpflichtigen kein Progressionsvorteil dadurch entstehen soll, dass er seine Einkünfte in verschiedenen Staaten erzielt und dadurch sein Gesamteinkommen in eine niedrigere Tarifstufe als bei der Erzielung im Bereich nur eines Steuerhoheitsträgers gelangt (vgl. nur BFH vom 25. Mai 1970 I R 146/68, BFHE 99, 572, BStBl II 1970, 755; vom 27. September 1990 I R 181/87, BFHE 162, 284, BStBl II 1991, 84; vom 6. Oktober 1993 I R 32/93, BFHE 172, 385, BStBl II 1994, 113; Probst, a.a.O., § 32b Rz. 7, m.w.N.). Auch die Umstellung der Steuersatzermittlung von der Schattenveranlagung auf die Hinzu- bzw. Abrechnung ist auf Grund des damit verbundenen Vereinfachungseffektes als verfassungsrechtlich unbedenklich einzustufen (so auch Probst, a.a.O., § 32b Rz. 111).
Die Entscheidung ergeht im Übrigen gemäß § 116 Abs. 5 S. 2 FGO ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 776723 |
BFH/NV 2002, 1295 |