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Voraussetzung für die Nichtanrechnung des Urlaubs ist, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt. Weder der Begriff der "Arbeitsunfähigkeit" noch der Begriff der "Krankheit" ist im BUrlG definiert. Eine Krankheit im Sinne des Gesetzes ist anzunehmen, wenn ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand vorliegt, der einer Heilbehandlung bedarf. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit entspricht dem Begriff des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG). Danach ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder objektiv nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert wird.
Erforderlich ist die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein wegen der Pflege eines erkrankten Kindes nicht zweckentsprechend genutzter Urlaub rechtfertigt nicht die analoge Anwendung des § 9 BUrlG. Es fehlt insoweit bereits an dem für den Analogieschluss erforderlichen Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke.
Der Gesetzgeber hat nach der im Jahr 1989 erfolgten Einführung des in § 45 SGB V geregelten Krankengelds bei Erkrankung eines Kindes das BUrlG mehrfach geändert, ohne den Text des § 9 BUrlG zu verändern. Hätte er dessen Anwendungsbereich auch auf die Erkrankung eines Angehörigen ausdehnen wollen, hätte es nahegelegen, dies durch eine Änderung des Wortlauts des § 9 deutlich zu machen, was nicht geschehen ist.
Arbeitsunfähig infolge Krankheit ist der Arbeitnehmer, wenn ein Krankheitsgeschehen ihn außerstande setzt, die ihm nach den Arbeitsvertrag obliegende Arbeit zu verrichten, oder wenn er die Arbeit nur unter der Gefahr fortsetzen könnte, in absehbarer naher Zeit seinen Zustand zu verschlimmern. Das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit ist aber nicht daran zu messen, ob sich der Arbeitnehmer trotz der Krankheit erholen könnte. Die Befreiung von der vertraglich geschuldeten Arbeitspflicht zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmer zumindest für die Dauer des Urlaubs noch eine ihm aus dem Arbeitsverhältnis obliegende Arbeitsleistung erbringen kann. Die Arbeitsfähigkeit bestimmt sich dabei nicht zwingend nach dem zuletzt eingenommenen Arbeitsplatz. Der Urlaubsanspruch ist auch dann erfüllbar, wenn der Arbeitnehmer andere Arbeitsleistungen hätte erbringen können, welche der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag als vertragsgemäß hätte annehmen müssen. Deshalb ist der Arbeitgeber verpflichtet, im Rahmen seines Weisungsrechts, die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers auf die diesem gesundheitlich mögliche Arbeitsleistung zu konkretisieren. Die Seedienstuntauglichkeit steht der Möglichkeit der Befreiung von der Arbeitspflicht als nautischer Offizier/Kapitän entgegen. Gleiches gilt für die Frage der Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs eines Piloten während bestehender Fluguntauglichkeit. Im Rahmen von § 9 BUrlG gilt nach der hier vertretenen Auffassung wegen der von § 3 Abs. 2 EFZG angeordneten Fiktion auch die Arbeitsverhinderung infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs als Arbeitsunfähigkeit aufgrund Erkrankung. Wird die Sterilisation oder der Schwangerschaftsabbruch im Urlaub vorgenommen, kann Nachgewährung des Urlaubs verlangt werden. Wird die Beschäftigung nach Urlaubserteilung durch ein Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz unmöglich, besteht allerdings kein Anspruch auf Nachgewährung des Urlaubs. Schwangerschaft ist keine Krankheit, die zur Arbeitsunfähigkeit führt. Wird die Beschäftigung nach Urlaubserteilung durch ein Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz unmöglich, besteht kein Anspruch auf Nachgewährung des Urlaubs. Eine entsprechende Anwendung von § 9 BUrlG scheidet nach Auffassung des BAG aus, weil ein Beschäftigungsverbot nicht mit einer Krankheit vergleichbar ist. Dies dürfte auch unionsrechtlich unproblematisch sein. Der vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) aufgestellte Grundsatz, dass der Arbeitnehmer die tatsächliche Möglichkeit der Inanspruchnahme des Urlaubs haben müsse, schließt nur dann ein Zusammenfallen von Erholungsurlaub und einem anderen Zeitraum aus, soweit der andere Ruhenszeitraum von einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung erfasst wird.
Nach § 24 Satz 2 MuSchG kann die Arbeitnehmerin den vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhaltenen Erholungsurlaub auch noch nach Ablauf der Fristen im laufenden Jahr oder im Folgejahr in Anspruch nehmen. Die Bestimmung regelt nicht nur das für das Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG maßgebliche Urlaubsjahr, sondern auch die Unvereinbarkeit von Urlaub und einer (vollständigen) Arbeitsbefreiung infolge mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote mit der Folge, dass das Risiko der Leistungsstörung durch ein in den zuvor festgelegten Urlaubszeitraum fallendes Beschäftigungsverbot dem Arbeitgeber zugewiesen wird. § 24 Satz 2 MuSchG enthält eine insoweit den Rechtswirkungen d...