Eine Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG darf erst durchgeführt werden, wenn zuvor ein Interessenausgleich mit dem Betriebsrat zustande gekommen ist oder das Verfahren bis zur Einigungsstelle ausgeschöpft ist. Führt der Insolvenzverwalter die Betriebsänderung vor Ablauf des vorgeschriebenen Verfahrens durch, haben die Arbeitnehmer Nachteilsausgleichsansprüche gemäß § 113 BetrVG, die einfache Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO sind.
Durch § 122 InsO wurde die Möglichkeit geschaffen, erforderliche Betriebsänderungen ohne das vorgenannte zeitraubende Verfahren durchzuführen. Danach kann der Insolvenzverwalter die Zustimmung des Arbeitsgerichts zur Durchführung der Betriebsänderung beantragen. Erteilt das Arbeitsgericht die Zustimmung, werden Nachteilsausgleichsansprüche der Arbeitnehmer ausgeschlossen.
3.2.1 Verfahren
Können durch die Betriebsänderung wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder für erhebliche Teile der Belegschaft eintreten, so wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausgelöst. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats besteht nur in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern. Der Insolvenzverwalter hat den Betriebsrat über eine geplante Betriebsänderung rechtzeitig zu informieren. Daraufhin haben zwischen Betriebsrat und Insolvenzverwalter Beratungen zur Verständigung über die Durchführung der geplanten Änderung stattzufinden. Ziel ist es, den sog. Interessenausgleich zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat herbeizuführen (§ 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Es muss eine Einigung z. B. darüber erzielt werden, ob, wann und in welcher Weise der Betrieb stillgelegt wird, wie die Personalplanung erfolgt, wie der Betrieb organisiert werden soll. Zum Interessenausgleich gehört daher, ob Arbeitnehmer entlassen, versetzt oder umgeschult werden. Davon zu unterscheiden sind die einzelnen Maßnahmen, die zur Durchführung der Einigung notwendig sind. Hinsichtlich dieser einzelnen Maßnahmen hat der Betriebsrat wiederum ein Mitbestimmungsrecht. Hat der Betriebsrat der Stilllegung des Betriebs zugestimmt, so kann er sich im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG gegen die Kündigung eines bestimmten Arbeitnehmers wehren, es sei denn, im Interessenausgleich wurden bereits bestimmte Arbeitnehmer, die entlassen werden sollen, bezeichnet. Es ist möglich, bereits im Interessenausgleich eine Richtlinie für die Sozialauswahl zu treffen. Es bedarf dann dennoch einer Auswahl im Einzelfall.
Kommt es zu einem Interessenausgleich, so ist dieser schriftlich niederzulegen und vom Insolvenzverwalter und Betriebsrat zu unterschreiben.
3.2.2 Anrufung der Einigungsstelle
Kommt der Interessenausgleich nicht zustande, kann der Insolvenzverwalter oder der Betriebsrat den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersuchen (§ 112 Abs. 2 Satz 1 BetrVG).
Wird von einer Einschaltung des Vorstands abgesehen oder bleibt sein Vermittlungsversuch ergebnislos, kann jede Partei gemäß dem bisherigen § 112 Abs. 2 Satz 2 BetrVG die Einigungsstelle anrufen. Gemäß § 121 InsO wird § 112 Abs. 2 BetrVG dahin abgeändert, dass der Vermittlungsversuch nur bei einem übereinstimmenden Ersuchen von Verwalter und Betriebsrat stattfindet. Beide Parteien sind berechtigt, nach einem Scheitern der Verhandlungen über einen Interessenausgleich oder einen Sozialplan unmittelbar die Einigungsstelle anzurufen.
Kommt es zu einer Einigung, über die der Betriebsrat einen Beschluss zu fassen hat, so ist sie schriftlich niederzulegen und von den Parteien zu unterschreiben.
Weicht der Insolvenzverwalter von einem Interessenausgleich über eine geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, können diejenigen Arbeitnehmer, die infolge der Abweichung entlassen werden, Klage auf Abfindung erheben (§ 113 Abs. 1 BetrVG).