Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessenheit eines Nachtarbeitszuschlags. dauerhafte Nachtarbeit
Orientierungssatz
1. Bei dem Merkmal der Angemessenheit iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zukommt. Zur Beurteilung der Angemessenheit eines Ausgleichs für geleistete Nachtarbeit iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG bedarf es konkreter Feststellungen zur Art der jeweiligen Tätigkeit und der mit dieser verbundenen Belastung. Ohne solche Feststellungen hält eine landesarbeitsgerichtliche Entscheidung auch einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht nicht stand.
2. Will ein Tatsachengericht abweichend von dem regelmäßig als angemessen angesehenen Ausgleich iHv. 25 % bzw. bei Dauernachtarbeit von 30 % des jeweiligen Bruttostundenlohns bzw. dem entsprechenden Freizeitausgleich einen anderen Wert als angemessen ansehen, hat es konkret auszuführen, auf welche tatsächlichen Umstände es seine Annahme stützt und inwieweit diese eine höhere oder mindere Belastung durch die Nachtarbeit bedingen.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1; Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung Erwägungsgrund 7; Richtlinie 2002/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben Erwägungsgründe 11; Richtlinie 2002/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben Erwägungsgründe 12; Richtlinie 2002/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben Erwägungsgründe Art. 7 Abs. 1; ArbZG § 2 Abs. 3-5, § 6 Abs. 5, § 7; BGB §§ 262-263, 362 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revisionen beider Parteien wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 29. Januar 2015 – 4 Sa 557/14 – aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Ausgleich für geleistete Nachtarbeit.
Die Beklagte ist Teil einer weltweit tätigen Logistik- und Paketdienstleistungsgruppe. Sie ist nicht tarifgebunden. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet. Die Beklagte beschäftigt ca. 500 Kraftfahrer.
Der Kläger ist seit 1997 als Lkw-Fahrer im Linientransport überwiegend in der Zeit zwischen 20:00 Uhr bis 06:00 Uhr tätig. Grundlage war zuletzt der Arbeitsvertrag vom 1. Juli 2000. Die Beklagte zahlte für die in der Zeit von 21:00 Uhr bis 06:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden zum Bruttostundenlohn einen in den Gehaltsabrechnungen als „Nachtarbeitszuschlag fest” bezeichneten Zuschlag. Dieser betrug zuletzt 3,18 Euro und damit 20 % des Bruttostundenlohns von 15,90 Euro.
Die Arbeitsabläufe bei der U-Gruppe gestalten sich wie folgt: Zunächst wird die Paketsendung von einem Zustellfahrzeug beim Kunden abgeholt und in die Abholniederlassung vor Ort gebracht. Dort werden die abgeholten Sendungen entladen und je nach Zieldestination in Container verladen. Dies erfolgt bis ca. 20:00 Uhr. Die Container werden anschließend zu den Hauptumschlagsbasen (HUB) transportiert. Dort erfolgt eine Sortierung aller von verschiedenen Abholniederlassungen oder von anderen HUB in Containern eingehenden Sendungen. Diese werden dann sortiert nach Zielniederlassungen wieder in Container verladen und zur Zielniederlassung gebracht. Dort angekommen werden die Container entladen, nach Zustellgebieten sortiert und in die jeweiligen Zustellfahrzeuge verladen und vom jeweiligen Paketzusteller beim Kunden zugestellt. Der Transport von einer Abholniederlassung zu den HUB, zwischen HUB und von dort zu den Zielniederlassungen erfolgt in großen Lastkraftwagen (Feeder). Diese Transporte sind Aufgabe der Beklagten innerhalb der U-Gruppe, für die auch der Kläger eingesetzt wird. Zuletzt fuhr er als sog. Springer vor allem verschiedene Nachttouren, ua. die Routen M003 (G – B – G – R – G) sowie AL01 (A – N – G – N – A).
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Nachtarbeitszuschlag iHv. 30 % seines Bruttostundenlohns zu. Er leiste dauerhaft Nachtarbeit, was mit erheblichen Anstrengungen und gesundheitlichen Belastungen verbunden sei. Der natürliche Biorhythmus werde durch die Nachtarbeit gestört. Nachtfahrten mit dem Lkw würden eine besonders hohe Konzentration auf das Verkehrsgeschehen erfordern. Durch die Zahlung eines Zuschlags seit Beginn des Arbeitsverhältnisses habe sich die Wahlschuld nach § 6 Abs. 5 ArbZG auf den Zahlungsanspruch konkretisiert. Dies folge im Übrigen auch aus dem Umstand, dass nach dem Vortrag der Beklagten die Zahlung des Nachtarbeitszuschlags mit dem Betriebsrat vereinbart worden sei. Jedenfalls stehe ihm nach Wahl der Beklagten ein solcher Nachtzuschlag oder eine entsprechende Anzahl freier Tage zu.
Der Kläger hat zuletzt beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.393,83 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in gestaffelter Höhe jeweils ab dem 11. des Folgemonats zu zahlen.
Hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, wahlweise an den Kläger 9.393,83 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in gestaffelter Höhe jeweils ab dem 11. des Folgemonats zu zahlen oder ihm 146 bezahlte freie Tage á acht Arbeitsstunden zu gewähren.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die ab dem 1. März 2014 geleistete Nachtarbeit einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % des Bruttostundenlohns für jede zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunde zu zahlen.
Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die ab dem 1. März 2014 geleistete Nachtarbeit wahlweise einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % des Bruttostundenlohns für jede zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunde zu zahlen oder für jeweils 80 vom Kläger zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Nachtarbeitsstunden drei bezahlte freie Tage á acht Arbeitsstunden zu gewähren.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, sie zahle einen angemessenen Zuschlag für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden. Der nächtliche Warentransport sei zur Durchführung des Geschäfts der Beklagten als Teil der U-Gruppe zwingend erforderlich. Der Transport der Paketsendungen zur jeweiligen HUB und zur Zielniederlassung über Nacht ermögliche die Zustellung der Express- und Standardprodukte entsprechend dem Serviceversprechen. Die Nachtarbeit werde nicht geleistet, um die Produktion zu steigern, sondern um eine wettbewerbsfähige Warenzustellung überhaupt erst zu ermöglichen. Bei ihr seien ca. 90 % der Kraftfahrer in Nachtarbeit tätig und sie gewähre bereits einen deutlich übertariflichen Stundenlohn. In der Logistikbranche sei es nicht üblich, einen hohen Nachtarbeitszuschlag zu zahlen. Im Übrigen bezahle sie für die in der Zeit von 21:00 Uhr bis 23:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden freiwillige Zuschläge, die auf die Nachtarbeitszeit nach 23:00 Uhr umzulegen seien. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass während der Arbeitszeit des Klägers sog. Verfügbarkeitszeiten anfielen, die sich zuschlagsmindernd auswirkten. Dabei handele es sich um einen Zeitraum von etwa einer Stunde pro Nacht auf der Tour M003 und von etwa 1,5 Stunden pro Nacht auf der Tour AL01. Zwar handele es sich nicht um eine Pause, der Kläger müsse jedoch während dieser Zeit keine Arbeitsleistung erbringen, sondern könne sich entspannen und sich ggf. in die in der Regel vorhandene Schlafkabine zurückziehen.
