Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung. Hochschule. Rückwirkung
Leitsatz (redaktionell)
- Das HdaVÄndG hat die §§ 57a ff. HRG i.d.F. des 5. HRGÄndG rückwirkend wieder in Kraft gesetzt. Hierdurch ist nachträglich die hochschulrahmenrechtliche Rechtsgrundlage für die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags der Parteien geschaffen worden. Die zeitliche Rückerstreckung der §§ 57a ff. HRG n.F. auf die zwischen dem 23.02.2002 und dem 27.07.2004 abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal an Hochschulen verstößt nicht gegen das Gebot des Vertrauensschutzes, da nur die Rechtslage wieder hergestellt wurde, von der beide Parteien beim Abschluss des Arbeitsvertrags ausgehen mussten.
- Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz für das Zeitvertragsrecht des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen.
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 3; HRG § 57a Abs. 1, § 57b Abs. 1, 3, § 57f Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. November 2005 – 11 Sa 549/05 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund Befristung am 31. August 2004 geendet hat.
Der Kläger ist seit dem 1. April 1992 auf Grund mehrerer befristeter Arbeitsverträge, zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft, seit 1. April 1998 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bielefeld beschäftigt. Vom 1. Oktober 1992 bis zum 14. Oktober 1993, vom 1. Januar 1995 bis zum 3. November 1996 und vom 1. April 1997 bis zum 30. September 1997 bestand kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien. Vom Wintersemester 1994/1995 bis zum Wintersemester 1997/1998 war der Kläger als Doktorand im Promotionsstudiengang eingeschrieben. Der Kläger schloss die am 1. Oktober 1994 begonnene Promotion am 16. Juni 1998 ab. Den letzten befristeten Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien am 19. Dezember 2003 für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis zum 31. August 2004. Nach § 2 des Arbeitsvertrags war das Arbeitsverhältnis “nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG (einschließlich Beschäftigungszeiten, die nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG noch nicht ausgeschöpft worden sind) befristet”.
Mit der am 21. September 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zum 31. August 2004 geltend gemacht und die Auffassung vertreten, die Befristung könne nicht auf § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG in der ab 23. Februar 2002 geltenden Fassung des 5. HRGÄndG gestützt werden, da das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz am 27. Juli 2004 für nichtig erklärt habe. Den Vorschriften der §§ 57a ff. HRG in der bis zum 22. Februar 2002 geltenden Fassung (aF) genüge die Befristungsabrede nicht. Die am 27. Dezember 2004 erfolgte Neuregelung der §§ 57a ff. HRG in der Fassung des HdaVÄndG (nF) sei auf seinen Arbeitsvertrag nicht anzuwenden, da er Vertrauensschutz genieße und die Laufzeit seines Arbeitsvertrags bereits vor der Neuregelung abgelaufen sei. Außerdem verstoße die rückwirkende Inkraftsetzung der §§ 57a ff. HRG nF gegen das Rechtsstaatsprinzip und sei daher verfassungswidrig.
Der Kläger hat, soweit für die Revision von Interesse, beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Befristung vom 19. Dezember 2003 nicht zum 31. August 2004 aufgelöst ist.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die rechtzeitig erhobene Befristungskontrollklage gegen die im letzten Arbeitsvertrag vom 19. Dezember 2003 vereinbarte Befristung zum 31. August 2004 zu Recht abgewiesen. Die Befristung ist nach § 57a Abs. 1 Satz 1, § 57b Abs. 1, § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG idF des HdaVÄndG vom 27. Dezember 2004 (HRG nF) gerechtfertigt. Zwar lagen die hochschulrahmenrechtlichen Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 19. Dezember 2003 nicht vor. Die §§ 57a ff. HRG idF des 5. HRGÄndG waren nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 nichtig (BVerfG 27. Juli 2004 – 2 BvF 2/02 – BVerfGE 111, 226, 246, 270, 273). Das HdaVÄndG hat die §§ 57a ff. HRG idF des 5. HRGÄndG aber rückwirkend wieder in Kraft gesetzt. Hierdurch ist nachträglich die hochschulrahmenrechtliche Rechtsgrundlage für die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags der Parteien geschaffen worden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der die Befristung tragenden Normen bestehen nicht. Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz für das Zeitvertragsrecht des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Die zeitliche Rückerstreckung der §§ 57a ff. HRG nF auf die in der Zeit zwischen dem 23. Februar 2002 und dem 27. Juli 2004 abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal an Hochschulen verstößt nicht gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Gebot des Vertrauensschutzes. Das HdaVÄndG stellt nur die Rechtslage wieder her, von der beide Parteien beim Abschluss des Arbeitsvertrags am 19. Dezember 2003 ausgehen mussten.
I. Die von den Parteien im Vertrag vom 19. Dezember 2003 für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis zum 31. August 2004 vereinbarte Befristung bedurfte keines sachlichen Grundes. Sie ist nach § 57f Abs. 1 Satz 1 iVm. § 57a Abs. 1 Satz 1, § 57b Abs. 1 HRG nF gerechtfertigt.
1. Nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG nF ist die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 57a Abs. 1 Satz 1 HRG nF genannten Personals, das nicht promoviert ist, bis zur Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion ist gemäß § 57b Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. HRG nF eine Befristung bis zur Dauer von sechs Jahren zulässig; die zulässige Befristungsdauer verlängert sich nach § 57b Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. HRG nF in dem Umfang, in dem Zeiten einer befristeten Beschäftigung nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG nF und Promotionszeiten ohne Beschäftigung nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG nF zusammen weniger als sechs Jahre betragen haben.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Nach § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF sind die §§ 57a ff. HRG nF auf den am 19. Dezember 2003 abgeschlossenen Arbeitsvertrag anzuwenden. Der Kläger war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wissenschaftlicher Mitarbeiter iSd. § 57a Abs. 1 Satz 1 HRG nF an einer Hochschule. Dies ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Kläger wurde zwar nach Abschluss der Promotion am 16. Juni 1998 bis zum 31. August 2004 und damit länger als sechs Jahre befristet an der Universität Bielefeld beschäftigt. Die zweieinhalbmonatige Überschreitung der in § 57b Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. HRG nF normierten sechsjährigen Befristungsdauer war jedoch nach § 57b Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. HRG nF zulässig, da die Zeit der befristeten Beschäftigung des Klägers vor seiner Promotion und die Promotionszeit ohne Beschäftigung zusammen nur fünf Jahre und zwei Monate und damit weniger als sechs Jahre betragen hat. Das Arbeitsverhältnis konnte deshalb nach Abschluss der Promotion am 16. Juni 1998 für sechs Jahre und 10 Monate befristet werden, somit bis zum 15. April 2005. Diese Höchstdauer wurde durch die im Arbeitsvertrag vom 19. Dezember 2003 vereinbarte Befristung zum 31. August 2004 nicht überschritten.
2. Das Zitiergebot des § 57b Abs. 3 Satz 1 HRG nF ist eingehalten. Danach ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des HRG beruht. Diese Voraussetzung erfüllt § 2 des Arbeitsvertrags, wonach das Arbeitsverhältnis nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG (einschließlich Beschäftigungszeiten, die nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG noch nicht ausgeschöpft worden sind) befristet war.
II. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der die Befristung tragenden Vorschriften bestehen nicht. Dies hat der Senat bereits in dem den Parteien übersandten Urteil vom 21. Juni 2006 (– 7 AZR 234/05 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen ≪zVv.≫, zu III der Gründe) entschieden. Die §§ 57a bis 57f HRG nF sind nicht verfassungswidrig. Die in § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF enthaltene Erstreckung der §§ 57a ff. HRG nF auf die in der Zeit vom 23. Februar 2002 bis zum 26. Juli 2004 abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge stellt insbesondere keine mit Art. 12 Abs. 1 GG iVm. mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbare Rückwirkung dar. An dieser Auffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in der Revisionsinstanz fest.
1. Der Bundesgesetzgeber hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung des Zeitvertragsrechts des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Hochschulen. Auch die sich aus Art. 72 Abs. 2 GG für die konkurrierende Gesetzgebung ergebenden Anforderungen an das Gesetzgebungsrecht des Bundes sind erfüllt (vgl. hierzu ausführlich BAG 21. Juni 2006 – 7 AZR 234/05 – zVv., zu III 1a bis III 1c der Gründe). Gegenteiliges macht auch die Revision nicht geltend.
2. § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF ist nicht wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG iVm. dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden Rückwirkungsverbot unwirksam. § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF enthält zwar eine echte Rückwirkung. Der Gesetzgeber konnte aber ohne Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes den zeitlichen Geltungsbereich der §§ 57a ff. HRG nF auf Befristungsabreden erstrecken, die vom 23. Februar 2002 bis zur Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 vereinbart wurden. Durch die Nichtigkeitserklärung des gesamten 5. HRGÄndG bestand für die seit dem 23. Februar 2002 geschlossenen und bis zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht bestandskräftig abgewickelten befristeten Verträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal eine Regelungslücke. Schutzwürdiges Vertrauen der Vertragsparteien, das die rückwirkende Regelungskompetenz des Gesetzgebers begrenzt hat, konnte in der Zeit zwischen der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bis zum Inkrafttreten des § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF nicht entstehen. Mit den gegenüber der rückwirkenden Inkraftsetzung der §§ 57a ff. HRG nF von der Revision angeführten Argumenten hat sich der Senat bereits in der Entscheidung vom 21. Juni 2006 (– 7 AZR 234/05 – zVv., zu III 3 der Gründe) ausführlich auseinandergesetzt, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
III. Soweit der Kläger mit der Revision geltend macht, er habe darauf vertraut, dass sein Arbeitsverhältnis auf keinen Fall am 31. August 2004 endet werde, weil der Dekan bei dem Kanzler der Universität einen Antrag auf Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrags gestellt habe, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Befristung. Für die Wirksamkeit der Befristung sind ausschließlich die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestehenden tatsächlichen Umstände von Bedeutung. Während der Vertragslaufzeit eintretende Änderungen berühren die Wirksamkeit der vereinbarten Befristung grundsätzlich nicht (vgl. zur Sachgrundbefristung BAG 16. November 2005 – 7 AZR 81/05 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 264, zu B II 2d cc (1) der Gründe; 4. Juni 2003 – 7 AZR 523/02 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 252 = EzA BGB 2002 § 620 Nr. 4, zu 1c der Gründe). Im Übrigen konnte der Kläger allein auf Grund des Antrags des Dekans nicht davon ausgehen, dass der Kanzler diesem auch entsprechen würde.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Gräfl, Koch, Coulin, Zumpe
Fundstellen