Dr. Madelaine Isabelle Baade
In Zusammenhang mit vertraglich vereinbarten Schriftformerfordernissen (gewillkürte Schriftform i. S. d. § 126 BGB) ist zunächst zwischen sog. deklaratorischen und sog. konstitutiven Schriftformklauseln zu unterscheiden:
Hat eine Schriftformklausel konstitutive Wirkung, so bedeutet dies, dass ihre Missachtung gemäß § 125 Satz 2 BGB zur Nichtigkeit des Vertrags führt. Als deklaratorisch wird eine Schriftformklausel hingegen bezeichnet, wenn sie der einen Vertragspartei gegenüber der anderen lediglich einen Anspruch auf die schriftliche Dokumentation einer mündlich getroffenen Abrede geben soll. In diesem Fall ist die Schriftformklausel lediglich als Anspruchsgrundlage für die Durchsetzung der schriftlichen Dokumentation zu verstehen, welche die Rechtswirksamkeit der mündlich getroffenen Abrede als solche nicht infrage stellt. Die rechtsgeschäftlich vereinbarte Formvorschrift hat nach § 125 Satz 2 BGB aber nur im Zweifel die Nichtigkeit des mündlich Vereinbarten zur Folge. Diese Einschränkung des Gesetzes ermöglicht den Einwand, dem vereinbarten Schriftformerfordernis habe im konkreten Fall gerade nicht eine konstitutive, sondern lediglich eine abgeschwächte, sog. deklaratorische Wirkung zukommen sollen.
Darlegungs- und Beweislast beachten
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) geht davon aus, dass es sich bei der Klausel "Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrags bedürfen der Schriftform" und ähnlichen Formulierungen um konstitutive Klauseln handelt, weil durch sie die Arbeitsvertragsparteien vor übereilten Änderungsverträgen bewahrt, schleichende Vertragsänderungen vermieden und vorgenommene Vertragsänderungen beweiskräftig festgestellt werden sollen. Ausgehend von dieser Vermutung legt das BAG der Partei, die eine vom Regelfall abweichende Zwecksetzung des vereinbarten Schriftformzwangs verficht, die Darlegungs- und Beweislast für ihre Behauptung auf.
Wenn unter dem Eindruck dieser Rechtsprechung also regelmäßig von der konstitutiven Wirkung typischer Schriftformklauseln auszugehen ist, so ist im Einzelfall gleichwohl zu prüfen, ob die Parteien die vertragliche Vereinbarung über die Schriftform nicht ganz oder teilweise wieder einvernehmlich aufgehoben haben. Denn bei vertraglich vereinbarten Schriftformklauseln steht es den Parteien frei, im Rahmen einer Vertragsänderung zugleich auch den Schriftformzwang aufzuheben. Diese Aufhebung braucht nicht ausdrücklich zu geschehen; es genügt auch eine stillschweigende Einigung. Seit der Ausweitung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge ist § 305b BGB zu beachten. Danach haben individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Unerheblich ist dabei, ob die Individualvereinbarung ausdrücklich oder stillschweigend getroffen wurde.
Das gilt sogar dann, wenn die Parteien bei Abschluss der an sich formbedürftigen Vereinbarung nicht an die Schriftformklausel gedacht haben. Durch den Vorrang der Individualabrede nach § 305b BGB gilt dies auch für sog. doppelte Schriftformklauseln. Mit der doppelten Schriftformklausel wird nicht nur die Vertragsänderung von der Schriftform abhängig gemacht, sondern auch die Änderung der Schriftformklausel ihrerseits. Konsequenz des Vorrangs der Individualabrede ist allerdings nicht, dass die Schriftformklausel unwirksam ist. § 305b BGB bewirkt lediglich, dass die Individualabrede trotz gegenteiliger Vorgabe im Rahmen des Arbeitsvertrags Inhalt des Arbeitsvertrags werden kann.
Die Unterschiede zwischen der einfachen und der doppelten Schriftformklausel zeigen sich deutlich, falls Streit über eine betriebliche Übung aufkommt:
Eine einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrags der Schriftform bedürfen, kann die Entstehung einer betrieblichen Übung nicht verhindern, denn die in der betrieblichen Übung liegende Vereinbarung hebelt zugleich die Schriftformklausel aus. Eine doppelte Schriftformklausel kann demgegenüber nicht formlos, also auch nicht durch betriebliche Übung abbedungen werden.
Mit den §§ 126a und 126b BGB hat der Gesetzgeber neben der Schriftform zwei weitere Formvarianten, nämlich die elektronische Form und die sog. Textform eingeführt. Während es sich bei der elektronischen Form um einen Unterfall der Schriftform i. S. d. § 126 BGB handelt, die lediglich im Hinblick auf die elektronische Kommunikation und Dokumentation besondere Anforderungen definiert, stellt die sog. Textform des § 126b BGB einen eigenständigen neuen Formtypus dar, dessen Kennzeichen es ist, dass die Erklärung zwar auf irgendeine Weise lesbar dokumentiert, auf eine eigenhändige Unterzeichnung aber verzichtet wird. Von der Textform hat der Gesetzgeber im Arbeitsrecht z. B. bei § 613a Abs. 5 BGB Gebrauch gemacht. Beide Formen können natürlich auch vertraglich vereinbart werden. Haben die Vertragspartner keine eigenen Anforderungen an die jeweiligen Formen im Vertrag definiert, dann gelten gemäß § 127 Abs. 1 BGB im Zweifel die Anforderungen des Gesetzes.
Schriftform einhalten
Während zur Erfüllung der ...