Das Arbeitsgericht hat sowohl der Zahlungsklage (Antrag zu 1.) als auch der Klage auf zukünftige Leistung (früherer Antrag zu 2.) teilweise, nämlich bezogen auf einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 25 %, stattgegeben. Zinsen hat es jeweils ab dem fünften Arbeitstag des Folgemonats zugesprochen. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision strebt der Kläger vorrangig eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Nachtarbeitszuschlags iHv. 30 % an. Die Beklagte begehrt weiterhin eine vollständige Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die zulässigen Revisionen beider Parteien sind begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung können die Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Mangels entsprechender Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht kann der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Das angegriffene Urteil ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
A. Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann dessen in Haupt- und Hilfsanträgen nunmehr zulässige Klage auch nicht zum Teil abgewiesen werden.
I. Die Klageanträge sind in der zuletzt in der Revision zur Entscheidung gestellten Fassung zulässig.
1. Der Hauptantrag zu 1. ist als Leistungsantrag zulässig. Ob die Beklagte vergangenheitsbezogen noch ein Wahlrecht zwischen Zahlung und Freistellung hat, ist keine Frage der Zulässigkeit des Antrags, sondern seiner Begründetheit (vgl. dazu BAG 12. Dezember 2012 – 5 AZR 918/11 – Rn. 31).
2. Hilfsweise zum Hauptantrag zu 1. begehrt der Kläger eine bezifferte Zahlung oder eine bezifferte Gewährung bezahlter freier Tage nach Wahl des Arbeitgebers. Auch dieser Antrag ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts zulässig, insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem Vorbringen des Klägers ist zu entnehmen, dass sich der Antrag auf den gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG bezieht. Dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 ArbZG folgend wird der Beklagten ein Wahlrecht eingeräumt, ob der Ausgleich durch Zahlung eines Nachtarbeitszuschlags oder durch Gewährung freier Tage erfolgt (vgl. zu einer solchen Antragstellung zB: BAG 12. Dezember 2012 – 5 AZR 918/11 – Rn. 31; 18. Mai 2011 – 10 AZR 369/10 –). Aus dem Vortrag des Klägers musste auch für das Landesarbeitsgericht erkennbar sein, dass er als bezahlten freien Tag einen 8-Stunden-Tag ansieht, da er für 80 Arbeitsstunden (= 10 Arbeitstage á 8 Stunden) die Freistellung im Umfang von drei Arbeitstagen (= 30 % von 10 Arbeitstagen) begehrt. Soweit das Landesarbeitsgericht daran Zweifel hatte, hätte es diese nach § 139 ZPO aufklären müssen. In der Revision hat der Kläger dies nunmehr ausdrücklich durch die Angabe der Stundenanzahl klargestellt. Welche Länge seine Arbeitstage tatsächlich hatten, ist für die Zulässigkeit des Antrags unerheblich.
3. In der Revision hat der Kläger den Antrag zu 2. vom (unzulässigen) Antrag auf zukünftige Leistung (vgl. dazu BAG 22. Oktober 2014 – 5 AZR 731/12 – Rn. 40 ff., BAGE 149, 343; 28. Januar 2009 – 4 AZR 904/07 – Rn. 42) auf einen Feststellungsantrag umgestellt. Mit diesem begehrt er die Feststellung eines Zahlungsanspruchs, hilfsweise die Feststellung dieses Zahlungsanspruchs oder die Gewährung freier Tage als Wahlschuld. Haupt- und Hilfsantrag sind zulässig.
a) Es handelt sich um eine ausnahmsweise in der Revision zulässige Klageänderung iSv. § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. zu den Voraussetzungen zB BAG 22. Oktober 2014 – 5 AZR 731/12 – Rn. 36, BAGE 149, 343). Bei gleichbleibendem Klagegrund liegt nur eine qualitative Änderung des Klageantrags vor.
b) Haupt- und Hilfsantrag beziehen sich als Feststellungsanträge auf den gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG. Sie sind – wie dargelegt – hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und jeweils auf die Feststellung eines zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet, nämlich auf die Angemessenheit des Ausgleichs für im Arbeitsverhältnis geleistete Nachtarbeitsstunden gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG. Die Feststellungsklage kann sich nach § 256 Abs. 1 ZPO auf einzelne Ansprüche beschränken (vgl. zuletzt BAG 15. April 2015 – 10 AZR 250/14 – Rn. 18). Gegenstand des Feststellungsantrags ist nicht die Überprüfung einer abstrakten Rechtsfrage (dazu BAG 24. April 2007 – 1 ABR 27/06 – Rn. 15, BAGE 122, 121).
c) Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Zwischen den Parteien steht ausschließlich im Streit, ob die Beklagte mit den von ihr gewährten Zuschlägen auf den Bruttostundenlohn iHv. zuletzt 20 % einen angemessenen Ausgleich iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG gewährt hat oder ob dem Kläger für geleistete Nachtarbeit ein weiter gehender Anspruch zusteht. Der Umfang der Leistungsverpflichtung der Beklagten wird durch die begehrte Feststellung abschließend geklärt. Der Kläger war auch nach dem Fälligwerden der ab dem 1. April 2014 geltend gemachten Ansprüche nicht verpflichtet, insoweit auf Leistungsanträge überzugehen (BAG 3. Dezember 2008 – 5 AZR 74/08 – Rn. 10, BAGE 128, 342; 12. März 2008 – 4 AZR 616/06 – Rn. 16).
II. Ob die Klage begründet ist, steht noch nicht fest und kann vom Senat mangels hinreichender Feststellungen nicht selbst entschieden werden.
1. Nach § 6 Abs. 5 ArbZG ist der Arbeitgeber, soweit eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung nicht besteht, verpflichtet, dem Nachtarbeitnehmer (§ 2 Abs. 5 ArbZG) für die während der Nachtzeit (§ 2 Abs. 3 ArbZG) geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. Der Arbeitgeber kann wählen, ob er den Ausgleichsanspruch durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem erfüllt. Die gesetzlich begründete Wahlschuld (§ 262 BGB) konkretisiert sich auf eine der geschuldeten Leistungen erst dann, wenn der Schuldner das ihm zustehende Wahlrecht nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ausübt (BAG 18. Mai 2011 – 10 AZR 369/10 – Rn. 15 mwN).
2. Regelmäßig stellt ein Zuschlag iHv. 25 % auf den jeweiligen Bruttostundenlohn bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl von bezahlten freien Tagen einen angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG dar.
a) Nachtarbeit ist nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen grundsätzlich für jeden Menschen schädlich und hat negative gesundheitliche Auswirkungen (vgl. dazu BVerfG 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 – zu C I 2 der Gründe, BVerfGE 85, 191; Neumann/ Biebl ArbZG 16. Aufl. § 6 Rn. 4). Die Belastung und Beanspruchung der Beschäftigten steigt nach bisherigem Kenntnisstand in der Arbeitsmedizin durch die Anzahl der Nächte pro Monat und die Anzahl der Nächte hintereinander, in denen Nachtarbeit geleistet wird. Die Anzahl der aufeinanderfolgenden Nachtschichten sollte daher möglichst gering sein, auch wenn viele Schichtarbeiter, die in einem Rhythmus von fünf und mehr hintereinanderliegenden Nachtschichten arbeiten, subjektiv den Eindruck haben, dass ihr Körper sich der Nachtschicht besser anpasst. Dies trifft allerdings nicht zu (vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit 9. Aufl. S. 12 f.). Insgesamt ist anerkannt, dass Nachtarbeit umso schädlicher ist, in desto größerem Umfang sie geleistet wird (vgl. auch Erwägungsgrund 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung [Arbeitszeitrichtlinie]). Entsprechende Gestaltungsempfehlungen für Arbeitszeitmodelle setzen hier an (vgl. dazu zB Schliemann ArbZG 2. Aufl. § 6 Rn. 14). Dies gilt unabhängig davon, dass typabhängig die Anpassung an Nachtarbeit von Mensch zu Mensch unterschiedlich gut erfolgt (vgl. BAG 11. Dezember 2013 – 10 AZR 736/12 – Rn. 19 f. mwN, BAGE 147, 33).
