Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Führt der Arbeitgeber versehentlich Lohnsteuer ab, ohne dem Arbeitnehmer das Gehalt gezahlt zu haben, so steht der Erstattungsanspruch dem Arbeitgeber zu.
Normenkette
EStG § 38 Abs. 3; AO § 152 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die beschwerdeführenden Ehegatten haben für das Jahr 1959 die Durchführung eines gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleichs und die Erstattung der auf das Gehalt des Ehemanns einbehaltenen Lohnsteuer und Kirchensteuer im Gesamtbetrag von 4.037,55 DM beantragt. Arbeitgeberin ist eine GmbH gewesen, an der der Ehemann als Gesellschafter beteiligt und für die er als Geschäftsführer tätig gewesen ist. Die GmbH hat am 4. Dezember 1959 die Eröffnung des Konkursverfahrens beantragt. Der am 23. Dezember 1959 eröffnete Konkurs ist am 28. Januar 1960 mangels Masse eingestellt worden.
Das Finanzamt führte den Lohnsteuer-Jahresausgleich zwar durch, stellte aber in seinem Bescheid vom 28. September 1960 fest, daß sich ein Erstattungsbetrag nicht ergebe. Der Bf. habe im Jahre 1959 kein Gehalt bezogen, weil die Arbeitgeberin zahlungsunfähig gewesen sei. Lediglich die Ehefrau habe ein Gehalt von 1.000 DM erhalten. Hierauf sei keine Steuer einbehalten worden. Wenn die Arbeitgeberin das Gehalt des Bf. trotz der Nichtauszahlung in die Lohnsteueranmeldung aufgenommen und auf das Gehalt Lohnsteuer und Kirchensteuer abgeführt habe, so sei dies zu Unrecht geschehen. Ein Anspruch auf Erstattung stehe in diesem Fall nur der Arbeitgeberin, nicht dem Bf. zu. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht stellte fest, daß dem Bf. kein Arbeitslohn zugeflossen sei. Unter diesen Umständen könne auch von einer "Einbehaltung" der durch die Arbeitgeberin abgeführten Beträge keine Rede sein. Diese seien vielmehr, wie der Bf. in seinem Schreiben vom 14. Januar 1960 selbst angegeben habe, in der irrtümlichen Annahme abgeführt worden, daß die Lohnsteuer schon bei Fälligkeit des Gehalts einbehalten werden müßte. Bei dieser Sachlage könne auch keine Rede davon sein, daß dem Bf. wenigstens ein Gehalt in Höhe der abgeführten Steuern zugeflossen sei. Wenn der Anspruch auf zu Unrecht abgeführte Lohnsteuer auch im allgemeinen dem Arbeitnehmer zustehe, so gelte dies nicht, wenn nur der Arbeitgeber durch die unrichtige Abführung der Lohnsteuer betroffen sei.
Mit ihrer Rb. beantragen die Bf. nach wie vor Erstattung der abgeführten Lohnsteuer und Kirchensteuer. Auf der Lohnsteuerkarte des Ehemannes, so machen sie geltend, seien der Betrag von 4.037,55 DM als Arbeitslohn und die Beträge von 3.670,50 DM und 367,05 DM als einbehaltene Steuern eingetragen. Hieran müsse sich das Finanzamt halten. Im übrigen habe das Finanzamt den Erstattungsanspruch anerkannt, als der Bf. dieserhalb bei dem Finanzamt vorgesprochen habe. Ihm seien auch die einschlägigen Formulare übergeben worden. Durch den gegenüber der Arbeitgeberin auf Grund der Lohnsteueraußenprüfung ergangenen Bescheid vom 18. Dezember 1959 seien die zu Lasten des Bf. abgeführten Steuern rechtskräftig und verbindlich festgestellt worden. Hiervon könne das Finanzamt jetzt nicht abweichen. Wenn das Finanzgericht auf die eidesstattliche Erklärung des Bf. Bezug nehme und ihren Inhalt zu seinen Ungunsten verwerte, so sei dem entgegenzuhalten, daß der Bf. durch das Finanzamt getäuscht worden sei. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung habe das Finanzamt zur Bedingung für die Anerkennung des Erstattungsanspruchs gemacht. Nach der Abgabe der Versicherung habe es aber seine "Zusage, daraufhin in die Realisierung des Erstattungsanspruchs einzutreten", nicht gehalten. Im Bescheid vom 13. April 1960 habe das Finanzamt anerkannt, daß der Arbeitslohn des Bf. in der Zeit vom 1. Januar bis 28. Dezember 1959 4.037,55 DM betragen habe und daß hierauf 4.037,55 DM an Lohnsteuer und Kirchensteuer einbehalten worden seien, und die Erstattung von der überprüfung der Geschäftsbücher der Arbeitgeberin abhängig gemacht. Die Prüfung sei durchgeführt. Sie habe die Abführung der Steuern bestätigt. Das Finanzgericht irre, wenn es den Bf. als nicht durch die Abführung der Steuern betroffen ansehe. Die Arbeitgeberin habe die Steuern zu Lasten des Bf. abgeführt. Wenn der Bf. als Geschäftsführer die Nettoauszahlung seines Gehalts zunächst zurückgestellt habe, so sei das Sache seines Ermessens gewesen. Die Ausführungen des Finanzgerichts seien eine überkonstruktion, die an dem, was rechtens sei, vorbeigehe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Wie das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum ausgeführt hat, ist dem Bf. in dem Jahr 1959 kein Arbeitslohn zugeflossen. Die Feststellung, daß dem Bf. wegen der Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin ein Gehalt weder ausgezahlt noch gutgeschrieben worden ist, steht weder mit dem Akteninhalt noch mit den Denkgesetzen in Widerspruch. An diese Feststellung ist der Senat gebunden. Die Folgerung des Finanzgerichts, daß ein weder ausgezahltes noch gutgeschriebenes Gehalt nicht zugeflossen sei, ist nicht zu beanstanden. Zugeflossen wäre das Gehalt nur, wenn der Bf. über das Gehalt hätte verfügen können. Gerade hieran aber hat es gefehlt. Auch wenn der Bf. als Gesellschafter-Geschäftsführer wegen der Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin von der Auszahlung und Gutschrift abgesehen hat, bedeutet das nicht eine Verfügung des Bf. über den Arbeitslohn in dem Sinne, daß dieser der Arbeitgeberin von dem Bf. in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer als Darlehen belassen worden wäre.
