Ist eine Abmahnung nicht komplett entbehrlich, gibt es keine allgemeine Regel wie viele Abmahnungen vor einer Kündigung ausgesprochen werden müssen. Auch diese Frage ist stets abhängig vom jeweiligen Einzelfall.
Irrige Regel-Annahme
Die häufig irrig angenommene Regel, vor einer Kündigung müsste immer mindestens zweimal abgemahnt werden, existiert nicht.
Bei geringfügigen bzw. leichten Pflichtverletzungen (Verstöße gegen die Betriebsordnung, Nichtvorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung etc.), bedarf es jedenfalls vor Ausspruch einer Kündigung mehrerer Abmahnungen.
Bei erheblichen Pflichtverletzungen kann eine Abmahnung ausreichen.
Gab es schon eine oder mehrere Abmahnungen, muss auf jeden Fall erneut abgemahnt werden, wenn zwischen dem schon abgemahnten Verhalten und der Wiederholung eine längere Zeit unbeanstandeter Vertragserfüllung liegt. Denn in solchen Fällen wird die früher ausgesprochene Abmahnung je nach Zeitverlauf immer schwächer.
Im Fall von einer oder mehrerer vorangegangener Abmahnungen kommt es im Wiederholungsfall darauf an, ob es sich bei der wiederholten Pflichtverletzung um eine gleichartige Pflichtverletzung handelt.
Kann der Arbeitgeber darlegen, dass er bereits ein- oder mehrmals ähnlich gelagerte Pflichtverstöße in der Vergangenheit abgemahnt hat, zeigt sich, dass die Abmahnungen nicht geeignet waren, den Arbeitnehmer zu einem vertragsgerechten Verhalten auf Dauer anzuhalten. Weitere Abmahnungen erscheinen damit sinnlos. Zudem zeigt der nach der letzten Abmahnung erneut eingetretene Pflichtverstoß: Es muss mit weiteren Vertragsverstößen gerechnet werden. Damit liegt die bei einer Kündigung erforderliche negative Prognose vor und es kann gekündigt werden.
Handelt es sich dagegen im Wiederholungsfall um einen anderen, den zuvor abgemahnten Pflichtverletzungen nicht vergleichbaren Pflichtverstoß, muss erneut abgemahnt werden.
Gleichartige Pflichtverletzungen
Um eine negative Prognose treffen zu können, müssen keine identischen, sondern nur gleichartige Pflichtverletzungen vorliegen. Dafür reicht es aus, wenn die jeweiligen Pflichtverletzungen aus demselben Bereich stammen und in einem inneren Zusammenhang stehen. Der Arbeitnehmer muss aufgrund der Abmahnung erkennen können, dass der Arbeitgeber ein weiteres Fehlverhalten nicht hinnehmen, sondern ggf. kündigen wird.
Gleichartig sind z. B.
- unpünktliches Erscheinen, vorzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes, unentschuldigtes Fehlen oder Überziehung der Pausen,
- unberechtigtes Fehlen und berechtigtes, aber nicht angezeigtes Fernbleiben von der Arbeit,
- verbale sexuelle Belästigung und körperlicher Übergriff,
- Verstoß gegen Berichts- und Besuchspflichten und verspätete Anmeldung zu Tagungen, nicht umgehende Terminvereinbarungen, verspätete Vorlage von Übersichten.
Nicht gleichartig sind z. B.
- wenn der Arbeitnehmer einmal die Arbeit beharrlich verweigert und ein anderes Mal seine Arbeitsleistung schlecht erbringt.
Bei mehreren Abmahnungen ist auf der anderen Seite zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BAG eine große Anzahl an Abmahnungen wegen gleichartiger Pflichtverletzungen (im Streitfall 2 mündliche Ermahnungen und 7 schriftliche Abmahnungen wegen verspäteter Arbeitsaufnahme), denen keine weiteren Konsequenzen folgen, die Warnfunktion der Abmahnungen schwächen kann. Nach dieser Entscheidung muss der Arbeitgeber in solchen Fällen die letzte Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung besonders eindringlich gestalten, um dem Arbeitnehmer klarzumachen, dass ein weiterer gleichgelagerter Pflichtverstoß nunmehr zu einer Kündigung führen wird.
Überschrift "Letzte Abmahnung" verwenden
Eine bestimmte Form für die eindringliche Gestaltung der letzten Abmahnung ist nicht vorgeschrieben. Das besondere Herausheben kann z. B. in Form eines eindringlichen und sauber dokumentierten Abmahnungsgesprächs oder durch eine besondere Kennzeichnung der letzten Abmahnung geschehen (z. B. Überschrift "Letzte Abmahnung").