Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung. Hochschule. Rückwirkung
Leitsatz (redaktionell)
- Das HdaVÄndG hat die §§ 57a ff. HRG i.d.F. des 5. HRGÄndG rückwirkend wieder in Kraft gesetzt. Hierdurch ist nachträglich die hochschulrahmenrechtliche Rechtsgrundlage für die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags der Parteien geschaffen worden. Die zeitliche Rückerstreckung der §§ 57a ff. HRG n.F auf die zwischen dem 23.02.2002 und dem 27.07.2004 abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal an Hochschulen verstößt nicht gegen das Gebot des Vertrauensschutzes, da nur die Rechtslage wieder hergestellt wurde, von der beide Parteien beim Abschluss des Arbeitsvertrags ausgehen mussten.
- Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz für das Zeitvertragsrecht des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen.
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 3; BAT § 2 SR 2y Nr. 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 6. Juni 2005 – 10 Sa 100/05 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund Befristung am 31. Dezember 2004 geendet hat.
Der Kläger ist Biologe und war seit dem Jahr 2002 an der Universität Düsseldorf beschäftigt. Zunächst war er als wissenschaftliche Hilfskraft tätig, seit seiner Promotion am 22. Mai 2003 wurde er als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 13. Oktober 2003 war für die Zeit vom 3. November 2003 bis zum 31. Dezember 2004 befristet. Nach § 1 des Vertrags wurde der Kläger “… auf bestimmte Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter nach § 57a ff. HRG in der Fassung vom 8. August 2002 nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG nach Abschluss der Promotion für die Zeit bis zum 31. Dezember 2004 …” eingestellt.
Der Kläger wandte sich mit der am 18. Oktober 2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der Befristung zum 31. Dezember 2004.
Am 11. Februar 2005 schlossen die Parteien einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 2. Mai 2005 bis 29. Februar 2008.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die in dem Arbeitsvertrag vom 13. Oktober 2003 vereinbarte Befristung zum 31. Dezember 2004 sei unwirksam. Auf § 57b Abs. 1 HRG in der Fassung des 5. HRGÄndG könne die Befristung nicht gestützt werden, da das Bundesverfassungsgericht das 5. HRGÄndG einschließlich der befristungsrechtlichen Vorschriften für nichtig erklärt habe. Die rückwirkende Inkraftsetzung dieser Vorschriften durch das HdaVÄndG vom 27. Dezember 2004 verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip und sei deshalb verfassungswidrig.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auf Grund des Arbeitsvertrags vom 13. Oktober 2003 nicht mit dem 31. Dezember 2004 beendet wird.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die im Arbeitsvertrag vom 13. Oktober 2003 vereinbarte Befristung unterliegt der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Die Befristung ist nach § 57a Abs. 1 Satz 1, § 57b Abs. 1, § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG idF des HdaVÄndG vom 27. Dezember 2004 (HRG nF) gerechtfertigt. Zwar lagen die hochschulrahmenrechtlichen Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 13. Oktober 2003 nicht vor. Die §§ 57a ff. HRG idF des 5. HRGÄndG waren nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 nichtig (BVerfG 27. Juli 2004 – 2 BvF 2/02 – BVerfGE 111, 226, 246, 270, 273). Das HdaVÄndG hat die §§ 57a ff. HRG idF des 5. HRGÄndG aber rückwirkend wieder in Kraft gesetzt. Hierdurch ist nachträglich die hochschulrahmenrechtliche Rechtsgrundlage für die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags der Parteien geschaffen worden. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der die Befristung tragenden Normen bestehen nicht. Der Bund hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz für das Zeitvertragsrecht des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Die zeitliche Rückerstreckung der §§ 57a ff. HRG nF auf die in der Zeit vom 23. Februar 2002 bis zum 27. Juli 2004 abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal an Hochschulen verstößt nicht gegen das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Gebot des Vertrauensschutzes. Das HdaVÄndG stellt lediglich die Rechtslage wieder her, von der beide Parteien bei Abschluss des Arbeitsvertrags am 13. Oktober 2003 ausgehen mussten. §§ 57a ff. HRG nF entsprechen auch den für die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge geltenden gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen. Der Wirksamkeit der Befristung steht Nr. 2 Abs. 1 SR 2y BAT nicht entgegen. Diese Vorschrift ist auf Befristungen, die auf §§ 57a ff. HRG nF gestützt werden, nach § 57a Abs. 1 HRG nF nicht anwendbar.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die in dem Arbeitsvertrag vom 13. Oktober 2003 vereinbarte Befristung zum 31. Dezember 2004 der Befristungskontrolle unterzogen. Der gerichtlichen Kontrolle der Befristung steht nicht entgegen, dass die Parteien nach der am 21. Oktober 2004 erfolgten Zustellung der Befristungskontrollklage hinsichtlich der zum 31. Dezember 2004 vereinbarten Befristung bei dem beklagten Land am 11. Februar 2005 einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 2. Mai 2005 bis zum 29. Februar 2008 abgeschlossen haben. Diesen Vertrag haben die Parteien unter dem konkludenten Vorbehalt vereinbart, dass er ihr Arbeitsverhältnis nur regeln soll, wenn nicht bereits auf Grund des vorangegangenen Arbeitsvertrags vom 13. Oktober 2003 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht (vgl. hierzu BAG 10. März 2004 – 7 AZR 402/03 – BAGE 110, 38 = AP TzBfG § 14 Nr. 11 = EzA TzBfG § 14 Nr. 9, zu II 2 der Gründe).
II. Die von den Parteien im Vertrag vom 13. Oktober 2003 für die Zeit vom 3. November 2003 bis zum 31. Dezember 2004 vereinbarte Befristung bedurfte keines sachlichen Grundes. Sie ist nach § 57f Abs. 1 Satz 1 iVm. § 57a Abs. 1 Satz 1, § 57b Abs. 1 HRG nF gerechtfertigt.
1. Nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG nF ist die Befristung von Arbeitsverträgen des in § 57a Abs. 1 Satz 1 HRG nF genannten Personals, das nicht promoviert ist, bis zur Dauer von sechs Jahren zulässig. Nach abgeschlossener Promotion ist gemäß § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG nF eine Befristung bis zur Dauer von sechs Jahren zulässig.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Nach § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF sind die §§ 57a ff. HRG nF auf den am 13. Oktober 2003 abgeschlossenen Arbeitsvertrag der Parteien anzuwenden. Der Kläger war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wissenschaftlicher Mitarbeiter iSd. § 57a Abs. 1 Satz 1 HRG nF an einer Hochschule. Er war nach seiner Promotion am 22. Mai 2003 weniger als sechs Jahre an der Universität Düsseldorf beschäftigt.
2. Das Zitiergebot des § 57b Abs. 3 Satz 1 HRG nF ist eingehalten. Danach ist im Arbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften des HRG beruht. Diese Voraussetzungen erfüllt § 1 des Arbeitsvertrags, wonach der Kläger ab 3. November 2003 “… nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG nach Abschluss der Promotion für die Zeit bis zum 31. Dezember 2004” eingestellt wurde.
III. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der die Befristung tragenden Vorschriften bestehen nicht. Dies hat der Senat bereits in dem den Parteien übersandten Urteil vom 21. Juni 2006 (– 7 AZR 234/05 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen ≪zVv.≫, zu III der Gründe) entschieden. Die §§ 57a bis 57f HRG nF sind nicht verfassungswidrig. Die in § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF enthaltene Erstreckung der §§ 57a ff. HRG nF auf die in der Zeit vom 23. Februar 2002 bis zum 26. Juli 2004 abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträge stellt insbesondere keine mit Art. 12 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbare Rückwirkung dar. An dieser Auffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in der Revisionsinstanz fest.