b) Die Regelungen in § 6 ArbZG dienen – in Umsetzung des Handlungsauftrags des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 – zu C III 3 der Gründe, BVerfGE 85, 191) und in Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG – in erster Linie dem Schutz des Arbeitnehmers vor den für ihn schädlichen Folgen der Nacht- und Schichtarbeit (BT-Drs. 12/5888 S. 21). Dabei ist der Gesetzgeber von der Erkenntnis ausgegangen, dass auf Nachtarbeit in der modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft nicht völlig verzichtet werden kann (BT-Drs. 12/5888 S. 25). § 6 Abs. 5 ArbZG setzt hier an und soll für diejenigen Arbeitnehmer, die Nachtarbeit leisten, zumindest einen angemessenen Ausgleich für die mit der Nachtarbeit verbundenen Beeinträchtigungen gewähren (BT-Drs. 12/5888 S. 26). Die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichsleistungen nehmen der Nachtarbeit dabei nicht ihre spezifische Gesundheitsgefährdung, dienen aber unmittelbar oder mittelbar dem Gesundheitsschutz (BAG 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – zu B I 3 b bb (3) der Gründe, BAGE 102, 309). Soweit § 6 Abs. 5 ArbZG einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich begründet, liegt eine unmittelbar gesundheitsschützende Wirkung jedenfalls in den Fällen vor, in denen sich die Dauer der zu erbringenden Arbeitszeit für den Arbeitnehmer durch den bezahlten Freizeitausgleich insgesamt reduziert und dieser zeitnah gewährt wird. Soweit ein Nachtarbeitszuschlag vorgesehen ist, wirkt sich dieser auf die Gesundheit des betroffenen Arbeitnehmers nicht unmittelbar aus, sondern dient dem Gesundheitsschutz mittelbar (vgl. BAG 26. April 2005 – 1 ABR 1/04 – zu B II 2 a bb der Gründe, BAGE 114, 272; 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – zu B II 2 b der Gründe, BAGE 86, 249). Die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wird verteuert, um auf diesem Weg Nachtarbeit einzudämmen; Nachtarbeit soll für Arbeitgeber weniger attraktiv sein. Dieser Druck besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Arbeitnehmer zu einem nicht zeitnah zur Nachtarbeit liegenden Zeitpunkt von der Arbeit bezahlt freizustellen (BAG 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – zu A II 2 b aa der Gründe, aaO). Außerdem soll der Nachtarbeitszuschlag in einem gewissen Umfang den Arbeitnehmer für die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben entschädigen (BAG 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – zu B I 4 b der Gründe, aaO).
c) Der Gesetzgeber hat ausdrücklich darauf verzichtet, den Umfang des Ausgleichs für Nachtarbeit selbst festzulegen (BT-Drs. 12/5888 S. 22). Ebenso wenig hat er aber dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht iSv. § 315 BGB übertragen. Vielmehr handelt es sich bei der Bestimmung des angemessenen Ausgleichs um die Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die letztlich den Gerichten für Arbeitssachen obliegt, wenn Streit über dessen Umfang besteht (BAG 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – zu B I 3 b aa der Gründe, BAGE 102, 309; so wohl unausgesprochen auch BAG 31. August 2005 – 5 AZR 545/04 – zu I 4 der Gründe, BAGE 115, 372; 16. April 2014 – 4 AZR 802/11 – Rn. 51 ff., BAGE 148, 68; anders noch BAG 24. Februar 1999 – 4 AZR 62/98 – zu II 2.3.2 der Gründe, BAGE 91, 63 [Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB]; offengelassen in BAG 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – zu B II 3 der Gründe, BAGE 86, 249). Die Arbeitsvertragsparteien können Regelungen über Art und Umfang des Ausgleichs treffen. Diese müssen aber den Vorgaben des § 6 Abs. 5 ArbZG genügen, die Norm ist zwingend (vgl. zB BAG 15. Juli 2009 – 5 AZR 867/08 – Rn. 17, BAGE 131, 215).
d) § 6 Abs. 5 ArbZG stellt den Ausgleich durch Gewährung bezahlter freier Tage neben die Zahlung des Nachtarbeitszuschlags. Zwischen den Alternativen des Belastungsausgleichs besteht nach der gesetzlichen Regelung kein Rangverhältnis, insbesondere kein Vorrang des Freizeitausgleichs, auch wenn dies Zwecken des Gesundheitsschutzes möglicherweise dienlicher wäre. Der Arbeitgeber kann – unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats (vgl. zB BAG 26. April 2005 – 1 ABR 1/04 – zu B II 2 a bb der Gründe, BAGE 114, 272) – frei wählen, ob er den Anspruch des Arbeitnehmers durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder auch durch eine Kombination von beidem erfüllt (BAG 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – zu B II 2 der Gründe, BAGE 86, 249; 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – zu A II 1 und B II 2 b der Gründe, BAGE 102, 309; 1. Februar 2006 – 5 AZR 422/04 – Rn. 22; aA Buschmann/Ulber ArbZG 8. Aufl. § 6 Rn. 28: Vorrang freier Tage). Die Angemessenheit iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG ist dabei für beide Alternativen nach einem einheitlichen Maßstab zu beurteilen. Der Umfang der Ausgleichsverpflichtung hängt nicht davon ab, für welche Art des Ausgleichs sich der Arbeitgeber entscheidet. Vielmehr müssen sich die jeweiligen Leistungen nach ihrem Wert grundsätzlich entsprechen (BAG 1. Februar 2006 – 5 AZR 422/04 – Rn. 22).
e) Nach gefestigter Rechtsprechung aller mit dieser Frage befassten Senate des Bundesarbeitsgerichts ist ein Nachtarbeitszuschlag iHv. 25 % des Bruttostundenlohns bzw. eine entsprechende Anzahl bezahlter freier Tage regelmäßig als angemessen iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG anzusehen (vgl. zuletzt zB BAG 16. April 2014 – 4 AZR 802/11 – Rn. 59 mwN, BAGE 148, 68). Hieran hält der Senat auch angesichts der von der Revision geäußerten Kritik fest.
aa) Ausgangspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit des geforderten Ausgleichs ist nach § 6 Abs. 5 ArbZG dessen wertmäßiges Verhältnis zu dem Bruttoarbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer für die während der gesetzlichen Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden zusteht. Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm. Der für geleistete Nachtarbeit geschuldete angemessene Zuschlag ist danach „auf” das dem Arbeitnehmer hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren (so bereits BAG 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – zu B I 2 b der Gründe, BAGE 102, 309; 27. Mai 2003 – 9 AZR 180/02 – zu I 3 a der Gründe). Nichts anderes gilt im Hinblick auf die wertmäßig gleichzusetzende Gewährung freier Tage. Vergütung und Arbeitszeit entsprechen sich auf Grundlage des vertraglichen Synallagmas (BAG 1. Februar 2006 – 5 AZR 422/04 – Rn. 23). Dabei kommt es in beiden Fällen nicht darauf an, ob sich der Umfang des Ausgleichs nach den im Arbeitsverhältnis anwendbaren Regelungen nach Prozentsätzen bestimmt, ob feste Euro-Beträge für Stunden oder Schichten gezahlt werden oder wie sich der Freizeitausgleich errechnet. Alleine maßgeblich ist vielmehr, dass sich ein Wert im Verhältnis zu der für die Nachtarbeit iSv. § 2 Abs. 4 ArbZG gezahlten Bruttovergütung (oder zu deren Gegenwert in Zeit) bestimmen lässt, der auf seine Angemessenheit iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG überprüft werden kann und dieser Prüfung standhält.
