Rz. 22
Die Wartezeit ist lediglich einmal zurückzulegen. Danach entsteht der volle Urlaubsanspruch zum 1.1. des jeweils neuen Kalenderjahres. Dementsprechend ist es auch richtig, bei einem Arbeitnehmer, der die Wartezeit zumindest im vergangenen Kalenderjahr zurückgelegt hat, und nunmehr vor dem 30.6. des neuen Kalenderjahres ausscheidet, im Rahmen des § 5 Abs. 1c BUrlG nicht von einem Teilurlaubsanspruch zu sprechen, sondern von gekürztem Vollurlaub. Denn dieser Arbeitnehmer hatte mit Beginn des 1.1. des laufenden Kalenderjahres seinen vollen Urlaubsanspruch nach §§ 1, 3 BUrlG erworben, unabhängig davon, dass am 1.1. regelmäßig noch nicht absehbar ist, ob er das ganze Jahr im Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber stehen wird oder vorzeitig ausscheidet.
Vor Ablauf der Wartezeit entsteht der volle Urlaubsanspruch deshalb nicht. Er ist auch nicht aufschiebend bedingt. Erfüllt der Arbeitnehmer die Wartezeit im Kalenderjahr nicht, kommen nur Teilurlaubsansprüche in Betracht (§ 5 Abs. 1a oder b BUrlG).
Rz. 23
Der Vollurlaubsanspruch nach §§ 1, 3 BUrlG entsteht nur, wenn das Arbeitsverhältnis während der Wartezeit rechtlich ununterbrochen fortbesteht.
Ein Arbeitnehmer tritt am 1.3.2020 in ein Arbeitsverhältnis ein und kündigt dieses zum 14.5.2020. 3 Tage später bereut er seinen Schritt und geht erneut auf den Arbeitgeber zu, der ihn ab dem Folgetag, dem 18.5.2020, wieder einstellt. Ab dem 18.5.2020 läuft die Wartezeit des § 1 BUrlG erneut, sodass sie erst mit Ablauf des 17.11.2020 endet. Die Zeit vom 1.3 bis 14.5.2020 wird hierauf nicht angerechnet.
Etwas anderes gilt aber, wenn die Arbeitsvertragsparteien vor Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses vereinbaren und nur eine kurzfristige Unterbrechung eintritt (z. B.: Ende des ersten Arbeitsverhältnisses am 30.6.2020, Beginn des am 21.6.2020 vereinbarten neuen am 2.7.2020). Beide Arbeitsverhältnisse sind urlaubsrechtlich als Einheit zu betrachten. Es entsteht deshalb ein Anspruch auf Vollurlaub, wenn das zweite Arbeitsverhältnis in der zweiten Hälfte des Kalenderjahres endet und der Arbeitnehmer mit seiner Gesamtbeschäftigungsdauer die sechsmonatige Wartezeit des § 4 BUrlG erfüllt hat.
Als Unterbrechung ist es auch nicht anzusehen, wenn ein Arbeitsverhältnis zunächst befristet war und sodann "nahtlos", das heißt ohne zeitliche Differenz, erneut befristet oder unbefristet weitergeführt wird. Dasselbe gilt auch beim Übergang vom Ausbildungs- zum Arbeitsverhältnis. Wird ein Arbeitnehmer unregelmäßig zur Arbeit herangezogen (z. B. ein Student, der immer in den Semesterferien arbeitet), sind die einzelnen Arbeitsverhältnisse grundsätzlich nicht zusammenzurechnen, es sei denn, die Parteien vereinbaren dies oder die Beschäftigung beruht auf einem Abrufarbeitsverhältnis nach § 12 TzBfG. Dann besteht ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis, aufgrund dessen zu Jahresbeginn nach Ablauf der Wartezeit der volle Urlaubsanspruch entsteht.