Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Nachtarbeitszuschläge. Gleichheitssatz. Aussetzung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der gerichtlichen Entscheidung über die Aussetzung sind vor allem die bisherige Verfahrensdauer und der jetzige Verfahrensstand sowie die zu prognostizierende Verlängerung der Verfahrensdauer zu berücksichtigen.
2. Die Regelung unterschiedlich hoher Nachtarbeitszuschläge von Arbeitnehmern, die Nachtschichtarbeit leisten, gegenüber Arbeitnehmern, die sonstige Nachtarbeit leisten, im Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie in Mecklenburg-Vorpommern vom 2. Juni 2009, ist nicht durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt.
Normenkette
ZPO § 148 Abs. 1; ArbGG § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Oktober 2020 - 2 Sa 61/20 - teilweise aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund - Kammern Neubrandenburg - vom 22. Januar 2020 - 11 Ca 251/19 - auf die Berufung der Klägerin abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
für den Monat Dezember 2018 121,36 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2019,
für den Monat Januar 2019 212,38 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. März 2019,
für den Monat Februar 2019 212,38 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31. März 2019,
für den Monat März 2019 92,71 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2019,
für den Monat April 2019 61,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2019 und
für den Monat Mai 2019 216,30 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2019 zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin zu 84 % und die Beklagte zu 16 % zu tragen. Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz über die Höhe tariflicher Nachtarbeitszuschläge.
Rz. 2
Die Klägerin leistete im streitgegenständlichen Zeitraum Nachtarbeit im Rahmen von Wechselschichtarbeit bei der Beklagten, einem Unternehmen der Ernährungsindustrie. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie in Mecklenburg-Vorpommern vom 2. Juni 2009 (MTV) Anwendung.
Rz. 3
Die Klägerin verrichtete in den Monaten Dezember 2018 bis Mai 2019 Nachtarbeit in Wechselschicht in der Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr, für die sie einen Zuschlag in Höhe von 25 % des Stundenentgelts erhielt.
Rz. 4
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin für die geleistete Nachtarbeit die Zahlung weiterer Nachtarbeitszuschläge in Höhe der Differenz zwischen dem gezahlten tariflichen Zuschlag für Schichtarbeit zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr in Höhe von 25 % und dem tariflichen Zuschlag für Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit in Höhe von 50 %.
Rz. 5
Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei schlüssig. Geltend gemacht werde ein höherer Zuschlag auf der Grundlage der von der Beklagten abgerechneten Nachtarbeitsstunden. Der Anspruch ergebe sich aus § 5 Abs. 2 MTV iVm. dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Nach der tariflichen Regelung erhielten Arbeitnehmer für Schichtarbeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr - trotz Vergleichbarkeit beider Arbeitnehmergruppen - Zuschläge von nur 25 %, für Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit dagegen Zuschläge von 50 %, ohne dass für diese Ungleichbehandlung ein sachlicher Grund vorliege. Für die Bewertung der Nachtarbeit sei die Wertung aus den Erwägungsgründen 7 ff. der Richtlinie 2003/88/EG heranzuziehen. Beschäftigte, die Nachtarbeit in Schichten verrichteten, seien höher belastet als Arbeitnehmer, die nur gelegentlich Nachtarbeit versähen. Der Zuschlag für Nachtschichtarbeit könne daher nicht geringer ausfallen als der Zuschlag für sonstige, nur gelegentlich anfallende Nachtarbeit.
Rz. 6
Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Interesse - der Sache nach beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie |
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1. |
für den Monat Dezember 2018 121,36 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2019, |
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2. |
für den Monat Januar 2019 212,38 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2019, |
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3. |
für den Monat Februar 2019 212,38 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. März 2019, |
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4. |
für den Monat März 2019 92,71 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. April 2019, |
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5. |
für den Monat April 2019 61,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2019 und |
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6. |
für den Monat Mai 2019 216,30 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2019 |
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zu zahlen. |
Rz. 7
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klage sei bereits unschlüssig. Jedenfalls habe die Klägerin keinen Anspruch auf höhere Nachtarbeitszuschläge. Die tarifvertraglichen Zuschlagsregelungen für Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit und Nachtschichtarbeit verstießen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Gruppen der Arbeitnehmer, die Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit und Nachtschichtarbeit verrichteten, seien schon nicht vergleichbar. Zwischen Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit und Nachtschichtarbeit bestehe zudem ein Regel-Ausnahmeverhältnis, weil die planbare Nachtschichtarbeit sehr viel häufiger anfalle als sonstige Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit. Die unterschiedliche Höhe der Nachtarbeitszuschläge überschreite auch nicht den Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien. Die Zuschlagsdifferenz verringere sich außerdem durch die Regelungen zu den Schichtfreizeiten und den Umstand, dass der Zuschlag von 50 % für Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit typischerweise Mehrarbeit betreffe und daher den Mehrarbeitszuschlag enthalte. Er solle auch nicht nur die Erschwernis für die Arbeit in der Nacht ausgleichen, sondern kompensieren, dass die betroffenen Arbeitnehmer die Möglichkeit verlören, über ihre Freizeit zu disponieren. Arbeitgeber sollten von Eingriffen in den geschützten Freizeitbereich der Arbeitnehmer abgehalten werden. Außerdem sei die Teilhabe am sozialen Leben, etwa die Organisation der Kinderbetreuung, bei unregelmäßiger Nachtarbeit wesentlich schwerer zu organisieren. Schließlich sei eine „Anpassung nach oben“ abzulehnen.
