Der unbestimmte Rechtsbegriff "wichtiger Grund" für eine außerordentliche Kündigung wird vom Bundesarbeitsgericht dann angenommen, wenn dem einen Vertragsteil nicht zugemutet werden könne, unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben das Arbeitsverhältnis mit dem anderen Vertragsteil weiter fortzuführen, und zwar auch nicht bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder die Dauer des Zeitraums bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann danach Einfluss darauf haben, ob ein Kündigungsgrund ausreichend ist, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Lange Kündigungsfristen
Für Arbeitsverhältnisse mit langen Kündigungsfristen kann die Zumutbarkeitsprüfung in Ausnahmefällen zu dem überraschenden Ergebnis führen, dass die außerordentliche Kündigung leichter möglich ist als bei Arbeitsverhältnissen mit kurzen Kündigungsfristen. Allerdings sind Grund, Sinn und Zweck der längeren Kündigungsfrist und der jeweilige Kündigungsgrund gegeneinander abzuwägen. Tendenziell kann aber die Verlängerung der Kündigungsfrist und der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts zu einer Erleichterung der außerordentlichen Kündigung führen. Es macht einen qualitativen Unterschied, ob ein Arbeitsverhältnis nur bis zum Ablauf der ordentlichen gesetzlichen Kündigungsfrist von beispielsweise einem Monat oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist von einem Jahr oder bis zur Erreichung der Altersgrenze fortgeführt werden muss.
Ein nur einmaliger Vorfall, dessen Wiederholung nicht zu befürchten ist, spricht gegen die Begründetheit der außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses mit langer Kündigungsfrist, wenn die längere Kündigungsfrist einen verstärkten Schutz des Arbeitnehmers bezweckt. Lässt sich dagegen der Arbeitnehmer mit einer langen Kündigungsfrist mehrfach Verfehlungen zuschulden kommen, so ist die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses eher möglich.
Ordentlich unkündbare Arbeitnehmer
Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, prüft die Rechtsprechung bei außerordentlichen fristlosen Kündigungen von ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern, ob dem Arbeitgeber bei unterstellter Kündbarkeit des Arbeitsverhältnisses eine Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar wäre. Es wird somit auf eine fiktive Kündigungsfrist Bezug genommen.
Prüfungsschritte für das Vorliegen eines wichtigen Grundes
Die im Gesetz vorgeschriebene Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und die ebenfalls vorgeschriebene Abwägung der jeweiligen Interessen beider Vertragsteile führen dazu, dass es keine sogenannten absoluten Kündigungsgründe gibt. Auch wenn ein an sich durchaus als wichtiger Grund geeigneter Umstand vorliegt, muss stets eine Abwägung aller für oder gegen die außerordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses sprechenden Umstände erfolgen.
Ob ein wichtiger Grund vorliegt, wird vom Bundesarbeitsgericht in 2 Stufen geprüft:
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1. Stufe: Sind die Tatsachen selbst objektiv geeignet, einen wichtigen Grund für die Kündigung darzustellen? |
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2. Stufe: Ist dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und nach Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei einem befristeten Arbeitsvertrag unzumutbar? |
Bei der Prüfung, ob Tatsachen selbst objektiv geeignet sind, einen wichtigen Grund für die Kündigung darzustellen, haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen von Sachverhalten (Katalog der Kündigungsgründe) herausgebildet, die in der Regel als außerordentlicher Kündigungsgrund ausreichen. Diese Fallgruppen werden gesondert in dem Beitrag "Außerordentliche Kündigung: Einzelne Kündigungsgründe" behandelt.