bb) Das Gesetz gibt – wie dargelegt – nicht vor, was als angemessener Ausgleich anzusehen ist. Deshalb ist es nicht möglich, unabhängig von den Umständen der Erbringung der Arbeitsleistung im konkreten Einzelfall einen für alle Arbeitsverhältnisse geltenden festen Wert zu bestimmen (BAG 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – zu B I 5 a der Gründe, BAGE 102, 309). Unter Berücksichtigung der – über alle Branchen gesehen – bestehenden Üblichkeiten im Arbeitsleben wird aber in ständiger Rechtsprechung ein Nachtarbeitszuschlag iHv. 25 % des Bruttostundenlohns bzw. eine entsprechende Anzahl bezahlter freier Tage regelmäßig als angemessen iSd. § 6 Abs. 5 ArbZG angesehen (vgl. BAG 16. April 2014 – 4 AZR 802/11 – Rn. 59, BAGE 148, 68; 11. Februar 2009 – 5 AZR 148/08 – Rn. 19; 1. Februar 2006 – 5 AZR 422/04 – Rn. 21; 27. Mai 2003 – 9 AZR 180/02 – zu I 4 der Gründe; grundlegend BAG 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – BAGE 102, 309). Dem ist das Schrifttum weitestgehend gefolgt; jedenfalls wird der Ausgleich in dieser Höhe nicht infrage gestellt (Anzinger/Koberski ArbZG 4. Aufl. § 6 Rn. 82; Baeck/Deutsch ArbZG 3. Aufl. § 6 Rn. 85; Buschmann/Ulber ArbZG § 6 Rn. 29; ErfK/Wank 16. Aufl. § 6 ArbZG Rn. 14; Hahn/Pfeiffer/Schubert/Lorenz Arbeitszeitrecht § 6 ArbZG Rn. 124 f.; HWK/Gäntgen 6. Aufl. § 6 ArbZG Rn. 20; Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 69 Rn. 33; kritisch Neumann/Biebl ArbZG § 6 Rn. 26).
cc) Dem schließt sich der erkennende Senat auch angesichts der von der Revision geäußerten Kritik (vgl. dazu das im Auftrag der Beklagten erstattete umfangreiche Gutachten von Raab ZfA 2014, 237) an.
(1) Ein Wert von 25 % ist typischerweise dann angemessen, wenn ein Arbeitnehmer „Nachtarbeitnehmer” iSv. § 2 Abs. 5 ArbZG ist, also im gesetzlich vorgegebenen Mindestumfang von 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leistet oder normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht leistet und während dieser Zeit die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt, ohne dass besondere Umstände vorliegen, die Anlass für eine Erhöhung oder Verminderung des Umfangs des Ausgleichsanspruchs bieten würden. Aus Sicht des Arbeitgebers stellt ein Ausgleich in diesem Umfang eine nicht unerhebliche Belastung dar, die Anlass bieten kann, auf die Nachtarbeit zu verzichten und damit den im Interesse des Gesundheitsschutzes gebotenen finanziellen Druck auszuüben. Für den Arbeitnehmer bedeutet sie eine relevante Anzahl von freien Tagen bzw. eine spürbare Vergütungserhöhung für die Nachtarbeit, ohne dass der Zuschlagscharakter verloren ginge. Unabhängig von den anderen Zwecken der steuerrechtlichen Regelung in § 3b Abs. 1 Nr. 1 EStG kann aus ihr jedenfalls entnommen werden, dass auch der Gesetzgeber eine solche Größenordnung grundsätzlich als angemessen akzeptiert hat (vgl. zu diesem Gedanken BAG 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – zu B I 5 e der Gründe, BAGE 102, 309).
(2) Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, regelmäßig sei eine Gewährung von bezahlten freien Tagen im Gegenwert von 10 % der geleisteten Nachtarbeitsstunden angemessen und im Fall der Gewährung eines Zuschlags auf den Bruttostundenlohn könne dieser nicht höher sein, folgt dem der Senat nicht. Die Beklagte beruft sich zur Begründung dieser Auffassung insbesondere auf den Gang des Gesetzgebungsverfahrens des ArbZG. Der Referentenentwurf, dem die Beklagte einen Freizeitausgleich iHv. etwa 9 % entnimmt, ist indessen nicht umgesetzt worden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung enthielt bereits § 6 Abs. 5 ArbZG in seiner jetzigen Fassung (BT-Drs. 12/5888 S. 6). Der – ebenfalls nicht Gesetz gewordene – Entwurf der SPD-Fraktion (BT-Drs. 12/5282; vgl. zum Vergleich beider Entwürfe Oppolzer AuR 1994, 41) sah ein vollständig anderes System vor, das ua. eine Begrenzung der Dauer der Nachtarbeit auf sechs Stunden einschließlich eines Lohnausgleichs unter bestimmten Umständen vorsah. Für die Auslegung des § 6 Abs. 5 ArbZG lässt sich hieraus nichts zugunsten der Beklagten ableiten.
3. Eine Erhöhung oder Verminderung des Umfangs des von § 6 Abs. 5 ArbZG geforderten Ausgleichs für Nachtarbeit kommt in Betracht, wenn Umstände im Zusammenhang mit der Erbringung der Arbeitsleistung vorliegen, die den regelmäßig angemessenen Wert von 25 % wegen der im Vergleich zum Üblichen niedrigeren oder höheren Belastung als zu gering oder zu hoch erscheinen lassen. Die Höhe des angemessenen Nachtarbeitszuschlags richtet sich nach der Gegenleistung, für die sie bestimmt ist (BAG 11. Februar 2009 – 5 AZR 148/08 – Rn. 12).
a) Die Höhe des Zuschlags auf den Bruttolohn für geleistete Nachtarbeit oder die Anzahl bezahlter freier Tage kann sich erhöhen, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit unter qualitativen (Art der Tätigkeit) oder quantitativen (Umfang der Nachtarbeit) Aspekten die normalerweise mit der Nachtarbeit verbundene Belastung übersteigt. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn ein Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag bzw. nach entsprechender Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber dauerhaft in Nachtarbeit tätig wird („Dauernachtarbeit”). Bei der Erbringung der regulären Arbeitsleistung in Dauernachtarbeit ist deshalb regelmäßig ein Nachtarbeitszuschlag iHv. 30 % auf den Bruttostundenlohn bzw. die Gewährung einer entsprechenden Anzahl freier Tage als angemessen anzusehen (so im Ergebnis schon BAG 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – zu B I 5 der Gründe, BAGE 102, 309; 27. Mai 2003 – 9 AZR 180/02 – zu I 4 b aa der Gründe). Nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen erhöht sich die Belastung mit dem Umfang der geleisteten Nachtarbeit (vgl. bereits oben II 2 a). Hiervon geht erkennbar auch das ArbZG aus, da der Schutz für Nachtarbeitnehmer nach § 2 Abs. 5 bereits einsetzt, wenn diese „nur” an 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leisten oder normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht leisten. Es liegt auf der Hand, dass der Arbeitnehmer, der ununterbrochen Nachtarbeit leistet, im Vergleich dazu einer deutlich höheren Belastung durch die Nachtarbeit unterliegt. Dies berücksichtigt die Revision nicht, wenn sie argumentiert, aufgrund der höheren Stundenanzahl würden insgesamt höhere Nachtarbeitszeitzuschläge gezahlt.