Rz. 8
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihre Zahlungsansprüche weiter.
Rz. 9
Der Senat hat das Revisionsverfahren im Hinblick auf zwei Vorabentscheidungsersuchen zum Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ausgesetzt. Der EuGH hat auf die dort gestellte Frage mit Urteil vom 7. Juli 2022 geantwortet (- C-257/21 und C-258/21 - [Coca-Cola European Partners Deutschland]). Vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg (- 4 Sa 53/22 -) ist derzeit im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Fragestellung ein Verfahren über eine sog. Verbandsklage iSv. § 9 TVG betreffend die Auslegung des MTV vom 2. Juni 2009 anhängig.
Entscheidungsgründe
Rz. 10
Die Revision der Klägerin ist weitgehend begründet. Die Klägerin hat für den streitgegenständlichen Zeitraum entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts für die während der Nachtschichten geleisteten Arbeitsstunden Anspruch auf einen höheren Nachtarbeitszuschlag. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Klage ist insoweit - mit Ausnahme der Zinstermine - begründet, was der Senat selbst entscheiden kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Rz. 11
I. Der Rechtsstreit war nicht in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO wegen der gegen das Urteil des Senats vom 22. März 2023 (- 10 AZR 499/20 -) eingelegten Verfassungsbeschwerde (- 1 BvR 1478/23 -) auszusetzen (vgl. zur entsprechenden Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO bei Anhängigkeit einer Verfassungsbeschwerde BAG 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A) - Rn. 42 ff., BAGE 172, 175).
Rz. 12
1. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist eine Aussetzung in entsprechender Anwendung von § 148 Abs. 1 ZPO nur möglich, wenn in Abwägung zwischen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen und dem Beschleunigungsgebot des § 9 Abs. 1 ArbGG eine Aussetzung unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien angemessen erscheint. Dies ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei sind insbesondere die bisherige Verfahrensdauer und der jetzige Verfahrensstand sowie die bei einer Aussetzung zu prognostizierende Verlängerung der Verfahrensdauer zu berücksichtigen, welche einer Einschätzung durch das Gericht bedarf (vgl. BAG 22. März 2023 - 10 AZR 499/20 - Rn. 20 mwN; 10. September 2020 - 6 AZR 136/19 (A) - Rn. 45 mwN, BAGE 172, 175).
Rz. 13
2. In Abwägung zwischen der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen und dem Beschleunigungsgebot des gerichtlichen Verfahrens (§ 9 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 ArbGG, §§ 198 ff. GVG) ist eine nochmalige Aussetzung des Verfahrens unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien nicht angezeigt.
Rz. 14
a) Streitgegenständlich sind vorliegend Ansprüche der Klägerin auf höhere Nachtarbeitszuschläge für die Monate Dezember 2018 bis Mai 2019. Die der Beklagten im Juli 2019 zugestellte Klage ist seit über vier Jahren rechtshängig. In dritter Instanz ist das Verfahren bereits im Hinblick auf zwei Vorabentscheidungsersuchen zum Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV ausgesetzt worden. Dieser Aussetzungsgrund ist mit der Entscheidung des Gerichtshofs vom 7. Juli 2022 (- C-257/21 und C-258/21 - [Coca-Cola European Partners Deutschland]) entfallen.
Rz. 15
b) Eine weitere Aussetzung bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht würde unter Berücksichtigung der üblichen Dauer eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens, dessen Abschluss nicht valide abzuschätzen ist, zu einer erheblichen Verlängerung der ohnehin bereits beträchtlichen Verfahrensdauer führen. Mit Blick darauf war dem Interesse der Klägerin an einem zeitnahen Abschluss des Verfahrens vor einem Aussetzungsinteresse der Beklagten der Vorrang einzuräumen. Der Zweck der Aussetzung, die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen zu vermeiden, tritt insoweit zurück.
Rz. 16
II. Ebenso wenig war der Rechtsstreit im Hinblick auf das zwischen den Tarifvertragsparteien anhängige Verbandsklageverfahren über die Auslegung des MTV auszusetzen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Erwägungen des Senats im Urteil vom 22. März 2023 (- 10 AZR 499/20 - Rn. 12 ff.) verwiesen.
Rz. 17
III. Die zulässige Klage ist - soweit für die Revision von Interesse - weitgehend begründet. Die Beklagte hat an die Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum für ihre Arbeit in der Nachtschicht von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr den Zuschlag für Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit nach § 5 Abs. 2 Alt. 2 MTV in Höhe von 50 % des tariflichen Stundenentgelts abzüglich der geleisteten Zuschläge zu zahlen. Der MTV findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung Anwendung.
