Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung nach Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf Teilbetriebserwerber. Beschäftigungsmöglichkeit auf einem bei Unterrichtung des Arbeitnehmers über den Teilübergang noch freien Arbeitsplatz. Sozialauswahl: “Konkretisierung” zu Lasten des Arbeitnehmers?. Kündigungsschutz
Leitsatz (amtlich)
Im Fall eines bevorstehenden Teilbetriebsübergangs muß der Arbeitgeber einem davon betroffenen Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz anbieten, sobald er damit rechnen muß, der Arbeitnehmer werde dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen.
Orientierungssatz
- Dringende betriebliche Erfordernisse, die zum Wegfall eines Arbeitsplatzes geführt haben, sind nur dann zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung geeignet, wenn keine Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung besteht. Im Kündigungsschutzprozeß gilt insoweit eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast: Der Arbeitgeber genügt zunächst seiner Darlegungslast, wenn er allgemein vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei nicht möglich. Auf nähere Darlegungen des Arbeitnehmers, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, muß der Arbeitgeber dann eingehend erläutern, aus welchem Grund eine Beschäftigung auf einem entsprechenden Arbeitsplatz nicht möglich gewesen sei.
- Besteht in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber mit dem Wegfall des bisherigen Beschäftigungsbedürfnisses rechnen muß, eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu gleichen oder zumutbaren geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen Arbeitsplatz, so kann der Arbeitgeber diese nicht dadurch zunichte machen, daß er die freie Stelle zunächst besetzt und erst dann die Kündigung ausspricht. Der Arbeitgeber kann sich nicht auf den von ihm selbst – gewissermaßen uno actu mit der Kündigung – verursachten Wegfall der freien Stelle berufen (§ 162 BGB).
- Im Fall eines bevorstehenden Teilbetriebsübergangs muß der Arbeitgeber einem davon betroffenen Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz anbieten, sobald er damit rechnen muß, der Arbeitnehmer werde dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprechen.
- Der Arbeitgeber muß mit dem Widerspruch jedenfalls von dem Zeitpunkt an rechnen, in dem er den Arbeitnehmer vom bevorstehenden Übergang unterrichtet.
- Unterläßt es der Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer einen zu diesem (Ziff. 3 und 4) Zeitpunkt freien Arbeitsplatz anzubieten, kann er sich nicht darauf berufen, dieser Arbeitsplatz sei bei Ausspruch der Kündigung besetzt gewesen.
- An der Vergleichbarkeit iSd. § 1 Abs. 3 KSchG fehlt es, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht einseitig auf einen anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann.
- Ob eine konkretisierende Einschränkung des Weisungsrechts, die nicht zu einer vertraglichen Eingrenzung auf eine ausschließlich geschuldete Tätigkeit führt, im Rahmen der Sozialauswahl die Vergleichbarkeit zu Lasten des Arbeitnehmers einschränkt, bleibt unentschieden.
Normenkette
KSchG § 1; BGB § 162
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. Dezember 2000 – 12 Sa 1150/00 – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
Der 1944 geborene, verheiratete und einem studierenden Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist gelernter Kfz-Mechaniker. Seine Ehefrau ist nicht erwerbstätig. Er trat im Jahre 1968 in die Dienste der Beklagten, die einen Buch- und Zeitungsverlag betreibt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht geschlossen. Der Kläger arbeitete seit seiner Einstellung bis zur Kündigung ausschließlich als Auslieferungsfahrer. Mit einem Kleintransporter brachte er nachts die bei der Beklagten gedruckten Zeitungen an die Verteilerstellen. Er erhielt Vergütung nach der Lohngruppe V des Lohnrahmentarifvertrages für die Druckindustrie und verdiente zuletzt durchschnittlich 7.700,00 DM brutto im Monat.
Die Beklagte entschloß sich 1998, den gesamten Ladebereich und den Fuhrpark mit damals noch zwei Fahrern zum 1. März 1999 auf das Logistikunternehmen F… GmbH & Co (im folgenden: F….) zu übertragen. Am 18. Januar 1999 und erneut – diesmal schriftlich – am 21. Januar 1999 unterrichtete sie die davon betroffenen Arbeitnehmer, darunter den Kläger, über den bevorstehenden Betriebsteilübergang und den damit verbundenen Übergang der Arbeitsverhältnisse auf F…. Mit Schreiben vom 11. Februar 1999 widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses, weil er im Versand weiter beschäftigt werden könne.