1. Der Bundesgesetzgeber hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Gesetzgebungskompetenz für die Regelung des Zeitvertragsrechts des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Hochschulen. Auch die sich aus Art. 72 Abs. 2 GG für die konkurrierende Gesetzgebung ergebenden Anforderungen an das Gesetzgebungsrecht des Bundes sind erfüllt. Gegenteiliges macht auch die Revision nicht geltend (vgl. hierzu ausführlich BAG 21. Juni 2006 – 7 AZR 234/05 – zVv., zu III 1a bis III 1c der Gründe).
2. § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF ist nicht wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG iVm. dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ergebenden Rückwirkungsverbot unwirksam. § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF enthält zwar eine echte Rückwirkung. Der Gesetzgeber konnte aber ohne Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes den zeitlichen Geltungsbereich der §§ 57a ff. HRG nF auf Befristungsabreden erstrecken, die bis zur Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juli 2004 vereinbart wurden. Durch die Nichtigkeitserklärung des gesamten 5. HRGÄndG bestand für die seit dem 23. Februar 2002 geschlossenen und bis zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht bestandskräftig abgewickelten befristeten Verträge mit wissenschaftlichem und künstlerischem Personal eine Regelungslücke. Schutzwürdiges Vertrauen der Vertragsparteien, das die rückwirkende Regelungskompetenz des Gesetzgebers begrenzt hat, konnte in der Zeit zwischen der Verkündung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bis zum Inkrafttreten des § 57f Abs. 1 Satz 1 HRG nF nicht entstehen. Mit den gegenüber der rückwirkenden Inkraftsetzung der §§ 57a ff. HRG nF von der Revision angeführten Argumenten hat sich der Senat bereits in der Entscheidung vom 21. Juni 2006 (– 7 AZR 234/05 – zVv., zu III 3 der Gründe) ausführlich auseinandergesetzt, worauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
IV. Die Regelungen in § 57b Abs. 1 Satz 1 und 2 HRG nF genügen den Vorgaben der Richtlinie 1999/70/EG des Rates zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 28. Juni 1999 (ABl. EG 1999 L 175 S. 43). Die Befristungsrichtlinie und die Rahmenvereinbarung verlangen von den Mitgliedstaaten nur die Ergreifung einer der drei in § 5 Abs. 1 Buchst. a) bis c) der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge. Durch die Regelung in § 57b Abs. 1 Satz 1 und 2 HRG nF hat sich der nationale Gesetzgeber für das Erfordernis der Höchstbefristungsdauer (§ 5 Abs. 1 Buchst. b) der Rahmenvereinbarung) entschieden.
V. Der Wirksamkeit der in dem Arbeitsvertrag vom 13. Oktober 2003 vereinbarten Befristung steht Nr. 2 Abs. 1 SR 2y BAT nicht entgegen. Diese Tarifbestimmung ist nach § 57a Abs. 1 Satz 2 HRG nF auf Befristungen, die nach den Vorschriften des HRG vereinbart werden, nicht anzuwenden.
Nach § 57a Abs. 1 Satz 2 HRG nF kann von den Vorschriften der §§ 57b und 57c HRG nF nicht abgewichen werden. Nr. 2 Abs. 1 SR 2y BAT weicht von § 57b Abs. 3 Satz 1 HRG nF ab, da nach der Tarifnorm die Angabe der Befristungsgrundform im Arbeitsvertrag erforderlich ist, während nach § 57b Abs. 3 Satz 1 HRG nF im Arbeitsvertrag anzugeben ist, dass die Befristung auf den Vorschriften des HRG beruht. Nach § 57a Abs. 1 Satz 3 HRG nF kann durch Tarifvertrag lediglich für bestimmte Fachrichtungen und Forschungsbereiche von den in § 57b HRG nF vorgeschriebenen Fristen abgewichen und die Anzahl der zulässigen Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge festgelegt werden. Um eine derartige Vorschrift handelt es sich bei der Bestimmung in Nr. 2 Abs. 1 SR 2y BAT nicht.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Gräfl, Koch, Coulin, Zumpe
Fundstellen