Die Abmahnung ist zwar keine Willenserklärung, gilt aber als geschäftsähnliche Handlung, weshalb für ihren Zugang die Regelungen über den Zugang von Willenserklärungen entsprechend gelten. Hieraus folgt zuerst, dass die Abmahnung erst dann Wirkung entfalten kann, wenn sie dem Abmahnungsempfänger tatsächlich zugeht.
Derjenige, der sich auf die Abmahnung beruft, muss ihren Zugang bei Bestreiten beweisen (in den meisten Fällen der Arbeitgeber).
Dem Arbeitnehmer kann es aber nach Treu und Glauben verwehrt sein, sich auf den fehlenden oder verspäteten Zugang der Abmahnung zu berufen. Dies ist der Fall, wenn ihm das Zugangshindernis zuzurechnen ist und der Arbeitgeber nicht damit rechnen musste, z. B. weil der Arbeitnehmer bewusst eine falsche Anschrift angegeben hat.
Bei einer mündlichen Abmahnung (auf die man wegen der schwierigen Beweisführung tunlichst verzichten sollte), wird verlangt, dass der Empfänger die mündliche Erklärung auch verstehen kann, weshalb der Zugang, z. B. bei Taubheit, Sprachunkenntnis oder Bewusstlosigkeit, ausgeschlossen ist.
Eine schriftliche Abmahnung unter Anwesenden ist mit der Übergabe des Schriftstücks zugegangen.
Empfangsbestätigung einholen!
Den Empfang durch persönliche Übergabe sollte man sich am besten unter Angabe des Datums schriftlich durch den Empfänger oder einen hinzugezogenen Zeugen bestätigen lassen.
Muster-Empfangsbestätigung
Empfangsbestätigung
Hiermit bestätige ich, dass ich die Abmahnung wegen "Unpünktlichkeit" vom 15.7.2024 erhalten und zur Kenntnis genommen habe.
_____________________________________ Ort, Datum _____________________________________ Unterschrift
Geschäftsführer für Übergabe der Abmahnung ungeeignet!
Der Arbeitgeber oder Geschäftsführer selbst ist für die Übergabe der Abmahnung ungeeignet, weil er später im Prozess nicht als Zeuge auftreten kann. Da er die Firma selbst kraft Gesetz vertritt, ist er Partei. Wer aber Partei ist, kann nicht gleichzeitig Zeuge sein. Die Vernehmung einer Partei, die den Beweis zu führen hat (hier also Arbeitgeber), ist grundsätzlich nur mit Zustimmung des Gegners möglich. Von der Möglichkeit, eine Partei von Amts wegen zu vernehmen, kann das Gericht nur in Ausnahmefällen Gebrauch machen, wenn es vom Sachverhalt im Sinne dieses Parteivortrags schon "fast überzeugt ist".
Eine schriftliche Abmahnung unter Abwesenden ist dann zugegangen, wenn sie in verkehrsüblicher Art in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers oder eines anderen, der ihn in der Empfangnahme von Briefen oder Erklärungen vertreten konnte, gelangt und ihm dadurch die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft ist.
Allein der Beweis der Aufgabe zur Post begründet noch keine Vermutung, dass ein einfacher Brief auch tatsächlich zugegangen ist.
Wird das Abmahnungsschreiben in den Briefkasten geworfen, geht es in dem Zeitpunkt zu, in dem der Briefkasten üblicherweise geleert wird.
Wird die Abmahnung per Übergabe-Einschreiben versandt und ist beim Empfänger niemand anzutreffen, geht das Schreiben nicht zu, da in den Briefkasten und damit in die Verfügungsgewalt nicht das Einschreiben selbst, sondern nur ein Benachrichtigungszettel gelangt.
Es kommen in der Praxis Fälle vor, in denen zwar nicht der Zugang eines Briefkuverts, wohl aber dessen Inhalt bestritten wird. Aus diesem Grund ist die Zusendung der Abmahnung per Einwurfeinschreiben ebenfalls ungeeignet. Dann muss nämlich der Beweis erbracht werden, dass das Abmahnungsschreiben in das Kuvert gesteckt wurde (Sekretär oder Bote vor Einwurf in den Briefkasten) und es zuging (z. B. durch Boten).
Erklärungen in Textform (z. B. E-Mail, Messenger-Dienste), die während der üblichen Bürozeiten im Postfach des Empfängers eingehen, werden in der Regel sofort als zugegangen betrachtet. Wird die Nachricht jedoch außerhalb dieser Zeiten oder an einem Wochenende gesendet, geht man im Geschäftsverkehr davon aus, dass der Zugang am nächsten Werktag erfolgt.