Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung. Verjährung. Abfindungsanspruch auf Grund Zusage des Arbeitgebers (späteren Gemeinschuldners). Verjährung des Anspruchs: Allgemeine Verjährungsfrist nach § 195 BGB aF oder kurze Verjährung gem. § 196 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BGB aF. Anwendung der Rechtsprechung zur Verjährung von Sozialplanansprüchen. Verwirkung. Feststellung des Anspruchs zur Konkurstabelle
Orientierungssatz
Einzelvertraglich vereinbarte Abfindungen, die wie eine Sozialplanabfindung dem Ausgleich oder der Milderung der Nachteile dienten, die den Arbeitnehmern infolge einer betriebsbedingten Kündigung – zukünftig – entstanden, unterlagen nicht der zweijährigen Verjährungsfrist nach § 196 Abs. 1 BGB aF, sondern der regelmäßigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB aF.
Normenkette
BGB § 195 aF, § 196 Abs. 1 aF, § 209 Abs. 1 aF
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13. August 2003 – 7 Sa 497/03 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen zur Konkurstabelle angemeldeten Abfindungsanspruch des Klägers, insbesondere über dessen Verjährung.
Der Kläger war seit 1982 bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt. Über deren Vermögen wurde am 2. Mai 1995 das Konkursverfahren eröffnet, das noch nicht abgeschlossen ist. Im Juni 1999 beantragte der Kläger die Feststellung einer Abfindungsforderung iHv. 104.775,00 DM zur Konkurstabelle. Nachdem der jetzt beklagte Konkursverwalter die Forderung im Prüfungstermin vom 14. September 1999 bestritten hat, erhob der Kläger am 16. Oktober 2001 die vorliegende Klage auf Feststellung der Forderung zur Konkurstabelle. Nach Angaben des Beklagten ist mit einer Konkursquote von ca. 75 % zu rechnen.
Der Kläger hat vorgetragen, der Inhaber der Gemeinschuldnerin habe ihm wie auch den anderen Mitarbeitern im Februar 1995 im Hinblick auf die drohende Kündigung zugesagt, die Firma zahle eine Abfindung in Höhe von zwei Bruttomonatslöhnen pro Beschäftigungsjahr, Geld sei genug vorhanden. Der Anspruch sei – entgegen der Einrede des Beklagten – nicht verjährt, da die Verjährungsfrist für derartige Abfindungsansprüche 30 Jahre betrage. Auch sei keine Verwirkung eingetreten. Er habe längere Zeit benötigt, um Licht in die Angelegenheit zu bringen. Der Beklagte sei im Übrigen ausweislich seines Sachstandsberichts vom 13. März 1996 an das Konkursgericht selbst davon ausgegangen, dass an die Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin noch Abfindungen in erheblicher Höhe zu zahlen seien. Soweit die Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben hätten, seien diese Verfahren im Hinblick auf die Konkurseröffnung ausgesetzt gewesen, ohne dass der Beklagte die betreffenden Arbeitnehmer über den Sachstand des Konkursverfahrens hinreichend informiert habe.
Der Kläger hat beantragt,
seine Forderung iHv. 104.775,00 DM zur Konkurstabelle festzustellen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die behauptete Abfindungszusage bestritten. Außerdem hat er sich darauf berufen, die Forderung unterliege gem. § 196 Abs. 1 Ziff. 8 und 9 BGB aF der zweijährigen Verjährungsfrist und sei folglich verjährt. Bei einer einzelvertraglich zugesagten Abfindung bestehe die Gefahr einer raschen Verdunkelung des Sachverhalts, die die Anwendung der kurzen Verjährungsfrist rechtfertige. Jedenfalls sei ein etwaiger Abfindungsanspruch verwirkt. Der Kläger sei durch das Konkursgericht schon im Mai 1995 aufgefordert worden, mögliche Ansprüche bis spätestens 21. Juni 1995 zur Konkurstabelle anzumelden. Dadurch, dass der Kläger bis 1999 keine Ansprüche geltend gemacht habe, habe er den Eindruck erweckt, sämtliche Ansprüche aus seinem Arbeitsverhältnis seien erledigt.
