Leitsatz
1. Die inländischen Einkünfte eines in der Schweizerischen Eidgenossenschaft ansässigen Piloten aus nichtselbständiger Arbeit, die an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Luftverkehr ausgeübt wird, das von einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland betrieben wird, können nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 in der Bundesrepublik Deutschland besteuert werden.
2. Ein im internationalen Luftverkehr tätiger Pilot ist kein Grenzgänger im Sinne des Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010.
Normenkette
Art. 15 Abs. 3 Satz 1, Art. 15a Abs. 1 und 2 DBA CHE 1971/2010, § 1 Abs. 4, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 38 Abs. 1 Satz 1, § 41a Abs. 1 Satz 1, § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e, § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG, § 37 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 218 Abs. 2 AO
Sachverhalt
Der Kläger, ein bei Z – einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland – angestellter Pilot, der im internationalen Luftverkehr Langstrecke fliegt, hatte im Streitjahr (2017) seinen ausschließlichen Wohnsitz in der Schweiz. Er war arbeitsvertraglich als Flugzeugführer dem Flughafen in A-Stadt (Inland) zugeordnet, von dem aus seine Starts und Landungen als Pilot im internationalen Luftverkehr erfolgten. Z behielt im Streitjahr vom Arbeitslohn des Klägers LSt ein und führte diese an das FA ab. Mit Antrag vom 30.7.2018 begehrte der Kläger vom FA die Erstattung von zu viel einbehaltener LSt in Höhe des Betrags, um den diese die Quellensteuer von 4,5 % des Bruttobetrags der Vergütungen gemäß Art. 15a Abs. 1 Satz 3 DBA-Schweiz 1971/2010 übersteige. Der Kläger war der Ansicht, er sei ein typischer Grenzgänger i. S. d. Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010, da er in der Schweiz wohne und im Anschluss an seine internationalen Flugeinsätze nach der Landung in A-Stadt (Inland) in der Regel unmittelbar an seinen schweizerischen Wohnsitz zurückkehre.
Das FA lehnte den Erstattungsantrag des Klägers ab und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Selbst wenn die Voraussetzungen des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010 vorlägen, bestimme sich das Besteuerungsrecht vorrangig nach der Bordpersonalregelung in Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/2010 und nicht nach der Grenzgängerregelung in Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010. Danach stehe das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland zu, weil dort der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens Z liege. Z habe daher die LSt zu Recht einbehalten. Die hiergegen erhobene Klage wies das FG ab (FG Hamburg, Gerichtsbescheid vom 12.4.2021, 6 K 179/19, Haufe-Index 15082866, EFG 2022, 1028).
Entscheidung
Die Revision des Klägers hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen. Z habe die streitige LSt zu Recht einbehalten und an das FA abgeführt. Einen LSt-Erstattungsanspruch habe der Kläger daher nicht.
Hinweis
1. Der in der Schweiz ansässige Kläger war mit seinen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit beschränkt steuerpflichtig. Das Unternehmen Z war als inländischer Arbeitgeber deshalb nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verpflichtet, LSt einzubehalten und an das FA abzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 EStG).
2. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung sind inländische Einkünfte i. S. d. beschränkten ESt-Pflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG), die - wie vorliegend – an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeugs ausgeübt wird, das von einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland betrieben wird.
3. Der inländischen Besteuerung steht im Streitfall Abkommensrecht nicht entgegen.
a) Nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/2010 können ungeachtet der vor-stehenden Bestimmungen dieses Artikels Vergütungen für unselbstständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffs oder Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr oder an Bord eines Schiffs, das der Binnenschifffahrt dient, ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Werden diese Vergütungen in diesem Staat nicht besteuert, so können sie in dem anderen Vertragsstaat besteuert werden.
b) Der Kläger hat die streitigen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr erzielt. Das Unternehmen Z hat seine tatsächliche Geschäftsleitung in Deutschland, wo die Vergütungen des Klägers auch besteuert wurden. Aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 ergibt sich vorliegend nichts anderes. Nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1971/2010 steht Deutschland daher das Besteuerungsrecht für die aus der Pilotentätigkeit im internationalen Luftverkehr erzielten Einkünfte des Klägers im Streitfall zu.
c) Auch nach der Grenzgängerregelung des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010 ergibt sich keine Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts. Denn die Voraussetzungen sind bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit als Pilot eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr von vornherein nicht erfüllt.
aa) Grenzgänger i. S. v. Art. 15a Abs. 1 DBA-Schweiz 1971/2010 ist nach ...