Aktuelle Neuerungen für Grenzgänger in die Schweiz
Grenzgänger sind Steuerpflichtige, die regelmäßig zwischen ihrem Wohnsitz in einem Vertragsstaat und dem Arbeitsort im anderen Vertragsstaat hin- und zurückpendeln. Das Besteuerungsrecht für Grenzgänger steht nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft grundsätzlich dem Wohnsitzstaat zu. Zum Ausgleich kann der Vertragsstaat, in dem die Arbeit ausgeübt wird, von diesen Vergütungen eine Steuer im Abzugsweg erheben. Artikel 15a Absatz 1 Satz 3 des DBA sieht vor, dass die Abzugsteuer 4,5 Prozent des Bruttobetrages der Vergütungen nicht übersteigen darf, wenn die Ansässigkeit durch eine amtliche Bescheinigung der zuständigen Finanzbehörde des Vertragsstaats, in dem die steuerpflichtige Person ansässig ist, nachgewiesen wird.
Nachweis der Ansässigkeit – neue Bescheinigungen
Die zuständigen Behörden der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft haben zum Nachweis der Ansässigkeit einer Person in einem Vertragsstaat die Vordrucke "Gre-1", "Gre-4" und "Gre-5" einvernehmlich überarbeitet beziehungsweise neu erstellt ( BMF, Schreiben vom 7. Dezember 2023, IV B 2 - S 1301 -CHE/21/10019, BStBl 2023 I Seite 2150):
- Allgemein ist zum Nachweis über die Ansässigkeit in einem Vertragsstaat der Vordruck "Gre-1" zu verwenden
- Als Nachweis über die Ansässigkeit eines im Schweizer öffentlichen Dienst beschäftigten Grenzgängers in Deutschland, welcher Leistungen von einer Schweizer Vorsorgeeinrichtung der 2. Säule des schweizerischen Altersvorsorgesystems bezieht, ist der neu erstellte Vordruck "Gre-4" zu verwenden.
- Hinterbliebene von ehemals im Schweizer öffentlichen Dienst beschäftigten Grenzgängern verwenden als Nachweis über ihre Ansässigkeit in Deutschland den neu erstellten Vordruck "Gre-5".
Nichtrückkehrtage - ebenfalls zu bescheinigen
Das Besteuerungsrecht im Wohnsitzstaat entfällt bei einer berufsbedingten Nichtrückkehr an den Wohnsitz ab einer bestimmten Anzahl von Tagen. Im Verhältnis Deutschland - Schweiz enthält das DBA eine Höchstgrenze von 60 Nichtrückkehrtagen. Im Übrigen ist die Grenzgängerregelung jedoch nicht auf eine Zone oder ein Gebiet beschränkt.
Vorgesehen ist, dass der Arbeitgeber die Tage der Nichtrückkehr bescheinigt und die für den Arbeitsort zuständige Finanzbehörde die Bescheinigung mit einem Sichtvermerk versieht. Als Bescheinigung ist hierzu ab 2024 der ebenfalls überarbeitete Vordruck "Gre-3" zu verwenden. Zur Dokumentation der Tage der Nichtrückkehr in den Ansässigkeitsstaat kann das abgestimmte, jedoch unverbindliche Muster "Anlage zu Gre-3" verwendet werden.
Zur einheitlichen Anwendung und Auslegung der Grenzgängerregelung (Artikel 15a Absatz 2 des deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommens in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 27. Oktober 2010, BGBl 2011 II Seite 1092) und insbesondere zur Zählung der Nichtrückkehrtage haben die beiden Länder im Übrigen mehrere sog. Konsultationsvereinbarungen abgeschlossen.
Grenzgänger: Nichtrückkehr aus beruflichen Gründen
Eine Nichtrückkehr aufgrund der Arbeitsausübung liegt namentlich dann vor, wenn die Rückkehr an den Wohnsitz aus beruflichen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist:
- Bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs ist eine Rückkehr des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin nach Arbeitsende an den Wohnsitz insbesondere nicht zumutbar, wenn die kürzeste Straßenentfernung für die einfache Wegstrecke über 100 Kilometer beträgt.
- Bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist eine Rückkehr nach Arbeitsende an den Wohnsitz insbesondere nicht zumutbar, wenn die schnellste Verbindung zu den allgemein üblichen Pendelzeiten für die einfache Wegstrecke länger als 1,5 Stunden beträgt.
Nichtrückkehrtag nur bei tatsächlicher Nichtrückkehr
Von einem Nichtrückkehrtag ist bei vorliegender Unzumutbarkeit der Rückkehr nur auszugehen, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin glaubhaft macht, dass er oder sie tatsächlich nicht an ihren Wohnsitz zurückgekehrt ist.
Quelle: BMF, Schreiben vom 25. Oktober 2018, Aktenzeichen IV B 2 - S 1301 - CHE/07/10015 - 09.
Sonderregelung zum Homeoffice
Vor dem Hintergrund, dass Beschäftigte ihre Tätigkeit zunehmend auch an ihrem Wohnsitz ausüben möchten, haben Deutschland und die Schweiz eine weitere Vereinbarung geschlossen: Danach gelten Arbeitstage, an denen eine Grenzgängerin oder ein Grenzgänger ganztägig am Wohnsitz im Ansässigkeitsstaat arbeitet, nicht als Arbeitstage, an welchen die Person nach Arbeitsende aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an den Wohnsitz zurückkehrt. Diese Arbeitstage gelten somit nicht als Nichtrückkehrtage im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens. Aus steuerlicher Sicht sind die Homeofficetage im Verhältnis zur Schweiz in unbegrenzter Anzahl ohne Auswirkung.
Quelle: BMF, Schreiben vom 26. Juli 2022, Aktenzeichen IV B 2 - S 1301 - CHE/21/10019 :016.
Zählung bei nicht ganzjähriger Beschäftigung
Bei einem Arbeitnehmer, der nicht während des gesamten Kalenderjahrs in dem anderen Staat beschäftigt ist, sind die für die Grenzgängereigenschaft nicht schädlichen Tage der Nichtrückkehr in der Weise zu berechnen, dass für einen vollen Monat der Beschäftigung fünf Tage und für jede volle Woche der Beschäftigung ein Tag anzusetzen ist. Das hat eine aktuelle Gerichtentscheidung bestätigt (FG München, Urteil vom 15. März 2024 – 8 K 883/23, EFG 2024 S. 1372). Dort war die maßgebliche Grenze (von 22 Tagen bis Mitte Mai) nach zutreffender Ermittlung durch das Finanzamt überschritten. In dem Fall geht es aber weitergehend um die Aufteilung der Besteuerungsrechte bei unwiderruflicher Freistellung des Arbeitnehmers, weshalb Revision beim BFH eingelegt worden ist (Az. VI R 12/24).
Zählung bei Dienstreisen
In einem weiteren Urteilsfall ging es um die Zählung der Nichtrückkehrtage bei Dienstreisen. Entscheidend für die Einhaltung der 60-Tage-Grenze war, dass das Gericht keine Tage mitzählte, an denen der Betroffene von Geschäftsreisen aus einem Drittstaat tatsächlich an seinen inländischen Wohnsitz zurückgekehrt war. Ausgeklammert hatte das Finanzgericht zudem Wochenendtage, an denen er im Zusammenhang mit einer Geschäftsreise tatsächlich nicht an seinen Inlandswohnsitz zurückgekehrt war (Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 6. April 2017, Aktenzeichen 3 K 3729/16).
Die dagegen gerichtete Revision hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen und die Entscheidung des Finanzgerichts damit bestätigt. Tage, an denen der Beschäftigte von einer Geschäftsreise aus dem Drittland tatsächlich an seinen Wohnsitz zurückkehrt, gehören nicht zu den Nichtrückkehrtagen. Entsprechendes gilt für Geschäftsreisen an Wochenend- und Feiertagen, sofern die Arbeit an diesen Tagen nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart ist und der Arbeitgeber für die an diesen Tagen geleistete Arbeit weder einen anderweitigen Freizeitausgleich noch ein zusätzliches Entgelt gewährt, sondern lediglich die Reisekosten übernimmt (BFH Urteil vom 30.09.2020 – I R 37/17).
Konsultationsvereinbarungen für Gerichte unbeachtlich
Die von den Urteilen abweichenden Bestimmungen im den Konsultationsvereinbarungen zwischen Deutschland und der Schweiz wurden bereits vom Finanzgericht als unwirksam und daher unbeachtlich eingestuft. Nach dem Urteil des BMF verstoßen sie gegen den Grundsatz des gesetzlichen Vorrangs (BFH Urteil vom 30.09.2020 – I R 37/17). Letztlich gelten die – oft begünstigenden - Regelungen aus den Konsultationsvereinbarungen also immer nur so lange bis es vor Gericht geht. Die Ergreifung des Rechtswegs in diesen Fällen sollte also wohlüberlegt sein.
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