Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenkündigung - Aufhebungsvertrag
Leitsatz (amtlich)
Im Falle einer vom Arbeitnehmer selbst unmißverständlich und definitiv erklärten außerordentlichen Kündigung kann es ihm je nach den Umständen des Falles wegen widersprüchlichen Verhaltens nach Treu und Glauben verwehrt sein (§ 242 BGB), sich auf die Unwirksamkeit seiner eigenen Kündigung zu berufen; das gilt im Hinblick auf das Fehlen eines wichtigen Grundes (§ 626 BGB) ebenso wie der Einhaltung einer vereinbarten Schriftform.
Normenkette
BGB §§ 626, 140, 242; KSchG §§ 4, 7, 13
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. November 1996 - 19 (14) Sa 773/96 - aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger war zunächst seit dem 1. September 1992 als Bezirksdirektor in der Direktionsstelle D , seit dem 1. Januar 1995 als Organisationsbereichsleiter im Rahmen der Direktionsstelle H für die Beklagte tätig, und zwar zuletzt gegen eine Vergütung/Provision von ca. 8.000,00 DM. Grundlage der Beschäftigung war ein schriftlicher Dienstvertrag vom 5./9.12.1994, in dessen § 12 geregelt ist, daß jede Kündigung schriftlich erfolgen muß und daß nach § 13 Änderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen.
Vor dem Hintergrund der Trennung des Klägers von seiner Ehefrau (seit 3. Oktober 1995) und des Umzuges zu seiner neuen Lebensgefährtin nach R , die der Kläger im Beisein des Zeugen L , des Filialdirektors der Direktionsstelle H , nach einer Arbeitstagung und dem Besuch eines Tanzabends kennengelernt hatte, kam es im Laufe des 15. November 1995 gegen 15.30 Uhr zunächst ohne und dann in Gegenwart des Betriebsratsmitglieds D zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und dem Zeugen L , in dem der Kläger L mehrfach danach befragte, ob er, L , in der letzten Zeit Kontakt zu seiner Frau gehabt und mit ihr gesprochen habe, was der Zeuge L verneinte. Etwa eine halbe Stunde später suchte der Kläger erneut den Zeugen L auf und entschuldigte sich für sein vorangegangenes Verhalten. Am selben Tage fand um 16.45 Uhr zwischen dem Kläger und L eine zuvor angesetzte Besprechung statt, die der Erörterung von Kritikpunkten der Beklagten gegenüber dem Kläger dienen sollte. Der Inhalt des Gespräches ist unter den Parteien teilweise streitig, insbesondere ob der Kläger eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt hat. Unstreitig ist, daß der Zeuge L dem Kläger anhand einer Liste mit mehreren Punkten Vorhaltungen gemacht hat. Nach seiner eigenen Darstellung vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger im Verlauf des Gesprächs u.a. erklärt, so lasse er nicht mit sich umspringen, zumal freundschaftliche Bande bestanden hätten, er kenne dieses Vorgehen und am Ende solcher Gespräche stünde dann die Kündigung; daraufhin sei er aufgestanden und habe erklärt "ich kündige" und habe dann das Büro verlassen, sei jedoch noch einmal zurückgekehrt und habe durch den Türspalt erklärt, "ich gehe jetzt". Dann sei er in sein Arbeitszimmer gegangen, um die Aktentasche zu holen. Unstreitig ist auch, daß der Kläger im Anschluß an dieses Gespräch die Direktionsstelle verließ. Noch am selben Tage erreichte den Kläger gegen 18.00 Uhr ein Telegramm des Zeugen L , in dem der Kläger aufgefordert wurde, alle in seinem Besitz befindlichen Schlüssel bis 16. November 1995 auszuhändigen. Am Folgetag rief der Kläger gegen 8.30 Uhr in der Direktionsstelle H an, sprach mit der Sekretärin des Zeugen L und teilte ihr mit, L habe ihm gekündigt; er melde sich krank. Nach Rücksprache des Zeugen L mit der Landesdirektion der Beklagten wurde dem Kläger mit Schreiben vom 16. November 1995 die fristlose Aufkündigung des Arbeitsverhältnisses zum 15. November 1995 bestätigt. Mit Schreiben vom 17. November 1995 ließ der Kläger durch seine Prozeßbevollmächtigten den Erhalt des Telegramms vom 15. November 1995 bestätigen und die Beklagte auffordern, den Hintergrund zur Aufforderung der Schlüsselherausgabe mitzuteilen; mit weiterem Schreiben vom 21. November 1995 teilte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit, es werde ausdrücklich bestritten, daß der Kläger am 15. November 1995 eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen habe. Im Antwortschreiben vom 23. November 1995 teilte die Beklagte mit, die rechtlichen Wirkungen der eigenen Kündigung des Klägers seien nicht zu beseitigen.
