Prof. Dr. jur. Tobias Huep
Als kampfweise Druckausübung nichtstaatlicher Beteiligter bedarf der Arbeitskampf bestimmter Grundsätze hinsichtlich Ziel und Durchführung. Arbeitskämpfe dürfen sich nur auf tariflich regelbare Ziele richten (Tarifbezogenheit). Damit sind die Erfüllung von Rechtsansprüchen oder die Klärung von Rechtsfragen als Gegenstand ausgeschlossen. Gewerkschaftliche Streiks, die der Unterstützung eines in einem anderen Tarifgebiet geführten Hauptarbeitskampfs dienen, unterfallen der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften. Die Zulässigkeit eines Unterstützungsstreiks richtet sich – wie bei anderen Arbeitskampfmaßnahmen – nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er ist rechtswidrig, wenn er zur Unterstützung des Hauptarbeitskampfs offensichtlich ungeeignet, offensichtlich nicht erforderlich oder unangemessen ist.
Ein Arbeitskampf kann außer dem Abschluss eines Tarifvertrags auch noch andere Ziele haben. Es muss sich aber immer um die Durchsetzung von Arbeitsbedingungen handeln, die einen kollektiven Charakter haben. Es ist also beispielsweise nicht möglich, Rechtsansprüche, die gegenüber dem Arbeitgeber bestehen, durch einen Arbeitskampf durchzusetzen oder einen Arbeitskampf zur Verwirklichung von politischen Zielen – Senkung der Steuer o. Ä. – zu führen.
Der Arbeitskampf muss von einer tariffähigen Koalition getragen werden und sich gegen einen tariffähigen Gegner richten. Allgemeine rechtliche Bindungen des Arbeitskampfs sind die Beachtung der Friedenspflicht (kein Arbeitskampf während der Laufzeit eines Tarifvertrags), kein Verstoß gegen das Gemeinwohl, das Gebot der Verhältnismäßigkeit und die Beachtung des Ultima-ratio-Prinzips. Dies erzwingt u. a. die vorherige Ausschöpfung aller sonstiger Verhandlungsmöglichkeiten, deren Feststellung jedoch erhebliche Probleme bereitet. Der Arbeitskampf unterliegt dem Gebot fairer Kampfführung, d. h. er darf nicht auf die wirtschaftliche Vernichtung des Kampfgegners zielen, i. Ü. ist aber der entstehende Kostendruck legitimes Kampfmittel, sodass etwa die Feiertagsunterbrechung zulässig ist. Schließlich ist die Arbeitskampfparität sicherzustellen, d. h. zwischen den Parteien eines Arbeitskampfs muss ein ungefähr materielles Kräftegleichgewicht bestehen, da nur so das im Tarifvertrag vermutete angemessene und richtige Ergebnis gewährleistet sein kann. Nach Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit ( "ein Betrieb, ein Tarifvertrag") durch das BAG konnte es zu zulässigen Arbeitskämpfen kommen, die von verschiedenen Gewerkschaften parallel oder zeitlich getrennt in einem Betrieb geführt werden.
Diese Rechtsprechung des BAG ist durch die gesetzliche Neujustierung des Tarifvertragsrechts in § 4a TVG wieder begrenzt worden. Danach ist ein Konkurrenzverhältnis (bezogen auf den identischen Geltungsbereich bei nicht inhaltsgleichen Tarifverträgen zwischen mehreren Tarifverträgen nach dem "Mehrheitsprinzip" aufzulösen: es gilt der Tarifvertrag der Gewerkschaft, die im Betrieb die meisten Mitglieder hat. Die Regelung führt jedoch nicht zu einem Arbeitskampfverbot der Minderheitsgewerkschaft; diese kann einen eigenen Tarifvertrag mit dem Arbeitgeber abschließen und erstreiken. Der Tarifvertrag wird jedoch nicht anwendbar, sondern vom Mehrheitstarifvertrag verdrängt. Schuldrechtliche Pflichten aus dem verdrängten Tarifvertrag bleiben weiter anwendbar – dies gilt etwa für die Friedenspflicht. Die Minderheitsgewerkschaft darf darüber hinaus während der Laufzeit ihres verdrängten Tarifvertrags nicht zum Streik aufrufen. Damit dürfte auch einer konkurrierenden Koalition die Befugnis zur im Zweifel kampfweisen Durchsetzung eines Tarifvertrags zustehen.
Die Regelung des § 4a TVG hielt der verfassungsgerichtlichen Überprüfung am Maßstab von Art. 9 Abs. 3 GG im Wesentlichen stand; lediglich die "Verdrängungsregelung" im ursprünglichen § 4a TVG war verfassungswidrig und wurde vom Gesetzgeber im Sinne der jetzt geltenden Regelung, die die Minderheitsinteressen berücksichtigt, abgelöst. .