Rz. 64
Mit der Festsetzung der Arbeitsbefreiung zum Zweck des Erholungsurlaubs nimmt ein Arbeitgeber als Schuldner die ihm obliegende erforderliche Leistungshandlung vor. Die Freistellung muss unwiderruflich sein, auch wenn es nicht erforderlich ist, dass der Arbeitgeber bei der Urlaubserteilung ausdrücklich die Unwiderruflichkeit der Befreiung von der Arbeitspflicht hervorhebt. Ausreichend ist, dass er den Leistungszeitraum bestimmt, in dem der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erfüllt werden soll, und diesen dem Arbeitnehmer mitteilt. Innerhalb des Zeitraums müssen Beginn und Ende des Urlaubs nicht konkret bestimmt werden, es sei denn es liegen berechtigte Interessen des Arbeitnehmers vor.
Urlaubserteilung im Rahmen einer Abwicklungsvereinbarung oder eines Aufhebungsvertrags
Häufig werden nach Kündigungen Vereinbarungen über die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses getroffen. Für den Lauf der Kündigungsfrist kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer "unter Anrechnung aller bestehenden Urlaubsansprüche bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezahlt freigestellt wird" (vgl. auch Rz. 56 Beispiel). Das genügt als Erklärung des Arbeitgebers, um den Urlaub wirksam festzusetzen. Der konkreten Festsetzung von Beginn und Ende des Urlaubs innerhalb des Freistellungszeitraums bedarf es nicht. Eine solche Vereinbarung kann aber Vorteile bieten. Eine Urlaubserteilung ohne Festlegung des Urlaubszeitraums ist nämlich dann problematisch, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Kündigungsfrist außerordentlich kündigt oder der Arbeitnehmer in einem anderen Arbeitsverhältnis zeitweise anrechenbaren Verdienst erzielt. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung oder Aufnahme der anderen Tätigkeit seinen Urlaub schon genommen hat.
Aus Gründen der unionsrechtskonformen Anwendung des Bundesurlaubsgesetzes ist neben der Freistellungsklärung auch die Zahlung der Vergütung vor Antritt des Urlaubs oder jedenfalls deren vorbehaltlos Zusage als notwendigen Bestandteil der wirksamen Urlaubsgewährung nötig.
Rz. 65
Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub selbst hat ausschließlich die Freistellung von der Arbeitspflicht und die Zahlung des Urlaubsentgelts zum Gegenstand. Hierauf ist die Erfüllungshandlung des Arbeitgebers bezogen. Einen darüber hinausgehenden "Urlaubserfolg" schuldet er dem Arbeitnehmer nicht. Die der Urlaubsgewährung nachfolgenden urlaubsstörenden Ereignisse fallen als Teil des persönlichen Lebensschicksals grundsätzlich in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers. Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers geht in einem solchen Fall nicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB nachträglich ersatzlos unter. Es bleibt vielmehr bei der bezahlten Freistellung zum Zweck der Gewährung des bezahlten Jahresurlaubs. Krankenhausaufenthalte, chirurgische Operationen, der Tod eines nahen Angehörigen, Erfüllung gewerkschaftlicher Vertretungsfunktionen oder Mitwirkungshandlungen gegenüber der Agentur für Arbeit, die den Bezug von Arbeitslosengeld gewährleisten sollen, stehen der Erfüllung des Urlaubsanspruchs daher nicht entgegen. Nur soweit der Gesetzgeber oder die Tarifvertragsparteien besondere urlaubsrechtliche Nichtanrechnungsregelungen, wie z. B. § 9 BUrlG für den Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs, vorgesehen haben, sind die allgemeinen Gefahrtragungsregelungen des BGB nicht anzuwenden (s. auch Rz. 14).
Quarantäne und Urlaub
Nach § 59 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in der ab dem 17.9.2022 geltenden Fassung werden Tage der Absonderung nach § 30, auch i. V. m. § 32 IfSG oder nach einer aufgrund § 36 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 erlassenen Rechtsverordnung ("Quarantäne") nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Damit ist nur noch für die vor diesem Zeitpunkt liegenden Sachverhalte offen gewesen, wie sich die Absonderungsanordnung (Quarantäne) auf erteilten Urlaub auswirkt. Für den Fall, dass sich der Arbeitnehmer tatsächlich infiziert hat, dürfte § 9 BUrlG anzuwenden sein. Insofern hat das BAG entschieden, dass eine SARS-CoV-2-Infektion auch bei einem symptomlosen Verlauf eine Krankheit nach § 3 Abs. 1 EFZG darstellt, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, wenn es dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich ist, die geschuldete Tätigkeit bei dem Arbeitgeber zu erbringen und eine Erbringung in der häuslichen Umgebung nicht in Betracht kommt. Einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bedurfte es nicht. Der Arzt hatte sich vielmehr sogar geweigert, im Hinblick auf ein positives Testergebnis sowie die Absonderungsanordnung eine solche auszustellen.
Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der Arbeitnehmer sich nicht selbst infiziert hat, sondern die Absonderungsanordnung erfolgt ist, weil er Kontakt zu einer infizierten Person hatte. Der EuGH hat diese Frage nun auf einen Vorlagebeschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 17.3.2022 beantwortet. Danach steht die Anor...