Besonders praxisrelevant ist die Abweichung von dem vorgenannten Gleichstellungsgebot durch tarifvertragliche Regelungen gem. § 8 Abs. 2 AÜG.[1]

Voraussetzung für diese Abweichungsmöglichkeit ist, dass

  • auf das Verhältnis von Verleiher und Leiharbeitnehmer ein Tarifvertrag zur Anwendung kommt,
  • der wirksam ist[2]
  • bzw. der Gleichstellungspflicht abweichende Regelungen vorsieht bzw. zulässt.

Der Tarifvertrag kann hierbei aufgrund beidseitiger Tarifbindung zur Anwendung kommen oder aber aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme von nicht tarifgebundenen Verleihern. Diese müssen aber den Tarifvertrag in Bezug nehmen, der für sie gelten würde, wenn sie tarifgebunden wären. Sie müssen in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen.

 
Hinweis

Vollständige Inbezugnahme eines abweichenden Tarifvertrags

Bei einer Inbezugnahme eines abweichenden Tarifvertrags ist allerdings zu beachten, dass dieser vollständig in Bezug genommen werden muss. Erfolgt die Inbezugnahme nur teilweise, ist die vom Gleichstellungsgebot abweichende Regelung unwirksam. Der Arbeitnehmer behält seinen Anspruch auf Gleichstellungen mit einem vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers.[3]

 
Hinweis

Wirksamkeit der Abweichung vom Equal-Pay-Grundsatz durch einen Tarifvertrag

Es war lange umstritten, ob die deutschen Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche bzw. die gesetzlich vorgesehene Abweichungsmöglichkeit vom Gleichstellungsgrundsatz durch einen Tarifvertrag nach § 8 Abs. 2 AÜG europarechtskonform und mithin wirksam sind. Kern des Streits war verkürzt gesagt die Frage, ob durch einen Tarifvertrag allein zulasten des Leiharbeitnehmers von den Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers des Entleihers abgewichen werden darf oder ob etwaige Abweichungen zulasten des Leiharbeitnehmers, z. B. aufgrund eines niedrigeren Gehalts, durch andere Vorteile für den Leiharbeitnehmer wieder ausgeglichen werden müssen, da nach der europäischen Richtlinie ein Gesamtschutz des Leiharbeitnehmers bei etwaigen für ihn negativen Abweichungen vom Gleichstellungsgrundsatz gewährleistet sein muss.

Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und der anschließenden aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) besteht insofern jetzt Rechtssicherheit. Die deutsche Praxis, die Regelungen des § 8 Abs. 2 AÜG und letztendlich etwaige niedrigere Gehälter des Leiharbeitnehmers nach den Tarifverträgen der Zeitarbeitsbranche halten einer gerichtlichen Überprüfung grundsätzlich stand. Die Tarifverträge der Zeitarbeitsbranche brauchen selbst keinen Ausgleich für etwaige negative Abweichungen für Leiharbeitnehmer von den Arbeitsbedingungen eines Stammmitarbeiters vorsehen. Vielmehr ist dieser Ausgleich bereits durch den gesetzlichen Rahmen des AÜG generell in Deutschland geschaffen worden, wo Leiharbeitnehmer – im Gegensatz zur Rechtslage in anderen Mitgliedstaaten – z. B. auch Entgelt für verleihfreie Zeiten erhalten.[4]

[1] Zu beachten ist, dass die festgesetzten Mindeststundenentgelte dabei nicht unterschritten werden, § 8 Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 3a Abs. 3 AÜG.
[2] Die Frage der Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit von Tarifparteien auf Gewerkschaftsseite hat gerade in der Leiharbeit in der Vergangenheit zu erheblichen Rechtsstreitigkeiten geführt. So wurde z. B. der Tarifgemeinschaft christlicher Gewerkschaften (CGZP) keine Tariffähigkeit zuerkannt, mit der Folge, dass die entsprechenden Tarifverträge unwirksam waren und es mithin durch diese keine wirksame Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz erreicht werden konnte.

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