In der Schweiz ansässiger Pilot im internationalen Luftverkehr

Die inländischen Einkünfte eines in der Schweiz ansässigen Piloten aus nichtselbständiger Arbeit, die an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Luftverkehr ausgeübt wird, das von einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland betrieben wird, können nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz in Deutschland besteuert werden. Ein im internationalen Luftverkehr tätiger Pilot ist kein Grenzgänger im Sinne des Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz.

Hintergrund: Gesetzliche Regelung

Nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e EStG sind inländische Einkünfte i.S.d. beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), die an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeugs ausgeübt wird, das von einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland betrieben wird.

Sachverhalt: Piloten mit Wohnsitz in der Schweiz

  • Der Kläger hatte im Streitjahr 2017 seinen Wohnsitz in der Schweiz. Er war bei dem Unternehmen Z als Pilot angestellt und im internationalen Luftverkehr für Interkontinental-/Langstreckenflüge eingesetzt.
  • Arbeitsvertraglich war er als Flugzeugführer dem Flughafen in A-Stadt (Inland) zugeordnet. Von dort erfolgten auch seine Starts und Landungen.
  • Vom Arbeitgeber wurden im Streitjahr Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag einbehalten und an das Finanzamt (FA) abgeführt.
  • In 2018 begehrte der Kläger die Erstattung von zu viel einbehaltener Lohnsteuer i.H.d. Betrags, um den diese die Quellensteuer von 4,5 % des Bruttobetrags der Vergütungen gem. Art. 15a Abs. 1 Satz 3 DBA Schweiz übersteige. Er sei Grenzgänger, da er in der Schweiz wohne und im Anschluss an seine internationalen Flugeinsätze nach der Landung in A-Stadt i.d.R. unmittelbar an seinen schweizerischen Wohnsitz zurückkehre.

Das FA lehnte den Erstattungsantrag des Klägers ab und wies den hiergegen gerichteten Einspruch als unbegründet zurück. Bei den mehrtägigen Flugreisen des Klägers handele es sich nicht jeweils um eine Arbeitseinheit. Denn bei Interkontinentalflügen seien Ruhezeiten vorgeschrieben und mit diesen ende die berufliche Tätigkeit. Damit ergäben sich im Streitjahr insgesamt 68 Nichtrückkehrtage i.S.d. Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz. Selbst wenn die Voraussetzungen des Art. 15a DBA-Schweiz vorlägen, bestimme sich das Besteuerungsrecht vorrangig nach der Bordpersonalregelung in Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz und nicht nach der Grenzgängerregelung in Art. 15a DBA-Schweiz. Danach stehe das Besteuerungsrecht Deutschland zu, weil dort der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens Z liege.

Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab.

Im Revisionsverfahren begehrt der Kläger erneut die Erstattung der Lohnsteuer sowie des Solidaritätszuschlags.

Entscheidung: BFH gibt dem Finanzamt Recht

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen und die Auffassung des FG bestätigt.

Der Arbeitgeber des Klägers hat zu Recht vom Arbeitslohn Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag einbehalten und abgeführt. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erstattung dieser Beträge analog § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG zu.

Kläger ist mit den Einkünften im Inland beschränkt steuerpflichtig

  • Für die Tätigkeit als Pilot des Unternehmens Z im internationalen Luftverkehr bezog der Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Bei dem Unternehmen Z handelt es sich um ein Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland.
  • Der Kläger war daher mit den daraus erzielten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Inland gem. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e EStG beschränkt steuerpflichtig.

Besteuerungsrecht wird durch das DBA-Schweiz nicht eingeschränkt.

  • Das Abkommensrecht steht der inländischen Besteuerung nicht entgegen.
  • Nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz können ungeachtet der vorstehenden Bestimmungen dieses Artikels Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Werden diese Vergütungen in diesem Staat nicht besteuert, so können sie in dem anderen Vertragstaat besteuert werden.
  • Der Kläger erzielte die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr. Das Unternehmen Z hat seine tatsächliche Geschäftsleitung in Deutschland, wo die Vergütungen des Klägers auch besteuert wurden.
  • Aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 DBA-Schweiz ergibt sich vorliegend nichts anderes. Nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz steht Deutschland daher das Besteuerungsrecht für die aus der Pilotentätigkeit im internationalen Luftverkehr erzielten Einkünfte des Klägers im Streitfall zu.

Keine Einschränkung durch Grenzgängerregelung

  • Durch die Grenzgängerregelung des Art. 15a DBA-Schweiz ergibt sich keine Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, da die Voraussetzungen bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit als Pilot eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr von vornherein nicht erfüllt sind.
  • Nach Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz können ungeachtet des Art. 15 DBA-Schweiz u.a. Gehälter und Löhne, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem dieser ansässig ist. Zum Ausgleich kann der Vertragstaat, in dem die Arbeit ausgeübt wird, von diesen Vergütungen eine Steuer im Abzugsweg erheben. Diese Steuer darf 4,5 % des Bruttobetrags der Vergütungen nicht übersteigen.
  • Grenzgänger i.S.v. Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz ist nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift jede in einem Vertragstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahrs an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz).
  • Danach war der Kläger im Streitjahr kein Grenzgänger im Sinne des Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz.

Kläger hat keinen Arbeitsort in Deutschland

  • Der Grenzgängereigenschaft steht bereits entgegen, dass der Kläger abkommensrechtlich keinen Arbeitsort in dem anderen Vertragstaat – Deutschland – gem. Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz hat, von dem aus er regelmäßig an seinen Wohnsitz in der Schweiz zurückkehrt.
  • Arbeitsort ist abkommensrechtlich grundsätzlich der Ort, wo sich der Arbeitnehmer zur Arbeitsausübung tatsächlich physisch aufhält. Bei der abkommensrechtlichen Bestimmung des Arbeitsorts i.S.v. Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz kommt es nicht auf die dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnung des Arbeitnehmers an.
  • Der abkommensrechtliche Arbeitsort des Klägers ist an Bord der von ihm geführten Flugzeuge belegen. In Deutschland übte er seine Arbeit jeweils nur kurzzeitig aus, nämlich insbesondere zur Flugvor- und -nachbereitung im Bereich des Flughafens A-Stadt, während der Flugstrecken über Deutschland und für Trainings beziehungsweise Schulungen sowie für Bereitschaftsdienste. Ansonsten flog er im Rahmen seiner Arbeit regelmäßig auf - sich stets über mehrere Tage erstreckenden – Interkontinental-/Langstreckenflügen von A-Stadt aus in Drittstaaten. Während des wesentlichen Teils seiner Arbeit war der Kläger folglich weder in Deutschland (dem anderen Vertragstaat) tätig noch kehrte er von dort regelmäßig zu seinem Wohnort in der Schweiz zurück. Eine Person, die ihre eigentliche Arbeit an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr ausübt, kann daher kein Grenzgänger sein.

BFH, Urteil v. 1.8.2024, VI R 32/21; veröffentlicht am 21.11.2024

Alle am 21.11.2024 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen