Lohnbuchhaltung: Herausforderungen im Jahr 2025

Der Fachkräftemangel im eigenen Bereich nimmt zu, die Anforderungen bleiben komplex: Die Lohnbuchhaltung steht vor großen Heraus­forderungen. Was das für Unter­nehmen und den HR-Tech-Markt bedeutet, beleuchtet Software-Analyst Jens Bender. 

Viele Experten sind der Meinung, dass Künstliche Intelligenz (KI) für Softwarelösungen ein ebenso großes oder sogar größeres Veränderungspotenzial besitzt wie der Übergang in die Cloud. Dieser Übergang hat bei der Lohnbuchhaltung, einem der ältesten digital unterstützten Unternehmensprozesse, jedoch häufig noch nicht erfolgreich stattgefunden. Viele Lösungen werden auch weiterhin "on-premise" – also beim Kunden oder beim Outsourcing-Partner vor Ort – betrieben. Zugleich muss die Lohnbuchhaltung aber digitaler und produktiver werden, um so den zunehmenden Fachkräftemangel in diesem Bereich auszugleichen. Derzeit ist noch nicht abzusehen, wann die Unternehmen hier wirkliche Fortschritte erzielen.

Payroll: Hohe Komplexität als Barriere

Die Lohnbuchhaltung in Deutschland gilt als eine der komplexesten weltweit. Im Global Payroll Complexity Index von Alight aus dem Jahr 2023 lag Deutschland direkt hinter Frankreich auf dem zweiten Rang. Dahinter folgte die Schweiz mit der dritthöchsten Komplexität. Österreich hingegen fand sich auf Platz 22 wieder, was auf eine vergleichsweise deutlich weniger komplexe Lohnbuchhaltung hindeutet. 

Was die Lohnbuchhaltung so komplex macht, sind spezielle Gesetze, Regularien sowie Zertifizierungsanforderungen. Für Softwareanbieter wird es somit sehr aufwendig, sicherzustellen, dass alle Anforderungen erfüllt sind – sowohl initial, wenn  eine neue Payroll-Lösung bereitgestellt wird, als auch laufend, um Rezertifizierungen zu erreichen. Die Komplexität ist somit auch eine wesentliche Ursache, weshalb technologische Innovationen in der Lohnabrechnung häufig noch nicht so Fuß gefasst haben, wie in anderen HR-Tech-Kategorien.

Fachkräftemangel stellt Lohnabrechnung vor Herausforderungen

Zusätzlich kommt eine weitere Herausforderung auf die Lohnabrechnung zu: der Fachkräftemangel. Bisher vertrauen viele Unternehmen wegen der Komplexität ihre Lohn- und Gehaltsabrechnung der Steuerberatung an. Allerdings sind mehr als die Hälfte der Steuerberaterinnen und -berater älter als 50 Jahre, jede fünfte Person hat sogar schon die 60 überschritten. Und es kommt wenig Nachwuchs nach. Ähnlich verhält es sich auch mit der Lohnbuchhaltung, die jüngere Menschen als Berufsfeld ebenfalls wenig attraktiv zu finden scheinen.

Für Steuerberatungen kommt hinzu, dass die Lohnbuchhaltung nicht sehr lukrativ ist. So wird Payroll als Dienstleistung oft zu eher unattraktiven Konditionen und daher immer seltener angeboten. Das wird gerade für kleinere Unternehmen zum Problem, da diese ihre Lohnbuchhaltung häufig an Steuerberatungen ausgelagert haben, um nicht vor der Herausforderung zu stehen, interne Experten rekrutieren oder sie kurzfristig nachbesetzen zu müssen.   

Payroll: Trend zum Outsourcing verstärkt sich

Seit einigen Jahren ist deshalb ein Trend zum Outsourcing an Dienstleister oder Lohnbüros zu beobachten. Dies bestätigt auch Branchenexperte Markus Matt: "Im Jahr 2024 setzte sich die Entwicklung zum Outsourcing fort und erfasste zunehmend auch größere Unternehmen. Im öffentlichen Dienst gibt es diesen Trend auch, der Service wird hier zumeist von den öffentlichen Rechenzentren und Anbietern wie GIP oder AKDB geleistet." Payroll-Outsourcer, deren Angebot sich an größere Organisationen richtet, wachsen daher trotz des bereits vorhandenen Digitalisierungsgrads, wie etwa Zalaris, SD Worx, ADP, Alight und SPS. Bei der Wahl ihrer Partner achten Großunternehmen vermehrt auf die Kosten. So besteht sowohl im Segment der Großunternehmen als auch bei KMU ein hoher Preisdruck.

Beim Mittelstand ist zugleich auch weiterhin beliebt, die Outsourcing-Dienstleistung in die Hände des auf den Mittelstand fokussierten Payroll-Software-Anbieters selbst zu legen. "Die Kunden profitieren von einer zentralen Anlaufstelle. Bei technischen oder abrechnungsbezogenen Fragen gibt es keine Zuständigkeitsprobleme zwischen Softwarelieferant und Dienstleister, wie es bei der Nutzung von Fremdsoftware häufig der Fall ist." argumentiert hier zum Beispiel die SP Data. So kann ein weiteres Glied in der Verarbeitungskette vermieden werden. Ähnlich ist dies bei Agenda Software und VEDA der Fall.