Mit seiner Klage hat der Kläger den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht und bestritten, selbst eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen zu haben. Offensichtlich solle er, der Kläger, im Interesse von L aus dem Betrieb geschoben werden, damit L ' Frauengeschichten nicht herauskommen würden. Hintergrund des Gesprächs am 15. November 1995 sei, daß L , mit dem er bis dahin freundschaftlich verbunden gewesen sei, ihn nach dem gemeinsamen Tanzabend am Montag, den 4. September 1995, auf seine neue Beziehung angesprochen habe, worauf er erwidert habe, daß es sich um seine Privatangelegenheit handele. Danach habe sich dann das Verhältnis zwischen ihm und L verschlechtert; dieser habe an entscheidenden Stellen in seinen Verantwortungsbereich eingegriffen und seine Autorität als Führungskraft untergraben. Auch habe seine Ehefrau ihm, dem Kläger, angedroht, seine berufliche Karriere zu zerstören und sich mit dem Zeugen L in Verbindung zu setzen. Deshalb sei es am 15. November 1995 zunächst zu der Nachfrage gekommen, ob L Kontakt zu seiner Frau gehabt habe. In dem weiteren Gespräch sei L zu keiner Zeit bereit gewesen, mit ihm sachlich die Kritikpunkte zu diskutieren. Daraufhin habe er sinngemäß erklärt, er würde die Freundschaft gegenüber dem Zeugen L aufkündigen; keinesfalls habe er jedoch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt. Seine diesbezügliche Äußerung sei vom Arbeitsgericht unglücklich protokolliert worden: Daß er gekündigt habe, gelte für die freundschaftlichen Beziehungen.
Im übrigen hat der Kläger die Auffassung vertreten, eine Kündigung sei, wenn sie denn vorliege, jedenfalls aufgrund der Schriftformklausel im Dienstvertrag unwirksam. Die Schriftformklausel sei auch nicht einvernehmlich aufgehoben worden.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das am 5. Dezember 1994 begründete Arbeitsverhältnis fortbesteht.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, der Kläger habe im Gespräch am 15. November 1995 gegenüber dem Zeugen L unzweideutig das Arbeitsverhältnis aufgekündigt. Schon zuvor und im Anschluß an das private Gespräch wegen der Vorhaltungen, ob L mit der Ehefrau des Klägers gesprochen habe, habe der Kläger im Zusammenhang mit seiner Entschuldigung erklärt, er hätte fristlos gekündigt, wenn L mit seiner Frau gesprochen hätte. Bei dem nachfolgenden Gespräch sei es um dienstliche Belange gegangen, wobei der Kläger auf die Vorhaltungen hin im Verlaufe des Gespräches wörtlich erklärt habe: "Ich höre auf, ich kündige fristlos". Daraufhin habe der Kläger das Büro verlassen, der Zeuge L sei ihm hinterhergeeilt und habe ihn aufgefordert, das Gespräch im Büro fortzuführen, der Kläger habe jedoch nochmals geäußert "Nein, ich höre auf. Ich kündige fristlos". Kurze Zeit später habe der Kläger den Zeugen L nochmals aufgesucht, die Tür einen Spalt breit aufgemacht und bekundet "Meine Entscheidung steht, ich höre auf". Danach habe er die Geschäftsräume der Direktionsstelle verlassen. Im übrigen habe der Kläger u.a. am 9. November 1995 bereits gegenüber der Organisationsleiterin B geäußert, die Beklagte sei nicht mehr seine Firma; zuvor habe er bereits persönliche Gegenstände aus seinem Büro entfernt.
