3.3.1 Schriftform oder Textform?
Bisher sah der Gesetzgeber den Nachweis als so wichtig an, dass wirksame Nachweise nur unter Wahrung der Schriftform (mit Originalunterschrift) nach § 126 Abs. 1 BGB erteilt werden konnten. Die elektronische Form (§ 126a BGB) war ausgeschlossen.
Die Richtlinie 2019/1152/EU war hier schon moderner, indem sie in ihrem 24. Erwägungsgrund ausführte: "Im Hinblick auf den verstärkten Einsatz von digitalen Kommunikationsmitteln können die Informationen, die nach dieser Richtlinie schriftlich zur Verfügung zu stellen sind, auf elektronischem Wege übermittelt werden." Zum 1.1.2025 stellt der Gesetzgeber in begrenztem Umfang die Möglichkeit zur Verfügung, den Nachweis elektronisch zu erteilen. Dies soll vor allem die Digitalisierung der Personalabteilungen erleichtern, ohne die Funktion des Nachweises zu schmälern. Ob damit die erwartete Entlastung von bürokratischen Vorgaben erreicht werden kann, erscheint im Hinblick auf die komplexe Regelungstechnik und die umfangreichen Ausnahmen zweifelhaft.
3.3.2 Schriftform als gesetzlicher Normalfall
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die für das Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Vertragsbedingungen
- in einer Urkunde schriftlich niederzulegen,
- diese eigenhändig zu unterzeichnen und
- dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Diese Vorgehensweise ist auch ab 1.1.2025 noch immer der gesetzliche Normalfall.
3.3.3 Textform
Insbesondere die strenge Schriftform war bereits im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren des Jahres 2022 sowohl von der Opposition als auch von den Sachverständigen und Verbänden teilweise kritisiert worden.
Während der Gesetzgeber sich 2022 noch nicht dazu durchringen konnte, auf das Schriftformerfordernis zu verzichten, tritt zum 1.1.2025 die Textform als zusätzliche Möglichkeit für viele Wirtschaftszweige hinzu. Diese ist primär in § 2 Abs. 1 Satz 2-6 NachwG geregelt. Die Regelung dürfte nicht gegen europäisches Recht verstoßen. Das Regressionsverbot nach Art. 20 Abs. 1 der RL 2019/1152/EU verbietet zwar eine Absenkung des nationalen Schutzniveaus, selbst wenn das europäische Recht an sich ein niedrigeres Schutzniveau zuließe. War dies 2022 noch teilweise als Hindernis für eine Absenkung des Formerfordernisses angesehen worden, begnügt sich der Gesetzgeber nunmehr mit dem Hinweis auf Art. 3 Satz 2 der Richtlinie, welcher die Textform zulässt. Im Ergebnis dürfte das Regressionsverbot tatsächlich nicht beeinträchtigt sein, da nicht etwa die Richtlinie als Begründung für die Absenkung des Formerfordernisses herangezogen wird, sondern das Bedürfnis der Arbeitgeber, Bürokratiekosten einzusparen.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 NachwG kann der Nachweis ab 1.1.2025 in Textform erstellt und elektronisch übermittelt werden, sofern das Dokument für den Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Übermittlung auffordert, einen Empfangsnachweis zu erteilen. Für die Praxis bedeutet dies, dass es im Normalfall genügt, dem Arbeitnehmer den Nachweis über die (mündlich) vereinbarten Vertragsbedingungen als pdf-Dokument per E-Mail zu übersenden und ihn aufzufordern, kurz – ebenfalls per E-Mail – zu bestätigen, dass er das Dokument erhalten habe. Ein inhaltliches Einverständnis mit dem Inhalt des Dokuments kann nicht verlangt und muss nicht erklärt werden, da es nur um die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers geht, die aus seiner Sicht bestehenden Arbeitsbedingungen transparent zu machen.
Für diejenigen Wirtschaftszweige, die in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannt sind, ändert sich allerdings nichts. Hier gilt weiterhin das Schriftformerfordernis. Für eine große Anzahl von Arbeitgebern gibt es folglich keine "Entlastung von Bürokratie".
Die Branchen, für die weiterhin die Schriftform für den Nachweis gilt, sind:
1. Baugewerbe 2. Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe 3. Personenbeförderungsgewerbe 4. Speditions-, Transport- und damit verbundene Logistikgewerbe 5. Schaustellergewerbe 6. Unternehmen der Forstwirtschaft 7. Gebäudereinigungsgewerbe 8. Unternehmen, die sich am Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen 9. Fleischwirtschaft 10. Prostitutionsgewerbe 11. Wach- und Sicherheitsgewerbe
3.3.4 Anspruch auf schriftlichen Nachweis trotz vorheriger Erteilung in Textform
Selbst wenn der Arbeitgeber einen Nachweis in Textform nach § 2 Abs. 1 Satz 2 NachwG erteilt, kann der Arbeitnehmer gleichwohl einen Nachweis in der strengen Schriftform nach § 2 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Satz 1 NachwG verlangen. Hierfür gelten dann die oben geschilderten Voraussetzungen.
Der Arbeitnehmer kann auch dann einen schriftlichen Nachweis verlangen, wenn nicht rechtzeitig überhaupt ein Nachweis erteilt wurde.
3.3.5 Weitere Regelungen
Besonderheiten bei den vertraglichen Vereinbarungen mit ausländischen Arbeitnehmern bestehen nicht. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, den Nachweis in der jeweiligen Landessprache des Arbeitn...