b) Hingegen kann nach § 6 Abs. 5 ArbZG ein geringerer Ausgleich erforderlich sein, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit im Vergleich zum Üblichen geringer ist, weil zB in diese Zeit in nicht unerheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt (vgl. dazu zB BAG 18. Mai 2011 – 10 AZR 369/10 – Rn. 25; 11. Februar 2009 – 5 AZR 148/08 – Rn. 12) oder es sich um nächtlichen Bereitschaftsdienst handelt, bei dem von vornherein von einer geringeren Arbeitsbelastung auszugehen ist (vgl. BAG 15. Juli 2009 – 5 AZR 867/08 – BAGE 131, 215; 24. Februar 1999 – 4 AZR 62/98 – BAGE 91, 63). Nach der Art der Arbeitsleistung ist auch zu beurteilen, ob der vom Gesetzgeber mit dem Lohnzuschlag verfolgte Zweck, im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers Nachtarbeit zu verteuern und auf diesem Weg einzuschränken, zum Tragen kommen kann oder in einem solchen Fall nur die mit der Nachtarbeit verbundene Erschwernis ausgeglichen werden kann (BAG 31. August 2005 – 5 AZR 545/04 – zu I 4 b der Gründe, BAGE 115, 372). Relevanz kann die letztgenannte Erwägung aber nur in den Fällen haben, in denen die Nachtarbeit aus zwingenden technischen Gründen oder aus zwingend mit der Art der Tätigkeit verbundenen Gründen bei wertender Betrachtung vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des § 6 Abs. 5 ArbZG unvermeidbar ist. Auch in einem solchen Fall ist ein Zuschlag von 10 % aber regelmäßig die Untergrenze dessen, was als angemessen angesehen werden kann (BAG 31. August 2005 – 5 AZR 545/04 – aaO [Angehörige eines Rettungsdienstes]).
c) Rein wirtschaftliche Erwägungen sind nicht geeignet, eine Abweichung vom Regelwert nach unten zu begründen. Eine Wettbewerbsverzerrung ist in diesen Fällen ausgeschlossen, weil das gesetzliche Gebot des § 6 Abs. 5 ArbZG für alle betroffenen Unternehmen gilt. Ein Grund für die Reduzierung des Nachtarbeitszuschlags kann sich nach dem Normzweck auch nicht aus der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers oder einer Region ergeben (aA wohl BAG 11. Februar 2009 – 5 AZR 148/08 – Rn. 17 [Berücksichtigung der Besonderheiten einer wirtschaftsschwachen Region]). Hiervon hängt der Gesundheitsschutz nicht ab. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass sich eine aus solchen Faktoren herrührende geringere Grundvergütung bereits indirekt auf die Höhe des Nachtarbeitszuschlags bzw. die Vergütungshöhe für bezahlte freie Tage auswirkt (vgl. dazu II 2 e aa).
d) Tarifvertragliche Ausgleichsregelungen sind für die Bestimmung der Angemessenheit des Ausgleichs nach § 6 Abs. 5 ArbZG nur nachrangig zu beachten. Der Ausgleich für Nachtarbeit ist nach dieser Bestimmung nur dann individual-rechtlich vorzunehmen, wenn nicht bereits kraft Tarifbindung oder arbeitsvertraglicher Bezugnahme ein Tarifvertrag Anwendung findet, der seinerseits Ausgleichsregelungen für Nachtarbeit enthält. Findet ein solcher auf das Arbeitsverhältnis hingegen keine Anwendung, scheidet ein unmittelbarer Rückgriff auch auf nach dem Geltungsbereich an sich einschlägige tarifliche Regelungen aus (BAG 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – zu B I 4 a der Gründe, BAGE 102, 309). In vielen Fällen existiert in der jeweiligen Branche je nach Region oder tarifschließenden Parteien darüber hinaus eine Bandbreite unterschiedlicher Regelungen, die nach ihrem Grundkonzept nicht immer vergleichbar sind (vgl. auch die Tariföffnungsklauseln in § 7 ArbZG). In zahlreichen Tarifverträgen übersteigen die Zeiten zuschlagspflichtiger Nachtarbeit die Zeiten der Nachtarbeit gemäß § 2 Abs. 3 ArbZG und sind die tariflichen Nachtarbeitszuschläge nicht nur Nachtarbeitnehmern iSd. § 2 Abs. 5 Nr. 1 oder Nr. 2 ArbZG vorbehalten. Auch ist der Umstand zu berücksichtigen, dass es sich bei tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen – unabhängig von der Pflicht zur Einhaltung der Grenzen des § 6 Abs. 5 ArbZG (vgl. dazu zB BAG 12. Dezember 2012 – 10 AZR 192/11 –) – typischerweise um Teile eines „Gesamtpakets” handelt, so dass die Höhe einer einzelnen Leistung für die Beurteilung der Angemessenheit iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG nur begrenzt aussagekräftig ist. Deshalb können regelmäßig allenfalls repräsentative branchenmäßig einschlägige Tarifverträge als Orientierungshilfe herangezogen werden oder als Anhaltspunkt dienen, ohne aber die Höhe der Ausgleichsleistung zu determinieren (BAG 18. Mai 2011 – 10 AZR 369/10 – Rn. 25; 27. Mai 2003 – 9 AZR 180/02 – zu I 4 a der Gründe).
4. Der Arbeitnehmer, der einen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG begehrt, hat zur Schlüssigkeit der Klage zunächst darzulegen – und im Fall des Bestreitens zu beweisen –, dass er Nachtarbeitnehmer iSv. § 2 Abs. 5 ArbZG ist, in welchem Umfang er Nachtarbeit geleistet hat (§ 2 Abs. 4 ArbZG) und – als negatives Tatbestandsmerkmal –, dass keine tarifvertragliche Ausgleichsregelung besteht (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast im Fall des Bestehens einer tariflichen Regelung, die der Arbeitnehmer für unzureichend hält BAG 12. März 2008 – 4 AZR 616/06 – Rn. 64).
Sind diese Tatbestandsvoraussetzungen unstreitig oder bewiesen, steht fest, dass dem Arbeitnehmer ein gesetzlicher Ausgleichsanspruch für geleistete Nachtarbeit zusteht. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass er diesen gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers erfüllt hat (§ 362 BGB). Dies umfasst auch die Darlegung der Tatsachen, die die Angemessenheit vom Arbeitgeber bereits erbrachter Leistungen, zB eines gezahlten Zuschlags, begründen sollen (so wohl auch BAG 16. April 2014 – 4 AZR 802/11 – Rn. 59, BAGE 148, 68; in diese Richtung schon BAG 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – zu B I 2 c bb der Gründe, BAGE 102, 309).
Im Hinblick auf die regelmäßig als angemessen angesehenen Werte von 25 % bzw. bei Dauernachtarbeit von 30 % ist von einer abgestuften Darlegungslast auszugehen: Gewährt der Arbeitgeber einen Ausgleich in diesem Umfang, genügt er damit zunächst seiner Darlegungslast und es ist kein weiterer Tatsachenvortrag zur Angemessenheit erforderlich. Vielmehr hat der Arbeitnehmer in einem solchen Fall im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast zu begründen, aus welchen Umständen sich ein höherer Anspruch ergeben soll. Bleibt der geleistete Ausgleich hingegen hinter diesen Werten zurück, ist es bereits im ersten Schritt Sache des Arbeitgebers darzulegen, aufgrund welcher Faktoren ein geringerer Zuschlagsanspruch angemessen sein soll (vgl. zu ähnlichen Systemen der abgestuften Darlegungslast: BAG 18. Juni 2014 – 10 AZR 699/13 – Rn. 40 ff., BAGE 148, 271 [ERA-Leistungsentgelt]; 18. November 2014 – 9 AZR 584/13 – Rn. 8 ff. [Arbeitszeugnis]; 29. April 2015 – 9 AZR 108/14 – Rn. 26 [sekundäre Darlegungslast des Arbeitgebers bei § 17 BBiG]). Bleiben danach für die Beurteilung der Angemessenheit relevante Tatsachen streitig, liegt die Beweislast für die den Erfüllungseinwand begründenden Tatsachen beim Arbeitgeber.
5. Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts als rechtsfehlerhaft und unterliegt der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO).
a) Bei dem Merkmal „angemessen” handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zukommt. Dieser ist vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr., zuletzt zB BAG 21. Mai 2015 – 8 AZR 618/13 – Rn. 31; 21. Januar 2015 – 4 AZR 253/13 – Rn. 23). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht stand.
b) Das Landesarbeitsgericht geht zwar grundsätzlich vom zutreffenden Begriff der Angemessenheit iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG aus. Es fehlt aber im Hinblick auf den wechselseitigen Vortrag der Parteien zu den sog. Verfügbarkeitszeiten an einem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt, so dass nicht erkennbar ist, wie das Landesarbeitsgericht zu der von ihm als angemessen angesehenen Höhe des Nachtarbeitszuschlags von 25 % gekommen ist. Weder ist festgestellt, in welchem Umfang solche Zeiten regelmäßig angefallen sind, noch was in diesen Zeiten genau geschieht, insbesondere welche Art von Arbeitsleistung der Kläger zu erbringen hat.
aa) Der Kläger ist Nachtarbeitnehmer iSv. § 2 Abs. 5 Nr. 2 iVm. § 2 Abs. 3 und Abs. 4 ArbZG. Er leistet an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Arbeit, die mehr als zwei Stunden der Nachtzeit von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr umfasst (§ 2 Abs. 4 ArbZG). Im Arbeitsverhältnis der Parteien gelten weder kraft Tarifbindung (§ 3 Abs. 1 TVG) noch aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme tarifvertragliche Ausgleichsregelungen für die vom Kläger geleistete Nachtarbeit. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
bb) Der Kläger leistet Dauernachtarbeit, er erbringt nach der von der Beklagten bestimmten Lage der Arbeitszeit – unabhängig von Schwankungen bei Beginn und Ende der Arbeitszeit und ohne Berücksichtigung von Pausen – durchgängig Arbeit von mehr als zwei Stunden (§ 2 Abs. 4 ArbZG) in der gesetzlichen Nachtzeit. Er hat deshalb grundsätzlich einen Anspruch auf einen Ausgleich nach § 6 Abs. 5 ArbZG durch Gewährung eines Zuschlags iHv. 30 % auf seinen Bruttostundenlohn bzw. eine entsprechende Anzahl bezahlter freier Tage nach Wahl der Beklagten für die während der gesetzlichen Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden.
cc) Aus der Art der Tätigkeit des Klägers als Lkw-Fahrer im Nachtverkehr ergeben sich grundsätzlich keine Anhaltspunkte für die Annahme, seine Belastung sei geringer als diejenige eines anderen Arbeitnehmers, der Dauernachtarbeit leistet. Dass Dauernachtarbeit als Lkw-Fahrer eine besondere Belastung darstellt, wird durch die Bestimmungen der „Richtlinie 2002/15/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2002 zur Regelung der Arbeitszeit von Personen, die Fahrtätigkeiten im Bereich des Straßentransports ausüben” bestätigt. Während die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG zwar die Gesundheitsgefährdung durch Nachtarbeit benennt, ohne aber die Mitgliedstaaten zur Gewährung eines Ausgleichs zu verpflichten, sieht Art. 7 Abs. 1 der RL 2002/15/EG eine solche Verpflichtung vor. Daraus lässt sich die unionsrechtliche Wertung entnehmen, dass die Nachtarbeit bei Fahrpersonal als besonders belastend angesehen wird (vgl. auch die Erwägungsgründe 11 und 12 der RL 2002/15/EG). Dem ist bei der Auslegung des § 6 Abs. 5 ArbZG Rechnung zu tragen.
dd) Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich bei der Tätigkeit des Klägers nicht um eine Arbeitsleistung, die zwingend in der Nacht erfolgen muss und bei der der mit dem Zuschlag verfolgte Zweck, die Nachtarbeit im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers zu verteuern, deshalb nicht zum Tragen kommt (vgl. dazu oben A II 3 b).
(1) Es ist weder aus technischen Gründen zwingend erforderlich, dass der Kläger seine Fahrtätigkeit nachts erbringt, noch ergibt sich aus der Art der Tätigkeit ein solcher Zwang. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das unternehmerische Konzept der Beklagten, das die Nachtarbeit des Klägers beinhaltet, berücksichtigt und damit eine Reduzierung des Ausgleichsanspruchs begründet. Dabei kann zugunsten der Beklagten deren – vom Kläger bestrittene – Behauptung unterstellt werden, dass eine vollständige Durchführung der Transporte außerhalb der gesetzlichen Nachtzeit zu Laufzeitverlängerungen führen würde, deshalb bestimmte Zustellzeiten nicht garantiert und bestimmte Leistungen dann nicht angeboten werden könnten. Ebenso kann unterstellt werden, dass am Markt eine Nachfrage nach entsprechenden kurzfristigen Zustellzeiten besteht. Dabei handelt es sich aber insgesamt um rein wirtschaftliche Erwägungen, die – anders als beispielsweise im Fall der Tätigkeit der Angehörigen eines Rettungsdienstes in der Nachtzeit (vgl. dazu BAG 31. August 2005 – 5 AZR 545/04 – zu I 4 b der Gründe, BAGE 115, 372) – keine Unvermeidbarkeit der Nachtarbeit im og. Sinn begründen können.
(2) Ein solches Verständnis des § 6 Abs. 5 ArbZG stellt keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Beklagten aus Art. 12 Abs. 1 GG dar.
(a) Die gesetzliche Verpflichtung, unabhängig von den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen aus Gründen des Gesundheitsschutzes an Nachtarbeitnehmer bestimmte Nachtarbeitszuschläge zu zahlen bzw. eine bestimmte Anzahl freier Tage zu gewähren, lässt das Recht der Beklagten, Nachtarbeit anzuordnen und entsprechende Leistungen am Markt anzubieten, unberührt. Damit handelt es sich (nur) um eine Berufsausübungsregelung (vgl. dazu zB BAG 15. März 2005 – 9 AZR 104/04 – BAGE 114, 70). Solche Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit müssen durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein. Dabei reichen grundsätzlich vernünftige Gründe des Allgemeinwohls aus. Es gelten die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dh. der Eingriff muss zur Erreichung des Eingriffsziels geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein (st. Rspr., vgl. zuletzt zB BVerfG 2. März 2010 – 1 BvR 256/08 ua. – Rn. 297, BVerfGE 125, 260).