Die Wirksamkeit der Eigenkündigung des Klägers scheitere auch nicht an der Einhaltung der Schriftform; es sei nämlich von einer konkludenten Aufhebung des Formerfordernisses nach Treu und Glauben insbesondere dann auszugehen, wenn die Kündigung mündlich unter Anwesenden erfolge und der Kündigungsgegner ihr nicht unverzüglich widerspreche. Das habe der Zeuge L nicht getan.
Das Arbeitsgericht hat nach Vernehmung des Zeugen L die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO), weil der Senat nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht davon ausgehen kann, die von der Beklagten behaupteten und vom Berufungsgericht lediglich als zutreffend unterstellten Kündigungserklärungen des Klägers seien tatsächlich so abgegeben worden.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Zwar spreche viel dafür, daß der Kläger das Arbeitsverhältnis am 15. November 1995 selbst aufgekündigt habe; dem brauche jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden, weil es jedenfalls an einem wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung des Klägers fehle. Dem Kläger sei es auch nicht verwehrt, sich auf die Rechtsunwirksamkeit der von ihm selbst erklärten Kündigung zu berufen; lägen die Voraussetzungen des § 626 BGB nicht vor, so gehe der Gesetzgeber vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses aus. Darüber hinaus wäre eine Kündigung auch aufgrund der Schriftformklausel in § 12 des Anstellungsvertrages vom 5./9. Dezember 1994 unwirksam, wobei es sich um ein konstitutives Formerfordernis jedenfalls hinsichtlich der Schriftform gehandelt habe. Mangels Einhaltung der vorgeschriebenen Form sei die Kündigung nach § 125 Satz 2 BGB nichtig. Das Schriftformerfordernis sei auch nicht konkludent aufgehoben worden, insbesondere nicht durch widerspruchslose Hinnahme seitens des Zeugen L . Im Schweigen des Kündigungsempfängers sei nach Treu und Glauben kein Verzicht auf den vereinbarten Formzwang zu sehen. Allein der Umstand, daß der Zeuge L den Kläger nach seiner Aussage auf die Verantwortung gegenüber seiner Familie hingewiesen habe, belege nicht, daß eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung vorgelegen habe; vielmehr habe L damit lediglich tatsächliche Konsequenzen aufgezeigt. Die nachfolgenden Erklärungen der Beklagten seien jedenfalls nicht mehr rechtzeitig im Sinne von § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB.
II. Dem folgt der Senat nicht. Die Revision rügt zu Recht, der Kläger könne sich aus Rechtsgründen auf die Rechtsunwirksamkeit seiner Eigenkündigung nicht berufen, um das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses festgestellt zu wissen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, nach der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme und den nachfolgenden eigenen Erklärungen des Klägers spreche viel dafür, daß der Kläger das mit der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis am 15. November 1995 selbst gekündigt habe, wobei die Angriffe der Berufung gegen die Würdigung des Arbeitsgerichts und die Glaubwürdigkeit des Zeugen L nicht zu überzeugen vermöchten. Das Landesarbeitsgericht hat aber alsdann im unmittelbaren Anschluß ausgeführt, dieser Frage brauche nicht weiter nachgegangen zu werden, da eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst dann nicht eingetreten sei, wenn vom Vorliegen einer Erklärung des Klägers entsprechend der Aussage des Zeugen L auszugehen sei. Mithin liegen - und dies sieht auch die Revision nicht anders - keine für den Senat nach § 561 ZPO verbindlichen tatsächlichen Feststellungen dahin vor, daß der Kläger das Arbeitsverhältnis am 15. November 1995 aufgekündigt hat. Es ist daher auf der vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten hypothetischen Basis einer solchen Eigenkündigung des Klägers, wie sie nach der Aussage des Zeugen L auch vom Landesarbeitsgericht seiner Entscheidungsfindung zugrunde gelegt wird, zu beurteilen, ob in einem solchen Fall von der Unwirksamkeit der Kündigung auszugehen ist. Das Landesarbeitsgericht unterstellt dabei (zu II.2 der Entscheidungsgründe), der Zeuge L habe den wiederholten Erklärungen des Klägers unmißverständlich und unzweifelhaft entnehmen müssen, daß eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger gewollt war; diesen Willen habe der Kläger zudem durch das sofortige Verlassen des Arbeitsplatzes noch bekräftigt.