Ohne Rechtsirrtum hat das Finanzgericht auch die an das Finanzamt abgeführten Steuern nicht als dem Bf. zugeflossenen Arbeitslohn angesehen. Es ist zwar richtig, daß die Lohnsteuer, die der Arbeitgeber von dem Lohn eines Arbeitnehmers einbehält, einen Teil des Lohnes bildet und dem Arbeitnehmer zusammen mit dem an ihn ausbezahlten Teil des Lohnes zugeflossen ist. Dies ist aber nicht der Fall, wenn, wie hier, der Arbeitgeber irrtümlich zur Abführung von Lohnsteuer verpflichtet zu sein glaubt und diese abführt, ohne dem Arbeitnehmer tatsächlich Lohn zu zahlen. In einem solchen Fall kann, wie das Finanzgericht mit Recht festgestellt hat, von einer "Einbehaltung" keine Rede sein. Hier steht, weil kein Lohn gezahlt wurde und gezahlt werden sollte, allein die grundlose Steuerzahlung im Spiele.
Die Frage, ob diese Lohn ist, kann nicht ohne Zusammenhang mit der Erstattungsberechtigung beantwortet werden. Daß der Anspruch auf Erstattung einer zu Unrecht abgeführten Lohnsteuer grundsätzlich dem Arbeitnehmer als dem Schuldner der Lohnsteuer zusteht, entspricht, wie das Finanzgericht ausgeführt hat, der ständigen Rechtsprechung (vgl. insbesondere das Urteil des Senats VI 92/60 U vom 19. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 170, Slg. Bd. 72 S. 465). Wie das Finanzgericht ebenfalls bereits ausgeführt hat, gilt der Grundsatz aber nicht ausnahmslos (Urteil VI 92/60 U, a. a. O.). Gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Lohnsteuer abgeführt worden ist, ohne daß ihr eine Lohnzahlung zugrunde liegt, wäre es eine der gegebenen Interessenlage widersprechende Entscheidung, wollte man den durch die Lohnsteuerzahlung allenfalls buchmäßig, tatsächlich aber gar nicht belasteten Arbeitnehmer als Erstattungsberechtigten ansehen und nicht den Arbeitgeber, der die Lohnsteuer ohne Einbehaltung auf ein auszuzahlendes Gehalt ohne Grund irrtümlich bezahlt hat (vgl. Hartz-Over, Lohnsteuerrecht, Stichwort: "Erstattung von Lohnsteuer", Bemerkung 3).
Ist danach dem Bf. im Jahre 1959 auch in Gestalt der abgeführten Steuern kein Arbeitslohn zugeflossen, so hat das Finanzamt bei dem gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich mit Recht für den Bf. keinen Arbeitslohn angesetzt und keine auf einen Arbeitslohn entfallende Lohnsteuer berücksichtigt. Die Ablehnung des Erstattungsantrages ist mithin berechtigt. Daß sich für den Bf. auch aus § 152 Abs. 2 Ziff. 1 AO kein Erstattungsanspruch ergibt, ergibt sich aus den obigen Ausführungen.
Zu Unrecht glaubt der Bf., daß das Finanzamt nach den geführten Verhandlungen den Erstattungsantrag nicht mehr habe ablehnen dürfen. Darin, daß das Finanzamt über die Erstattung verhandelt und Formblätter für die Antragstellung übergeben hat, kommt allenfalls zum Ausdruck, daß das Finanzamt den Erstattungsantrag nicht von vornherein als aussichtslos angesehen hat; mehr aber nicht. Das Finanzamt war also nicht gehindert, über den Antrag so zu entscheiden, wie es der Rechtslage entsprach. Dem stand es auch nicht entgegen, wenn das Finanzamt die Abführung der Lohnsteuer durch die Arbeitgeberin zunächst als berechtigt angesehen hat. Inwiefern der Bf. zu seiner Erklärung vor dem Finanzamt vom 8. April 1960 durch eine Täuschung bewogen sein sollte, ist unerfindlich. Der Bf. hat nur erklärt, was tatsächlich geschehen ist. Die Erklärung stimmt mit dem vom Finanzgericht angezogenen Schreiben überein.
Fundstellen
Haufe-Index 410297 |
BStBl III 1962, 93 |
BFHE 1962, 246 |
BFHE 74, 246 |