(b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Eingriff dient dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei Nachtarbeit und damit einem legitimen, verfassungsrechtlich gebotenen Ziel (BVerfG 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 – zu C III 3 der Gründe, BVerfGE 85, 191). Die gesetzliche Regelung ist in der hier gefundenen Auslegung geeignet, zur Erreichung dieses Ziels beizutragen, indem die durch Nachtarbeit entstehenden Belastungen entweder unmittelbar vermindert werden oder zumindest mittelbar auf ihre Reduzierung hingewirkt wird. Sie ist erforderlich. Ein die Interessen der Beklagten weniger beeinträchtigendes Mittel zur Erreichung des Ziels ist nicht erkennbar. Ungeeignet wäre insbesondere die von der Beklagten angestrebte Verminderung des Ausgleichsanspruchs, da die Anreizwirkung zur Vermeidung von Nachtarbeit dann kaum mehr vorhanden wäre und gleichzeitig bei geleisteter Nachtarbeit kein die Belastungen angemessen abbildender Ausgleich gewährt würde. Auch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn ist gewahrt. Die Belastung erreicht kein solches Maß, dass die Möglichkeit der Beklagten, auf dem Markt zu wirtschaftlichen Bedingungen ihre Dienstleistungen anzubieten, auch nur annähernd beeinträchtigt wäre. Weder hat sie hierfür Anhaltspunkte vorgetragen noch sind solche erkennbar. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass § 6 Abs. 5 ArbZG gleichermaßen für alle Unternehmen gilt, die zur Erbringung ihres Angebots am Markt Nachtarbeit ihrer Arbeitnehmer für erforderlich halten.
ee) Gründe für eine abweichende Bestimmung des angemessenen Nachtarbeitsausgleichs gegenüber dem Regelwert für Dauernachtarbeit von 30 % könnten sich aber aus dem – vom Kläger bestrittenen – Vortrag der Beklagten zu den sog. Verfügbarkeitszeiten ergeben.
(1) Die Beklagte hatte bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass während der Arbeitszeit des Klägers sog. (unstreitig voll vergütete) Verfügbarkeitszeiten anfielen. Dabei handele es sich um einen Zeitraum von etwa einer Stunde pro Nacht auf der Tour M003 und von etwa 1,5 Stunden pro Nacht auf der Tour AL01. Die Zeiten hingen damit zusammen, dass einige Zeit vergehe, bis dem Kläger in einem HUB ein neuer Container zugewiesen werde. Der Kläger müsse während dieser Zeit keine Arbeitsleistung erbringen, sondern könne sich entspannen, einen Kaffee trinken etc. Auch könnten die Fahrer während dieser Zeiten sich in die in der Regel vorhandene Schlafkabine zurückziehen. Es müssten weder Verladearbeiten durchgeführt noch Frachtpapiere ausgefüllt werden. Der Kläger hatte demgegenüber die Auffassung vertreten, dass es neben seiner einstündigen Pause keine nennenswerten Ruhephasen gebe. Vielmehr müssten an den Fahrzeugen stets Wartungs- und Reinigungsarbeiten sowie kleinere Reparaturen ausgeführt werden. Auch fielen Rangiertätigkeiten an, die erheblicher Konzentration bedürften. Das Arbeitsgericht hat lediglich festgestellt, dass es auf der Tour nach N Wartezeiten von unterschiedlicher Dauer gebe, die den Fahrern zur freien Verfügung stünden, ohne dies weiter zu präzisieren. Im Rahmen seiner Berufungsbegründung ist der Kläger auf diese Problematik eingegangen und hat vorgetragen, dass solche Wartezeiten nur auf der Tour AL01 anfallen, im Regelfall höchsten 30 Minuten betragen, nicht planbar seien, teilweise außerhalb der Nachtzeit anfielen und im Übrigen durch andere Tätigkeiten ausgefüllt seien. Die Beklagte ist dem anhand von Einzelbeispielen zu den Verfügbarkeitszeiten entgegengetreten, wonach diese teilweise mehr als zwei Stunden betragen. Der Kläger hat demgegenüber betont, dass diese Zeiten häufig außerhalb der gesetzlichen Nachtzeit anfielen, er Arbeiten erbringen müsse und die Zeiten im Übrigen durch eine geänderte Tourenplanung teilweise entfielen.
(2) Das Landesarbeitsgericht nimmt in seinen Entscheidungsgründen zunächst auf die Gründe des Arbeitsgerichts Bezug und geht dann auf die Verfügbarkeitszeiten gesondert ein. Dabei bleibt unklar, ob und ggf. warum es die Verfügbarkeitszeiten als unerheblich angesehen hat oder ob und ggf. auf welcher Grundlage es diese als Arbeitsbereitschaft gewertet hat. Von welchem Sachverhalt es insoweit aus welchen Gründen ausgeht, ist ebenfalls nicht erkennbar. Insgesamt wird nicht deutlich, ob und ggf. warum es diese Zeiten zuschlagsmindernd berücksichtigt hat oder nicht.
6. Mangels entsprechender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum genauen Inhalt der Tätigkeit des Klägers in der gesetzlichen Nachtzeit und insbesondere zu der Frage, ob in relevantem Umfang durch die sog. Verfügbarkeitszeiten regelmäßig Zeiten minderer Belastung bestehen, kann der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden. Die Sache ist daher gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
B. Aus den unter A II 5 b ee genannten Gründen ist auch die zulässige Revision der Beklagten begründet. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Nachtzuschlag mangels Feststellung der Belastungssituation während der Nachtarbeit auch nicht auf 25 % festgesetzt werden.
C. Im Rahmen der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:
I. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Höhe des Nachtarbeitsausgleichs nach § 6 Abs. 5 ArbZG wird das Landesarbeitsgericht insbesondere aufzuklären haben, ob die Belastung des Klägers durch die Nachtarbeit unter Berücksichtigung der entsprechenden Verfügbarkeitszeiten gegenüber dem Normalmaß eines Arbeitnehmers, der Dauernachtarbeit erbringt, gemindert ist. Dabei wird die Beklagte im Rahmen ihrer Darlegungs- und Beweislast (vgl. oben A II 4) zu präzisieren haben, ob und in welchem Umfang Verfügbarkeitszeiten in der gesetzlichen Nachtzeit typischerweise und regelmäßig anfallen, was unter dem Begriff der Verfügbarkeitszeiten genau zu verstehen ist, welche Arbeitsleistung der Kläger in dieser Zeit zu erbringen hat und inwieweit dies die Belastung des Klägers durch die Nachtarbeit in relevanter Weise mindert. Hält das Landesarbeitsgericht entsprechenden Vortrag der Beklagten für die Bestimmung der Angemessenheit des Nachtarbeitsausgleichs für maßgeblich und sind vorgetragene Tatsachen vom Kläger substanziiert bestritten, wird das Landesarbeitsgericht entsprechenden Beweisangeboten nachzugehen haben. Unter Zugrundelegung der danach festgestellten Tatsachen wird es im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu entscheiden haben, ob eine Reduzierung des Regelzuschlags von 30 % wegen einer regelmäßigen und erheblichen Verminderung der Belastung angezeigt ist.
II. Sollte das Landesarbeitsgericht danach zu dem Ergebnis kommen, dass dem Kläger grundsätzlich ein höherer Ausgleich für Nachtarbeit als der von der Beklagten gewährte Zuschlag von zuletzt 20 % zusteht, wird es noch folgende rechtliche Erwägungen zu beachten haben:
1. Der arbeitsvertraglich vereinbarte und zuletzt iHv. 15,90 Euro gezahlte Stundenlohn enthält keinen Zuschlag für die vom Kläger geleistete Nachtarbeit.
a) Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass die Arbeitsvertragsparteien auf eine gesonderte Zuschlagsregelung verzichten und stattdessen den Grundlohn wegen der vereinbarten Nachtarbeit entsprechend erhöhen. Von einer derartigen pauschalen Abgeltung des Nachtarbeitszuschlags kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn der Arbeitsvertrag konkrete Anhaltspunkte für eine Pauschalierung enthält. Hierfür ist regelmäßig erforderlich, dass in dem Arbeitsvertrag zwischen der Grundvergütung und dem (zusätzlichen) Nachtarbeitszuschlag unterschieden wird; jedenfalls muss ein Bezug zwischen der zu leistenden Nachtarbeit und der Lohnhöhe hergestellt sein (so bereits BAG 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – zu B I 2 b der Gründe mwN, BAGE 102, 309; zu tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen vgl. zB BAG 16. April 2014 – 4 AZR 802/11 – Rn. 54, BAGE 148, 68; 12. Dezember 2012 – 10 AZR 192/11 – Rn. 14).