a) Ausgehend von dieser als richtig unterstellten Sachlage ist es dem Kläger unabhängig davon, ob ein Kündigungsgrund für ihn nach § 626 BGB bestand, verwehrt, sich auf eine eventuelle Unwirksamkeit der Kündigung gegenüber der Beklagten zu berufen, § 242 BGB. Insofern greift nämlich der Grundsatz des sog. "venire contra factum proprium" (widersprüchliches Verhalten), das u.a. dann als rechtsmißbräuchlich angesehen wird, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BAG Beschluß vom 27. Juni 1995 - 1 ABR 62/94 - AP Nr. 7 zu § 4 BetrVG 1972, zu B III 2 c der Gründe und BAG Urteile vom 21. März 1980 - 7 AZR 314/78 - AP Nr. 1 zu § 17 SchwbG, zu II 4 der Gründe; vom 8. Juni 1972 - 2 AZR 336/71 - BAGE 24, 292 = AP Nr. 1 zu § 13 KSchG 1969, mit Anm. von Schleßmann und Urteil vom 23. September 1976 - 2 AZR 309/75 - BAGE 28, 176 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Wartezeit, mit Anm. von G. Hueck). Das Bundesarbeitsgericht hat dabei auch entschieden (Urteil vom 8. Juni 1972 - 2 AZR 336/71 - BAGE 24, 292, 298 = AP, aaO, zu 4 der Gründe), die Unzulässigkeit des "venire contra factum proprium" stelle eine von Amts wegen zu prüfende Schranke jeder Rechtsanwendung dar (unter Berufung auf BGHZ 3, 94, 103). Schließlich hat der Senat ausgeführt (Urteil vom 23. Juni 1994 - 2 AZR 617/93 - BAGE 77, 128, 133 = AP Nr. 9 zu § 242 BGB Kündigung, zu II 2 b der Gründe), der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bilde eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung, wobei eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage wegen der Rechtsüberschreitung als unzulässig angesehen werde, was unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden sei.
b) So liegen die Dinge hier: Zwar führt der Kläger unter zutreffender Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus, daß § 626 BGB mit seinen Anforderungen in derselben Weise auch für Kündigungen durch den Arbeitnehmer gelte, so daß auch hierfür ein wichtiger Grund vorliegen müsse (Senatsurteile vom 13. April 1972 - 2 AZR 243/71 - AP Nr. 64 zu § 626 BGB und vom 24. Januar 1985 - 2 AZR 67/84 - AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel, mit Anm. von Herschel). Darauf kommt es jedoch vorliegend nicht an.
Der Senat hält es für treuwidrig im Sinne des § 242 BGB, wenn eine Partei, die eine solche Kündigung mehrmals - und zwar entgegen den Vorhaltungen der anderen Seite - ernsthaft und nicht nur einmalig spontan ausgesprochen hat, sich nachträglich auf die Unwirksamkeit ihrer eigenen Erklärung beruft. Darauf weist auch die Revision hin. Ein solches Vorgehen, das zum früheren eigenen Verhalten in unlösbarem Widerspruch steht, ist dann anzunehmen, wenn sich jemand zu seinem Vorteil auf eine Rechtsvorschrift beruft, die er selbst mißachtet. Das ist hier der Fall, denn der Kläger ist nach seiner erstmaligen, vom Zeugen L wiedergegebenen Erklärung "Ich höre auf, ich kündige fristlos" hierbei auch dann noch verblieben, als er, auf seine Verantwortung gegenüber seiner Familie angesprochen, dem Zeugen L erwidert haben soll "Meine Familie geht dich nichts an", wobei er, L , dann in sein Büro zurückgegangen sei, woraufhin kurze Zeit später der Kläger die Tür zu seinem Büro etwa zur Hälfte geöffnet und erneut erklärt habe "Meine Entscheidung steht, ich höre auf; ich kündige fristlos". Insofern ist, wie auch das Bundesarbeitsgericht betont hat (Beschluß vom 27. Juni 1995 - 1 ABR 62/94 - AP Nr. 7 zu § 4 BetrVG 1972, zu III 2 c der Gründe), bei der Beanspruchung von Rechtspositionen gegenüber anderen Teilnehmern am Rechtsleben eine gewisse Konsistenz zu fordern. Schließlich liegt auch eine andere Fallgestaltung als in den o.a. Entscheidungen des Senats vor.
