Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung einer Sonderzahlung in Bezug auf die Corona-Pandemie
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine Rückzahlungspflicht für eine Sonderzahlung in Bezug auf die Corona-Pandemie in Höhe von 550,– EUR bei einer Bindungsdauer von zwölf Monaten vorsieht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, unwirksam (s. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB).
2. Ferner ist eine solche Rückzahlungsklausel nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, wenn mit ihr zumindest auch erbrachte Arbeitsleistung honoriert werden soll. Ein Indiz hierfür ist, wenn die Sonderzahlung „einmalig steuerfrei in Bezug auf die Corona-Pandemie” gezahlt wird.
Die Entscheidung erging auf Antrag beider Parteien nach § 55 Abs. 3 ArbGG unmittelbar nach der Güteverhandlung durch den Vorsitzenden. Auf den Tatbestand wurde nach den §§ 313a Abs. 1 S. 1, 495 ZPO iVm § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG verzichtet.
Normenkette
BGB § 611a Abs. 2, § 307 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 550,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 07.05.2021 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 550,00 EUR festgesetzt.
4. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Gründe
Rz. 1
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Vergütung in Höhe von 550,00 EUR für die Monate März und April 2021 aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 15.06.2020.
Rz. 2
Das zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestand und der Kläger einen Vergütungsanspruch aus dem Arbeitsvertrag i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB für die Monate März und April 2021 hat, steht zwischen den Parteien nicht in Streit.
Rz. 3
Der Anspruch des Klägers ist auch nicht nach § 389 BGB durch Aufrechnung der Beklagten mit einem Gegenanspruch in Höhe von 550,00 EUR netto erloschen.
Rz. 4
Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil nach § 387 BGB seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Die Aufrechnung erfolgt nach § 388 Satz 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Sie bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§ 389 BGB). Für eine wirksame Aufrechnung bedarf es daher einer Aufrechnungserklärung nach § 388 Satz 1 BGB, einer Aufrechnungslage nach § 387 BGB und die Aufrechnung darf nicht nach den §§ 390 ff. BGB ausgeschlossen sein.
Rz. 5
Abgesehen von der Frage, ob in der Verrechnung der Beklagten mit dem Vergütungsanspruch des Klägers für März und April 2021 überhaupt eine stillschweigende Aufrechnungserklärung nach § 388 Satz 1 BGB gesehen werden kann, und der Frage, ob die Aufrechnung nach § 394 Satz 1 BGB i.V.m. den §§ 850 Abs. 1, Abs. 2, 850c, 850e ZPO (Pfändungsfreigrenzen) ausgeschlossen ist, fehlt es jedenfalls an einem aufrechenbaren Gegenanspruch der Beklagten und damit einer Aufrechnungslage (s. § 387 BGB). Die Beklagte hat nämlich keinen Anspruch auf Rückzahlung der von ihr mit der Vergütung für November 2020 an den Kläger ausgezahlten Sonderzahlung in Höhe von 550,00 EUR netto.
Rz. 6
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 5 Ziffer 7 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 15.06.2020. Scheidet ein Mitarbeiter binnen zwölf Monate, gerechnet nach Ausstellungsdatum der Kündigung, nach Gewährung von freiwilligen Zuwendungen auf eigenes Verlangen ohne schuldhaftes Verhalten der Einrichtung oder wegen eines Grundes aus, der zur fristlosen Entlassung geführt hat oder berechtigt hätte, so kann nach § 5 Ziffer 7 des Arbeitsvertrags die Einrichtung die freiwilligen Zuwendungen zurückverlangen, es sei denn, die gesamten Zuwendungen übersteigen nicht den Betrag in Höhe von 50,00 EUR.
Rz. 7
Diese Regelung ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Rz. 8
Danach sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Bei den arbeitsverträglichen Regelungen handelt es sich um Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind und die eine Vertragspartei (hier die Beklagte) der anderen (dem Kläger) bei Abschluss des Vertrages stellt und damit nach den §§ 305 Abs. 1 Satz 1, 310 Abs. 3 BGB um allgemeine Geschäftsbedingungen. Die von der Beklagten gewährte Sonderzahlung übersteigt einen Betrag in Höhe von 100,00 EUR, liegt aber unterhalb einer Monatsvergütung. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, benachteiligt eine Rückzahlungsverpflichtung den Vertragspartner im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, wenn sie in einem solch...