Rz. 114
Nach § 165 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, wenn ihnen bei Insolvenzeröffnung (§ 165 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) für die vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses Ansprüche auf Arbeitsentgelt zustehen. Das Gleiche gilt, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen wird (§ 165 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) oder die Betriebstätigkeit des Arbeitgebers im Inland vollständig beendet wird, kein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 SGB III).
9.6.1 Urlaubsentgelt
Rz. 115
Da es sich beim Urlaubsentgelt um einen Anspruch auf Arbeitsentgelt handelt, kommt Insolvenzgeld in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer gegenüber dem insolventen Arbeitgeber Ansprüche auf Urlaubsentgelt zustehen.
Variante 1
Das Insolvenzverfahren wird am 1.10.2023 durch Beschluss des zuständigen Amtsgerichts eröffnet. Das Arbeitsverhältnis zwischen Schuldner (= Arbeitgeber) und Arbeitnehmer besteht unbeendet fort. Der Arbeitnehmer hatte in der Zeit vom 15.8.2023 bis 2.9.2023 Urlaub. Der Schuldner hat jedoch den Urlaubsentgeltanspruch bislang nicht erfüllt.
Variante 2
Das Insolvenzverfahren wird am 1.10.2023 durch Beschluss des zuständigen Amtsgerichts eröffnet. Das Arbeitsverhältnis zwischen Schuldner (= Arbeitgeber) und Arbeitnehmer endete bereits zum 31.8.2023. Der Arbeitnehmer hatte in der Zeit vom 15.6.2023 bis 30.6.2023 Urlaub. Der Schuldner hat den Urlaubsentgeltanspruch bislang nicht erfüllt.
Lösung
In beiden Fällen entstand der Anspruch auf Urlaubsentgelt – sowie auf ein gegebenenfalls zusätzlich zu zahlendes Urlaubsgeld, noch zur Vorgängerregelung des § 141b AFG) – im Insolvenzgeldzeitraum des § 165 Abs. 1 SGB III: Der Urlaub wurde jeweils in den letzten 3 Monaten des Arbeitsverhältnisses vor Insolvenzeröffnung genommen, § 165 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Wird das Arbeitsverhältnis wie in Variante 2 vor der Insolvenzeröffnung beendet, sind die letzten 3 Monate des bestandenen Arbeitsverhältnisses maßgeblich. Der Arbeitnehmer hat deshalb in beiden Varianten Anspruch auf Insolvenzgeld.
9.6.2 Urlaubsabgeltung
Rz. 116
Ansprüche auf Urlaubsabgeltung begründen keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. § 166 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ist eindeutig. Danach hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Insolvenzgeld für Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist ein Anspruch, der wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht (§ 7 Abs. 4 BUrlG). Dasselbe gilt für den in Geld abzugeltenden Schadensersatzanspruch.
9.6.3 Urlaubsgeld
Rz. 117
Ob ein Anspruch auf Urlaubsgeld dem Insolvenzgeld-Zeitraum zugeordnet werden kann, hängt maßgeblich davon ab, wann das Arbeitsentgelt erarbeitet worden ist. Ausschlaggebend sind insoweit der arbeitsrechtliche Entstehungsgrund und die Zweckbestimmung der Leistung ("Erarbeitungsprinzip"):
Wird das Urlaubsgeld als eine über das Urlaubsentgelt hinausgehende akzessorische Arbeitgeberleistung für die Dauer des Urlaubs gewährt, mit der urlaubsbedingte Mehraufwendungen ausgeglichen werden sollen und ist es deshalb als Teil der Urlaubsvergütung ausgestaltet, so ist es nur zu zahlen, wenn tatsächlich Urlaub gewährt wird und ein Anspruch auf Urlaubsvergütung besteht. In diesem Fall ist das Urlaubsgeld auch insolvenzgeldrechtlich nur zu berücksichtigen, soweit es für die Zeit der Urlaubstage in den letzten 3 Monaten vor dem Insolvenzereignis – d. h. der Insolvenzeröffnung – vom Arbeitgeber zu zahlen gewesen wäre.
Wird das zusätzliche Urlaubsgeld dagegen urlaubsunabhängig gezahlt, ist es wie jede andere zusätzliche jährliche Sonderzuwendung (z. B. Weihnachtsgeld etc.) nur dann berücksichtigungsfähig, wenn es sich ganz oder anteilig den dem Insolvenzereignis vorausgehenden 3 Monaten zurechnen lässt. Arbeitsvertragliche Vereinbarungen bzw. Regelungen, die bei vorherigem Ausscheiden des Arbeitnehmers – d. h. vor dem Fälligkeitszeitpunkt – einen zeitanteiligen Anspruch vorsehen, begründen dementsprechend einen Insolvenzgeldanspruch in Höhe des auf den Insolvenzgeldzeitraum entfallenden Anteils. Lässt sich die Sonderzuwendung nicht in dieser Weise einzelnen Monaten zurechnen, ist sie in voller Höhe bei dem Insolvenzgeld zu berücksichtigen, wenn der Stichtag, zu dem die Zahlung im bestehenden Arbeitsverhältnis hätte erfolgen müssen, im Insolvenzgeldzeitraum liegt. Ist dies jedoch nicht der Fall, findet die Sonderzuwendung überhaupt keine Berücksichtigung. Bloße Fälligkeitsvereinbarungen ohne Veränderung des Rechtsgrunds können eine Änderung des Stichtags und damit eine Änderung der zeitlichen Zuordnung der Sonderzuwendung nicht her...