Sinn und Zweck der Bestimmung des § 626 BGB ist es, den Vertragspartner vor sofortiger Beendigung des Dauerschuldverhältnisses zu schützen; der Vertragspartner soll sich darauf verlassen können, daß der andere im Regelfall die ordentliche Kündigungsfrist einhält. Der Schutzzweck der Norm bezieht sich, worauf der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zutreffend hingewiesen hat, zumindest in erster Linie auf den Kündigungsempfänger. Es läßt sich in der Tat mit dem Satz argumentieren "volenti non fit inuria". Wenn der Kläger hier nach wiederholtem Vorhalt bei seiner eindeutigen Erklärung verblieben ist, seine Entscheidung stehe, er höre auf und kündige fristlos, dann muß er sich nach Treu und Glauben an dieser Erklärung auch dann festhalten lassen, wenn es an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB fehlt. Bei einseitig empfangsbedürftigen Willenserklärungen kennt das Gesetz ein Reurecht nicht.
Auch die Befugnis der Arbeitsvertragsparteien, Aufhebungsverträge mit sofortiger Wirkung abzuschließen, und zwar sogar unter Verzicht auf die Einhaltung von Kündigungsfristen, zeigt, daß das Gesetz nicht jede Beendigung mit sofortiger Wirkung ausschließen will, auch wenn kein wichtiger Grund hierfür besteht. Der Senat hat deshalb im Zusammenhang mit einem von Arbeitsvertragsparteien abgeschlossenen Aufhebungsvertrag angemerkt (Urteil vom 14. Februar 1996 - 2 AZR 234/95 - EzA § 611 BGB Aufhebungsvertrag Nr. 21), der Arbeitnehmer habe aufgrund der Vertragsautonomie die Möglichkeit, sowohl das "Ob" als auch das "Wie" und das "Wann" der Vertragsbeendigung von seinem eigenen Willen abhängig zu machen.
Dem korrespondiert es - und auch darauf weist die Revision zutreffend hin -, daß auch der Schutzzweck der §§ 13, 4 und 7 KSchG nicht weitergeht: Wehrt sich der Arbeitnehmer nicht oder nicht rechtzeitig innerhalb von drei Wochen gegen eine ausgesprochene fristlose Kündigung, dann gilt der Kündigungsgrund als gegeben. Der Arbeitnehmer hat es also in der Hand, eine solche Kündigung in ihrer Wirkung wieder zu beseitigen, also die Rechtswirkungen, die durch die die Rechtslage gestaltende Erklärung entstanden sind, rückgängig zu machen. Dem entspricht es, daß allgemein die einseitige Rücknahme einer Kündigung - gleichgültig, ob sie im Ergebnis wirksam oder unwirksam gewesen wäre - als nicht zulässig anerkannt wird (vgl. u.a. KR-Friedrich, 4. Aufl., § 4 Rz 51 f., mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen; Stahlhacke/ Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl., Rz 121 f.). Die Berufung auf die ohnehin bestehende Unwirksamkeit einer Kündigung mit der Folge, daß daraufhin die Rechtslage doch nicht umgestaltet sein soll, käme der einseitigen Rücknahme im Ergebnis gleich.