Das Arbeitsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ist insbesondere weder verjährt noch verwirkt.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, auf Grund des Ergebnisses der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass der Inhaber der späteren Gemeinschuldnerin dem Kläger und den anderen Arbeitnehmern im Februar 1995 zugesagt habe, ihnen eine Abfindung in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr zu zahlen. Der Abfindungsanspruch des Klägers habe auch der allgemeinen, damals 30-jährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB aF unterlegen und sei damit nicht verjährt. Wie eine Sozialplanabfindung habe auch die versprochene Abfindung keinen Lohn- oder Gehaltscharakter gehabt. Sie habe dazu gedient, Nachteile wegen einer nach dem Ablauf der Kündigungsfrist möglichen Zeit der Arbeitslosigkeit oder Beschäftigung in einem schlechter bezahlten Arbeitsverhältnis auszugleichen oder zu mildern. Der Abfindungsanspruch sei auch nicht verwirkt. Es fehle jedenfalls am Umstandsmoment der Verwirkung. Als der Kläger vom Konkursgericht aufgefordert worden sei, seine Ansprüche anzumelden, sei der Abfindungsanspruch noch nicht fällig gewesen. Während des ungewöhnlich lange sich hinziehenden Konkursverfahrens habe der Kläger keine Handlung begangen und kein Verhalten an den Tag gelegt, das bei dem beklagten Konkursverwalter das Vertrauen hätte begründen können, der Kläger werde jedenfalls keine Ansprüche mehr zur Konkurstabelle anmelden. Dies gelte insbesondere, weil nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Klägers die Arbeitnehmer vom Beklagten keine Informationen über den Fortgang des Konkursverfahrens erhalten hätten.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch weitgehend in der Begründung.
1. Der Zahlungsanspruch des Klägers ergibt sich aus einer einzelvertraglichen Zusage des Inhabers der späteren Gemeinschuldnerin. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Geschäftsinhaber dem Kläger und allen anderen Arbeitnehmern, als sich die Notwendigkeit von betriebsbedingten Kündigungen abzeichnete, eine Abfindung in Höhe von zwei Monatsgehältern pro Beschäftigungsjahr versprochen. Dies ergibt beim Kläger angesichts seiner Beschäftigungszeit einen Anspruch in unbestrittener Höhe von 104.775,00 DM. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zu dem Zahlungsversprechen des Inhabers der späteren Gemeinschuldnerin, insbesondere die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Beweiswürdigung, lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Insoweit erhebt auch die Revision keine Rügen, erst recht keine durchgreifenden Verfahrensrügen.
2. Mit zutreffender Begründung ist das Landesarbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass die vom Kläger zur Konkurstabelle angemeldete Forderung nicht verjährt ist. Die vom Beklagten gem. § 222 Abs. 1 BGB aF erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Für einzelvertraglich vereinbarte Kündigungsabfindungen, die den – zukunftsgerichteten – Ausgleich oder die Milderung der Nachteile durch eine betriebsbedingte Kündigung bezweckten, galt nicht die zweijährige Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 BGB aF, sondern die regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 195 BGB aF. Diese war bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung (§ 209 Abs. 1 BGB aF, nichts anderes würde nach § 204 Abs. 1 BGB nF gelten) nicht abgelaufen.
a) Nach § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB in der seinerzeit gültigen Fassung trat die Verjährung der Ansprüche derjenigen, welche im Privatdienste stehen, wegen des Gehalts, Lohnes oder anderer Dienstbezüge mit Einschluss der Auslagen und Vorschüsse in zwei Jahren ein. Mit gleicher Frist verjährten nach § 196 Abs. 1 Nr. 9 BGB die Ansprüche der gewerblichen Arbeiter – Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge, Fabrikarbeiter – wegen des Lohnes oder anderer oder an Stelle oder als Teil des Lohnes vereinbarter Leistungen mit Einschluss der Auslagen und Vorschüsse. Diese Vorschriften erfassten damit Vergütungsansprüche im engeren Sinne, also Ansprüche, die ein Äquivalent für die erbrachte Arbeitsleistung darstellten (BAG 30. Oktober 2001 – 1 AZR 65/01 – BAGE 99, 266 mwN); das sind insbesondere die Ansprüche auf Lohn und Gehalt. Die kurze – zweijährige – Verjährungsfrist galt aber auch für solche Ansprüche der Arbeitnehmer, die kein Entgelt im engeren Sinne waren; danach erfasst waren alle Ansprüche, die in einem weiten Sinne Arbeitsentgelt oder sonstige regelmäßig nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistungen betrafen. Voraussetzung war aber auch bei solchen Ansprüchen, dass sie Lohn- oder Gehaltscharakter besaßen, also eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung darstellten (BAG 30. Oktober 2001 aaO; 17. September 1991 – 1 AZR 26/91 – AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 120 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 100).
