Zum Alter proportionaler Sonderurlaub für Piloten aus Gründen des Gesundheitsschutzes muss als angemessene und objektive Maßnahme ausgestaltet sein, um eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.
Das LAG Köln behandelte mit Urteil vom 8.7.2021 die Frage, ob die Altersstaffelung eines Sonderurlaubs diskriminierend ist.
Der Kläger war zum Zeitpunkt der Klageerhebung 52 Jahre alt und fühlte sich diskriminiert dadurch, weniger Sonderurlaub zu bekommen als seine älteren Kollegen. Im Kern gaben ihm das vorinstanzliche Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Recht. Sie kamen zum Ergebnis, dass die Sonderurlaubsregelung benachteiligend ist und sich nicht gemäß § 8 bzw. § 10 AGG rechtfertigen lässt.
Die betreffende Regelung besagte, dass der Arbeitgeber (eine Fluggesellschaft) Arbeitnehmer bezahlten Sonderurlaub gewährte, sobald sie das 40. Lebensjahr vollendet hatten. Dabei stieg die Menge an Sonderurlaub Jahr für Jahr an. Zu Beginn betrug der Sonderurlaub einen Tag pro Jahr und zum Ende der Beschäftigungszeit, also mit 64 Jahren, 35 Tage. Problematisch hieran ist die willkürlich wirkende Bestimmung, ab wann es Sonderurlaub gibt. Außerdem beinhaltete die Staffelung einen Sprung von 8 auf 21 Tage ab dem vollendeten 55. Lebensjahr. Warum und wie genau das mit dem Gesundheitsschutz und einem erhöhten Erholungsbedarf älterer Piloten zu erklären sein soll, konnte die beklagte Fluggesellschaft nicht erläutern.
Nach Alter gestaffelter Sonderurlaub ist nicht im Rechtfertigungskatalog des § 10 Satz 2 AGG enthalten.
Es kommt dann eine allgemeine Rechtfertigung gemäß § 8 Abs. 1 AGG und § 10 Satz 1 in Betracht. Im vorliegenden Fall passt diese Norm aber nicht. Denn die "Anforderung" im Sinne der Norm, möglichst jung und fit zu sein, führt nicht zu einer Schlechterbehandlung der Älteren, sondern zu einer Schlechterbehandlung der Jüngeren.
In dem Urteil setzt sich das Gericht mit der Frage auseinander, wie die für das Alter speziell geschaffene Rechtfertigungsnorm in § 10 Satz 1 AGG zu verstehen ist. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Regelung nicht "angemessen" sei i. S. d. § 10 Satz 1 AGG. Das begründet das Gericht damit, dass eine Regelung, die unterteilt in "jünger als 40" und "älter als 40" zu pauschal sei, um das Ziel – mehr Erholung im Alter – sinnvoll zu verfolgen.
Die Formulierung der Norm ist leider misslungen und das bereitet Probleme für ihre Auslegung. Die Tatbestandsvoraussetzung "Angemessenheit" bezieht sich auf das Ziel. Mit "objektiv" ist gemeint, dass die Ungleichbehandlung auf der Grundlage von Fakten und nicht nur Vermutungen beruht. Pauschale Vorurteile reichen nicht. Ein Beispiel hierfür ist, generell zu unterstellen, dass jüngere Menschen fitter sind als ältere.
Verhältnismäßigkeit
Die Intensität der Ungleichbehandlung muss zum verfolgten Ziel im Verhältnis stehen. Ein Ziel, das nicht allzu wichtig ist, dürfen Arbeitgeber nicht mit tief einschneidenden Ungleichbehandlungen verfolgen. Ist beispielsweise empirisch bewiesen, dass ab einem bestimmten Alter für eine bestimmte Tätigkeit Arbeitgeber aus Gründen des Gesundheitsschutzes handeln müssen, darf die Maßnahme trotzdem nicht über das Ziel "hinausschießen".