Schließlich gilt insofern gleiches Recht für den Arbeitnehmer wie auch für den Arbeitgeber. Würde man nämlich dem Arbeitnehmer das Recht zubilligen, sich auf die Unwirksamkeit seiner eigenen Kündigungserklärung zu berufen, müßte dies folgerichtig auch für den Arbeitgeber gelten: Dieser könnte dann nach Ausspruch einer fristlosen Kündigung, die der Arbeitnehmer nicht angegriffen hat, - etwa auch noch nach Ablauf der vom Arbeitnehmer nicht wahrgenommenen Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG? - die Unwirksamkeit seiner Kündigung mangels Vorhandenseins eines wichtigen Grundes geltend machen und den Arbeitnehmer, der die Kündigung möglicherweise deshalb nicht angegriffen hat, weil er eine neue Beschäftigung gefunden hat, zur Wiederaufnahme der Arbeit unter Unterlassung der neuen Beschäftigung auffordern. Dies ist dem Arbeitgeber ebenso zu verwehren, und zwar mit dem angeführten Rechtsgrundsatz des Verbotes widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB). Was jedoch dem einen Vertragspartner (Arbeitgeber) nicht zuzubilligen ist, kann auch nicht dem anderen Vertragspartner (Arbeitnehmer) aus Arbeitnehmerschutzgesichtspunkten gewährt werden. Der Gesetzgeber hat die Vorschrift des § 626 BGB für beide Vertragspartner unterschiedslos formuliert, so daß es sich verbietet, sie durch die Rechtsprechung unterschiedlich auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber anzuwenden. Der Kläger muß sich daher bei der vom Berufungsgericht unterstellten Sachlage an seiner Kündigungserklärung festhalten lassen.
2. Ähnliche Überlegungen gelten für die Frage der Einhaltung der in § 12 des Anstellungsvertrages vereinbarten Schriftform. Auch wenn man davon ausgeht, es handele sich vorliegend um ein konstitutives Schriftformerfordernis (vgl. dazu BAG Urteile vom 19. Mai 1988 - 2 AZR 596/87 - BAGE 59, 12 = AP Nr. 75 zu § 613 a BGB; vom 20. September 1979 - 2 AZR 967/77 - AP Nr. 8 zu § 125 BGB und vom 19. Oktober 1977 - 5 AZR 359/76 - AP Nr. 3 zu § 22 KO), verstößt die Berufung auf die nach § 125 Satz 2 BGB im Zweifel eintretende Nichtigkeitsfolge unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles gegen § 242 BGB.
Wenn man annimmt, mit der Vereinbarung des Schriftformerfordernisses sei neben der erstrebten Kündigungsklarheit auch die Verhinderung eines Übereilungseffektes bezweckt (so Senatsurteil vom 19. Mai 1988 - 2 AZR 596/87 - BAGE 59, 12, 19 = AP, aaO, zu B I 2 der Gründe), so handelt der Kläger vorliegend gleichwohl rechtsmißbräuchlich, wenn er sich hierauf beruft. Dabei würde es in der Tat nicht ausreichen, wenn der Kläger im Gespräch vom 15. November 1995 nur einmalig und spontan die an sich formnichtige Erklärung einer fristlosen Kündigung abgegeben hätte. Denn insoweit war es gerade Zweck eines konstitutiven Schriftformerfordernisses, einmaligen Momentreaktionen keine Rechtsgültigkeit beizumessen. Hier liegen die Dinge jedoch anders: Der Kläger hat nach der Darstellung der Beklagten in dem aus dienstlichem Anlaß angesetzten Gespräch nicht nur in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang zweimal erklärt "Ich höre auf, ich kündige fristlos", und zwar mit der Erläuterung, er brauche sich die Vorhaltungen nicht gefallen zu lassen, auf diese Art werde seine Kündigung vorbereitet, gleich kämen auch noch die Spesen, das habe er nicht nötig, sondern er soll nach Verlassen des Büros seines Dienstvorgesetzten nach kurzer Zeit wieder erschienen sein mit der Erklärung "Meine Entscheidung steht, ich höre auf, ich kündige fristlos". Insbesondere die Formulierung "Meine Entscheidung steht", und zwar nach den Vorhaltungen des Vorgesetzten, er solle auch an seine Familie denken, was der Kläger mit den Worten quittiert haben soll "Meine Familie geht dich nichts an", machen deutlich, daß es sich nicht um einen spontanen, übereilten Entschluß des Klägers handelte, sondern um eine abschließende Entscheidung.