Rz. 18
1. Der Klägerin stehen höhere Nachtarbeitszuschläge zu, weil die tarifvertragliche Unterscheidung der Zuschläge für Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit (§ 5 Abs. 2 Alt. 2 MTV) und Nachtschichtarbeit (§ 5 Abs. 2 Alt. 3 MTV) einer Kontrolle am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht standhält. Nachtschichtarbeitnehmer werden gegenüber Arbeitnehmern, die außerhalb von Schichtsystemen Nachtarbeit leisten, gleichheitswidrig schlechter gestellt. Dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) kann nur dadurch genügt werden, dass die Klägerin für die im Rahmen von Nachtschichten geleistete Nachtarbeit ebenso wie ein Arbeitnehmer, der Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit iSv. § 5 Abs. 2 Alt. 2 MTV leistet, behandelt wird. Sie hat ergänzend zu dem gezahlten Nachtarbeitszuschlag nach § 5 Abs. 2 Alt. 3 MTV Anspruch auf einen Zuschlag von weiteren 25 % des tariflichen Stundenentgelts für die von ihr geleisteten Stunden zur tariflichen Nachtzeit. Das hat der Senat zu den hier maßgeblichen Tarifnormen bereits entschieden (BAG 22. März 2023 - 10 AZR 499/20 - Rn. 46 ff.). Das Vorbringen im Streitfall entspricht dem Vorbringen in dem bereits entschiedenen Verfahren und führt zu keiner anderen Bewertung. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird daher auf die Erwägungen im vorstehenden Urteil verwiesen.
Rz. 19
Diese Differenz von 25 Prozentpunkten ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht um den Anspruch auf Schichtfreizeiten nach § 4 Abs. 1 MTV zu reduzieren. Denn es handelt sich - was der Senat ebenfalls bereits entschieden hat - nicht um einen spezifischen Ausgleich für Nachtarbeit (BAG 22. März 2023 - 10 AZR 499/20 - Rn. 43).
Rz. 20
2. Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz hat zur Folge, dass die Klägerin Anspruch auf Zahlung des höheren Nachtarbeitszuschlags von 50 % des Stundenentgelts für die von ihr geleistete streitgegenständliche Nachtarbeit hat. Die gleichheitswidrige Ungleichbehandlung kann für die im Streit stehende Vergangenheit nur durch eine Anpassung „nach oben“ beseitigt werden. Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Erwägungen des Senats im Urteil vom 22. März 2023 (- 10 AZR 499/20 - Rn. 74 ff.) verwiesen. Dies gilt nach § 5 Abs. 3 Unterabs. 3 Satz 2 MTV auch beim Zusammentreffen des Zuschlags für Nachtarbeit außerhalb von Schichtarbeit mit anderen Zuschlägen.
Rz. 21
3. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht wegen Versäumung der tariflichen Ausschlussfrist verfallen. Die Klägerin war nicht gehalten, die streitgegenständlichen Ansprüche innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist nach § 12 Abs. 1 MTV (vgl. dazu BAG 22. März 2023 - 10 AZR 499/20 - Rn. 80 ff.) geltend zu machen. Die Beklagte hat zwar deren Einhaltung gerügt. Sie hat aber nicht vorgetragen, dass sie gemäß § 12 Abs. 2 MTV den Tarifvertrag an geeigneter Stelle im Betrieb bekannt gemacht hat. Dabei handelt es sich nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift, deren Verletzung keine Rechtsfolgen nach sich zieht. Vielmehr bestimmt § 12 Abs. 2 MTV ausdrücklich, dass die Ausschlussfrist für Ansprüche aus diesem Tarifvertrag nur läuft, wenn eine entsprechende Bekanntmachung erfolgt. Die Regelung dient insoweit auch dem Schutz der Arbeitnehmer und soll verhindern, dass diese ihre Ansprüche nicht rechtzeitig iSd. tariflichen Ausschlussfrist geltend machen, weil ihnen die Ausschlussfrist unbekannt ist (vgl. zu einer ähnlichen Bestimmung BAG 24. Mai 2023 - 10 AZR 369/20 - Rn. 70).
Rz. 22
4. Danach stehen der Klägerin weitere Nachtarbeitszuschläge für die Monate Dezember 2018 bis Mai 2019 in Höhe von insgesamt 916,93 Euro brutto zu. Die Höhe der Zuschläge ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte ist dem Vortrag der Klägerin, die geltend gemachten Stunden ergäben sich aus den monatlichen Abrechnungen der Beklagten, nicht substantiiert entgegengetreten.
Rz. 23
5. Nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB schuldet die Beklagte Verzugszinsen, die der Klägerin gemäß § 187 Abs. 1 BGB ab dem Tag nach Eintritt der Fälligkeit zustehen. Fällig sind die Ansprüche auf Nachtarbeitszuschläge am letzten Werktag des Folgemonats (vgl. dazu BAG 22. März 2023 - 10 AZR 499/20 - Rn. 82, 88). Soweit die Klägerin Zinsen jeweils bereits ab dem 1. des Folgemonats verlangt, war ihre Revision teilweise zurückzuweisen.
Rz. 24
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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Reinfelder |
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Günther-Gräff |
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Pessinger |
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S. Viehl |
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Frankenberg |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16529101 |