Nach Anhörung des bei ihr eingerichteten Betriebsrates kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 16. März 1999 zum 31. Oktober 1999 und stellte ihn von der Arbeit frei.
Mit der am 26. März 1999 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend gemacht. Zu Unrecht habe die Beklagte keine Sozialauswahl vorgenommen. Die Beklagte stelle im Versand ständig neue und ungelernte Kräfte ein. Obwohl sich sein Arbeitsverhältnis auf die Arbeit eines Auslieferungsfahrers konkretisiert habe, könne er sowohl Hilfstätigkeiten bei der Rotation (Rolleur) als auch die Aufgaben eines Maschinenbedieners ausüben. Unter den – abgesehen von der Einarbeitungsphase nach Lohngruppe V oder VI vergüteten Rolleuren und Maschinenbedienern seien mehrere sozial weniger schutzbedürftig als er. Das gelte vor allem für den erst zum 25. Januar 1999 eingestellten Herrn B.…
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Kündigung der Beklagten vom 16. März 1999, dem Kläger zugegangen am 18. März 1999, unwirksam ist.
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, daß sie nach Übertragung des Ladebereichs und Fuhrparks keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für den Kläger habe. Zu einer Sozialauswahl sei sie nicht verpflichtet gewesen, da es keine objektiv vertretbaren Gründe für den Widerspruch des Klägers gegeben habe. Abgesehen davon seien die vom Kläger benannten Arbeitnehmer nicht mit ihm vergleichbar, weil er auf deren Arbeitsplätze nur durch Änderungskündigung hätte versetzt werden können. Herr B habe sich auf die Stelle eines Maschinenbedieners im Dezember 1998 beworben. Er habe Abitur und eine abgeschlossene Berufsausbildung als Elektrotechniker. Im Unterschied zum Kläger erfülle er die erhöhten Anforderungen speziell im Gebiet der Elektrotechnik. Deshalb habe sie mit ihm am 18. Januar 1999 einen Arbeitsvertrag geschlossen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger weiterhin die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO aF).
- Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, für den Kläger habe nach der Teilbetriebsveräußerung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestanden. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz habe der Kläger nicht aufgezeigt. Das gelte auch für die jetzt mit Herrn B… besetzte Stelle. Zwar könne sich der Arbeitgeber nicht auf den von ihm selbst verursachten Wegfall einer freien Stelle berufen, wenn er diesen Wegfall vorher bewußt durch eine anderweitige Stellenbesetzung verursacht habe. Die Beklagte habe aber bei Abschluß des Arbeitsvertrages mit Herrn B nichts von einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger gewußt und mit dem Widerspruch des Klägers auch nicht rechnen müssen. Eine Sozialauswahl mit den Rolleuren und Maschinenbedienern habe die Beklagte nicht vornehmen müssen, weil sie nicht berechtigt gewesen sei, dem Kläger diese Tätigkeiten durch Ausübung ihres Direktionsrechtes zuzuweisen. Die vertraglich geschuldete Tätigkeit des Klägers habe sich in derjenigen eines Auslieferungsfahrers erschöpft.
Dem folgt der Senat nur zum Teil.
Die Sache mußte an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden, weil sich das Berufungsurteil nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist und der Senat in der Sache nicht entscheiden kann, da der Sachverhalt noch nicht hinreichend aufgeklärt ist (§§ 563, 565 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Rost, Eylert, Schmitz-Scholemann Engel, Fischer
Fundstellen
BAGE 2004, 197 |
DB 2003, 889 |
NJW 2003, 1414 |
NWB 2003, 739 |
BuW 2003, 351 |
ARST 2003, 155 |
EWiR 2003, 429 |
FA 2003, 147 |
NZA 2003, 430 |
SAE 2003, 232 |
ZAP 2003, 280 |
ZIP 2003, 365 |
AP, 0 |
EzA-SD 2003, 6 |
EzA |
MDR 2003, 461 |
PERSONAL 2003, 55 |
ArbRB 2003, 68 |
RdW 2003, 373 |
BAGReport 2003, 70 |
LL 2003, 479 |
SPA 2003, 4 |