Wenn in dieser Hinsicht am Erklärungsgehalt der Worte des Klägers noch Zweifel bestünden, so würden sie jedenfalls durch die in dem früheren Gespräch wegen der angeblichen Kontakte zwischen dem Zeugen L und der Ehefrau des Klägers gefallene Äußerung beseitigt, falls es doch ein solches Gespräch gegeben habe, hätte er, der Kläger, fristlos gekündigt. Das heißt, es ist davon auszugehen, daß sich der Kläger aufgrund der Umstände im Zusammenhang mit seiner Partnerwahl und den daraus resultierenden familiären Schwierigkeiten ohnehin mit dem Gedanken trug, das Arbeitsverhältnis aufzukündigen. In diese Richtung deuten auch die weiteren, von der Beklagten unter Beweis gestellten Behauptungen, wonach der Kläger bereits vorher persönliche Sachen aus seinem Büro entfernt und u.a. am 9. Oktober 1995 gegenüber der Mitarbeiterin B erklärt haben soll, daß die Beklagte nicht mehr seine Firma sei. Bei einer derartigen Sachlage, nämlich daß der Weggang vom Kläger sogar längerfristig ins Auge gefaßt war, kann von Übereilung keineswegs die Rede sein und wäre es dem Kläger wegen rechtsmißbräuchlichen Handelns verwehrt, sich im nachhinein darauf zu berufen, seiner eigenen Kündigung ermangele die Schriftform.
3. Der Senat braucht daher nicht mehr zu prüfen, ob nicht die Formvorschrift des § 12 des Anstellungsvertrages aufgrund der wechselseitigen Erklärungen der Parteien - auch formlos - abbedungen worden ist (vgl. dazu BAG Urteil vom 4. Juni 1963 - 5 AZR 16/63 - AP Nr. 1 zu § 127 BGB; Urteil vom 27. März 1987 - 7 AZR 527/85 - AP Nr. 29 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BGH Urteil vom 26. November 1964 - VII ZR 111/63 - AP Nr. 2 zu § 127 BGB).
Schließlich kann unerörtert bleiben, ob eine eventuell unwirksame außerordentliche Kündigung in ein Angebot des Klägers zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses umgedeutet werden kann, welches die Beklagte angenommen haben könnte und ob insoweit an der bisherigen Rechtsprechung (BAG Urteile vom 13. April 1972 - 2 AZR 243/71 - AP Nr. 64 zu § 626 BGB und vom 24. Januar 1985 - 2 AZR 67/84 - AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel mit Anm. von Herschel) in vollem Umfang (siehe auch die Kritik von H. P. Westermann, Anm. zu AP Nr. 64 zu § 626 BGB) festzuhalten ist. Außerdem kann dahingestellt bleiben, ob - worauf auch die Revision hinweist - jedenfalls eine (mangels wichtigen Grundes) unwirksame außerordentliche Kündigung des Klägers in eine jederzeit mögliche und wirksame ordentliche Kündigung umzudeuten wäre.
Unterschriften
Etzel Bitter Bröhl Nipperdey Kuemmel-Pleißner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 04.12.1997 durch Anderl, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 200 |
BB 1998, 53 |
BB 1998, 645 |
DB 1998, 1038 |
DB 1998, 84 |
NJW 1998, 1659 |
FA 1998, 121 |
FA 1998, 65 |
JurBüro 1998, 217 |
NZA 1998, 420 |
RdA 1998, 190 |
ZAP 1998, 304 |
ZTR 1998, 281 |
AP, 0 |
AuA 1998, 395 |
MDR 1998, 542 |