b) Hierfür fehlen jegliche Anhaltspunkte. Der Stundenlohn ist nach dem Arbeitsvertrag unabhängig von der konkret zugewiesenen Tätigkeit und insbesondere unabhängig davon zu zahlen, ob der Kläger zu Tag- oder Nachtarbeit eingeteilt wird. Der Kläger wurde auch nicht ausschließlich für Nachtarbeiten bzw. -fahrten eingestellt, sondern in § 1 Ziff. 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags hat er lediglich die „Bereitschaft zur Sonn- u. Feiertags- und Nachtarbeit” erklärt. Nach dem Vortrag der Beklagten sind zwar 90 % der Kraftfahrer zu Nachtzeiten beschäftigt. Jedoch differenziert die Beklagte hinsichtlich der Lohnhöhe nicht zwischen Kraftfahrern, die zu Tag- oder Nachtzeiten eingesetzt werden, sondern alle Fahrer erhalten denselben Stundenlohn (zur Differenzierung zwischen vergleichbaren nachtarbeits- und nicht nachtarbeitsgeprägten Tätigkeiten BAG 18. Mai 2011 – 10 AZR 369/10 – Rn. 22).
2. Ebenso wenig kann der von der Beklagten für die Zeit von 21:00 Uhr bis 23:00 Uhr gezahlte Zuschlag iHv. zuletzt 20 % des Bruttostundenlohns auf die Zeiten der Nachtarbeit iSv. § 2 Abs. 3 ArbZG „umgelegt” oder angerechnet werden. Hinsichtlich dieser Zuschläge fehlt ein hinreichender Bezug zur Nachtarbeit, sie werden nicht auf das für die Nachtarbeit geschuldete Bruttoarbeitsentgelt gezahlt (vgl. BAG 15. Juli 2009 – 5 AZR 867/08 – Rn. 17, BAGE 131, 215; 5. September 2002 – 9 AZR 202/01 – zu B I 2 b der Gründe, BAGE 102, 309), sondern auf Bruttoarbeitsentgelt für Stunden außerhalb dieser Zeit.
3. Für die Monate, in denen die Beklagte dem Kläger einen – wenn auch ggf. zu niedrigen – Nachtarbeitszuschlag gezahlt hat, hat sie ihr Wahlrecht nach § 6 Abs. 5 ArbZG ausgeübt und damit für diesen Zeitraum den Ausgleich auf einen Zahlungsanspruch des Klägers konkretisiert.
a) Nach § 6 Abs. 5 ArbZG kann der Arbeitgeber wählen, ob er den Ausgleichsanspruch durch Zahlung von Geld, durch bezahlte Freistellung oder durch eine Kombination von beidem erfüllt. Die gesetzlich begründete Wahlschuld (§ 262 BGB) konkretisiert sich auf eine der geschuldeten Leistungen, wenn der Schuldner das ihm zustehende Wahlrecht nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ausübt (BAG 16. April 2014 – 4 AZR 802/11 – Rn. 51, BAGE 148, 68; 18. Mai 2011 – 10 AZR 369/10 – Rn. 15 mwN).
b) Das Wahlrecht nach § 6 Abs. 5 ArbZG steht dem Arbeitgeber dabei grundsätzlich für jede Entgeltzahlungsperiode, typischerweise also kalendermonatlich neu zu. Zwar geht die gesetzliche Konzeption der Wahlschuld nach §§ 262 ff. BGB als Regelfall davon aus, dass das Wahlrecht einmalig ausgeübt wird, die Wahl verbindlich ist (MüKoBGB/Krüger 6. Aufl. § 263 Rn. 4) und das Schuldverhältnis insgesamt rückwirkend gestaltet (vgl. § 263 Abs. 2 BGB). Die Bestimmungen beziehen sich allerdings auf den Fall einer einmalig geschuldeten Leistung. Die erstmalig ausgeübte Wahl in einem Dauerschuldverhältnis, in dem ein Leistungsanspruch als Wahlschuld immer wieder neu entsteht, kann deshalb – anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat – keine Bindungswirkung über den einmaligen Anspruch hinaus entfalten. So ist die Situation beim gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG: Dieser entsteht jeweils neu, wenn vom Arbeitnehmer ausgleichspflichtige Nachtarbeitsstunden erbracht werden. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, zu wählen, ob er – regelmäßig mit der Vergütung für den jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum – einen finanziellen Ausgleich leistet oder ob er Freizeitausgleich gewähren will. Hat der Arbeitgeber sein Wahlrecht ausgeübt, ist er hieran nach § 263 Abs. 2 BGB gebunden und kann die Wahl für diesen Zeitraum nicht mehr ändern (vgl. auch BAG 16. April 2014 – 4 AZR 802/11 – Rn. 51, BAGE 148, 68).
4. Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob die Beklagte aus rechtlichen Gründen auch für die Zukunft auf die Gewährung des Ausgleichs durch Zahlung eines Zuschlags festgelegt ist. Die bisherige Begründung des Landesarbeitsgerichts trägt eine solche Annahme aber nicht.
a) Das gesetzliche Wahlrecht kann vertraglich abbedungen werden und die Vertragsparteien können sich bereits dauerhaft auf eine Variante des Ausgleichs festlegen (vgl. zB BAG 15. Juli 2009 – 5 AZR 867/08 – Rn. 21, BAGE 131, 215). Ebenso ist eine spätere, ggf. konkludente vertragliche Vereinbarung über die Form des Ausgleichs möglich. Die Annahme einer konkludenten Vereinbarung setzt aber Umstände voraus, die über die bloße (auch mehrmalige) Ausübung des Wahlrechts in eine Richtung hinausgehen (vgl. zum Direktionsrecht zuletzt zB BAG 10. Dezember 2014 – 10 AZR 63/14 – Rn. 15 mwN). Ebenso wenig dürfte – ohne das Hinzutreten weiterer Umstände – die von der Beklagten gewählte Bezeichnung in der Abrechnung als „Nachtzuschlag fest” genügen; jedenfalls bedarf eine solche Annahme einer näheren rechtlichen Begründung.
b) In Betracht kommt auch, dass der Arbeitgeber aus kollektiv-rechtlichen Gründen zu einer bestimmten Art des Ausgleichs verpflichtet ist. Das Wahlrecht selbst unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 10 BetrVG (BAG 26. April 2005 – 1 ABR 1/04 – zu B II 2 a bb der Gründe, BAGE 114, 272; grundlegend bereits BAG 26. August 1997 – 1 ABR 16/97 – BAGE 86, 249). Für eine derart ausgeübte Mitbestimmung könnte – worauf auch der Kläger hinweist – der Vortrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 20. Februar 2014 sprechen, wonach „der Frage nach einer Erhöhung der Nachtarbeitszuschläge jährliche Gespräche zwischen der Beklagten und dem bei ihr bestehenden Gesamtbetriebsrat” vorhergingen und die Zuschläge das Ergebnis dieser Gespräche seien. Diese Frage bedarf näherer Aufklärung.
5. Hinsichtlich eines möglichen Zinsanspruchs ist zu beachten, dass die Klage insoweit mit Zustimmung der Beklagten teilweise zurückgenommen wurde und der Kläger im Hinblick auf § 6 Ziff. 5 der Arbeitsordnung Zinsen nur noch ab dem 11. Kalendertag des jeweiligen Folgemonats verlangt.
Unterschriften
Linck, Schlünder, W. Reinfelder, Klein, Großmann
Fundstellen