Technologie als einziger Ausweg

An Fachkräften mangelt es jedoch auch Outsourcing-Anbietern. Somit sind sie ebenfalls darauf angewiesen, modernere Technologien einzusetzen und produktiver zu werden. Das können Outsourcer bereits erreichen, indem sie auf Cloud-Lösungen wechseln. Ebenso kann KI genutzt werden, um automatisiert Fehler zu identifizieren und eine Abwicklung vorzubereiten. 

Kleinere Lohnbüros stellten in den vergangenen Jahren fest, dass sie kaum noch mit der Optimierung ihrer eigenen ITSG-zertifizierten Payroll-Lösung hinterherkamen. Viele haben deshalb aufgehört, sie weiterzuentwickeln und zertifizieren zu lassen. Zunächst war deshalb davon auszugehen, immer weniger Payroll-Anbieter auf dem Markt zu finden. Nun deutet sich aber das Gegenteil an: Aus Branchenkreisen ist zu vernehmen, dass diverse Anbieter planen, ihre eigene Payroll zu entwickeln. 

Viele Anbieter entwickeln eigene Lösungen

In den vergangenen Jahren war bereits zu sehen, dass einige heimische Anbieter wie Lexware, P&I, Hansalog oder Adata auf ihre jahrelange Erfahrung aufgebaut und cloudbasierte Payroll-Lösungen entwickelt haben. Auch der Softwareriese SAP arbeitet daran, wird allerdings noch einige Zeit benötigen. Nachdem Personio im Jahr 2023 neben der Partnerschaft mit Datev ihre eigene Payroll-Lösung ankündigte, die 2024 zertifiziert wurde, folgen weitere Anbieter dieser Entwicklung. Auch Anbieter, die sich jahrelang auf Outsourcing konzentrierten, nutzen nun ihre Expertise. Statt ältere On-Premise-Lösungen einfach durch Cloud-Lösungen eines Partners zu ersetzen – ein Schritt, der einen Softwarewechsel und Schulungen für Mitarbeitende erfordert hätte –, gehen sie noch einen Schritt weiter und streben ihre eigene ITSG-zertifizierte Software an. So arbeitet nach Paychex auch SD Worx an einer eigenen Lösung für den deutschen Markt. Ebenso planen neue Anbieter wie Dayforce und Deel, eine eigene Payroll für den deutschen Markt zu entwickeln. 

Datev arbeitet daran, Marktführer bei KMU zu bleiben und entwickelt eine verbesserte Integration über eine API-basierte Anbindung, die mit den Premium-Partnern HR Works, Rexx und Personio getestet wird. Auch HR-Softwareanbieter wie Factorial aus Spanien oder Kiwi HR by Tellent aus Deutschland binden Datev nun erfolgreich an. Datev plant zudem, weiteren HR-Softwareanbietern die Integration zu ermöglichen und sie in den Marktplatz aufzunehmen. HR und Payroll lassen sich künftig somit immer leichter integrieren. 

Eine neue Payroll-Lösung braucht Zeit

Interessant wird zu beobachten, wie und wann sich die neuen Lösungen auf die Marktstruktur auswirken. Die Marktanteile der deutschsprachigen Payroll-Softwareanbieter sind bereits seit längerer Zeit stabil. SAP ist Marktführer im Segment der Großunternehmen. Für KMU ist in Deutschland die Datev mit 14 Millionen Payslips pro Monat, in der Schweiz Abacus mit 1,5 Millionen Payslips pro Monat und in Österreich Infoniqa führend.

Auch in Zukunft werden neben der Software auch Payroll-Experten gebraucht, die bei der Abwicklung unterstützen. Egal ob diese dann beim Unternehmen selbst, bei der Steuerberatung, beim Outsourcing-Partner oder im Lohnbüro sitzen – künftig werden sie stärker durch Technologie unterstützt und deutlich produktiver arbeiten können. Je größer die Betriebe, die bei der Abrechnung beteiligt sind, desto wahrscheinlicher ist es, signifikante Skaleneffekte zu erzielen.  

Mit der Entwicklung neuer Softwareversionen und dem Einsatz von KI scheint das Rennen um die produktivste Payroll-Lösung eröffnet. Dennoch werden sich die Verhältnisse nicht rapide verändern. Das bekräftigt auch HR-Tech-Experte Thomas Otter, der einst bei SAP für die Payroll-Lösungen verantwortlich war: "Eine Payroll am Markt zu etablieren, braucht Zeit. Es braucht mindestens zwei Steuerjahresabschlüsse, um sich für eine breite Akzeptanz zu bewähren." Denn die Payroll soll verlässlich sein – und wird oft nur dann ersetzt, wenn es zwingend notwendig wird. Die Chance auf Produktivitätssteigerungen könnte viele Unternehmen jedoch zum Umdenken bewegen.


Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin 1/2025. Als Abonnent haben Sie Zugang zu diesem Beitrag und allen Artikeln dieser Ausgabe in unserem Digitalmagazin als Desktop-Applikation oder in der Personalmagazin-App.


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