b) Das Bundesarbeitsgericht hat bereits entschieden, dass Sozialplanabfindungen diese Voraussetzungen nicht erfüllen (BAG 30. Oktober 2001 – 1 AZR 65/01 – BAGE 99, 266 = AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 145 mit insoweit zust. Anm. v. Hoyningen-Huene). Die Sozialplanabfindung ist weder Lohn bzw. Gehalt noch ein anderer Dienstbezug iSd. § 196 Abs. 1 Nr. 8 BGB aF oder eine andere an Stelle oder als Teil des Lohnes vereinbarte Leistung iSv. § 196 Abs. 1 Nr. 9 BGB. Sie ist nicht Äquivalent für die erbrachte Arbeitsleistung. Sie dient vielmehr dem Ausgleich oder der Milderung der Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge einer Betriebsänderung – zukünftig – entstehen. Die Sozialplanleistung soll für die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer eine Überbrückungsmaßnahme bis zu einem neuen Arbeitsverhältnis oder längstens bis zum Bezug von Altersruhegeld darstellen (BAG 30. Oktober 2001 aaO mwN).
c) Diese Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, überträgt das Landesarbeitsgericht mit zutreffender Begründung auf einzelvertraglich vereinbarte Abfindungen, die wie eine Sozialplanabfindung dem Ausgleich oder der Milderung der Nachteile dienen, die den Arbeitnehmern infolge einer betriebsbedingten Kündigung – zukünftig – entstehen. Es ist nicht sachlich gerechtfertigt, eine einzelvertraglich zugesagte Abfindung, die kein Äquivalent für die erbrachte Arbeitsleistung darstellt, sondern lediglich zukünftig nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehende Nachteile mildern oder ausgleichen soll, verjährungsrechtlich anders zu behandeln als eine Sozialplanabfindung mit entsprechender Zielsetzung (BAG 15. Juni 2004 – 9 AZR 513/03 – nicht veröffentlicht [nv.]; KR-Spilger 7. Aufl. § 10 KSchG Rn. 22b; Lessner SAE 2003, 171, 173 zu Abfindungen nach §§ 9, 10 KSchG). Auch eine einzelvertraglich vereinbarte Abfindung, die keine Entgeltbestandteile enthält (etwa rückständigen Lohn, Urlaubsabgeltung, Gratifikation etc.), dient nicht dem Zweck, geleistete Arbeit zusätzlich zu entgelten, nicht erhaltene Vergütung zu ersetzen oder in Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis entstandenen Schaden auszugleichen. Der auf die Zukunft bezogene Zweck einer derartigen Abfindung verbietet es, die kurzen Verjährungsfristen des § 196 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BGB aF anzuwenden. Entgegen der Auffassung der Revision verlangt auch der Sinn und Zweck einer vertraglichen Abfindungsregelung wie der vorliegenden nicht deren Unterwerfung unter die kurzen Verjährungsfristen. Der Abfindungsanspruch steht nicht in einem synallagmatischen Verhältnis zu der in einem bestimmten Zeitabschnitt erbrachten Arbeitsleistung. Es handelt sich auch nicht um ein Geschäft des täglichen Lebens, das häufig vorkommt und deshalb eine baldige Klärung der Rechtslage erfordert, weil sonst eine in kurzer Zeit eintretende Verdunkelung des Sachverhalts zu befürchten ist. Die von der Revision gesehene “Verdunkelungsgefahr” beruhte hier nicht darauf, dass der Inhaber der späteren Gemeinschuldnerin allen Arbeitnehmern des Betriebes durch Gesamtzusage eine Abfindung versprochen hat, sondern darauf, dass diese Zusage mündlich und nicht schriftlich erteilt worden ist.
d) Soweit die Revision darauf hinweist, der überwiegende Teil der Literatur (MünchKomm/Grothe 4. Aufl. § 196 BGB Rn. 30; RGRK/Johannsen BGB 12. Aufl. § 196 Rn. 40; Soergel/Walter BGB 12. Aufl. § 196 Rn. 48) habe herkömmlich auf Abfindungen stets die kurze Verjährungsfrist der §§ 196 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BGB aF angewandt, führen diese Literaturmeinungen nicht weiter. Sie geben regelmäßig keine nähere Begründung und differenzieren nicht hinreichend danach, ob eine Abfindung an Stelle oder als Teil des Entgelts des Arbeitnehmers gezahlt wird oder allein zukunftsgerichtet ist und damit keinen Entgeltcharakter hat. Diese Unterscheidung ist aber bei einer Kündigungsabfindung stets erforderlich (vgl. BVerfG 12. Mai 1976 – 1 BvL 31/73 – BVerfGE 52, 176).
e) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann kein Zweifel daran bestehen, dass die vom Inhaber der späteren Gemeinschuldnerin zugesagte Abfindung allein Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion hatte. Angesichts der absehbar erforderlich werdenden betriebsbedingten Kündigungen sollte diese Abfindung ersichtlich kein Entgelt für bereits geleistete Dienste darstellen. Die Arbeitnehmer sollten sich vielmehr “keine Sorgen machen” und die Abfindung sollte Nachteile wegen einer nach dem Ablauf der Kündigungsfrist möglichen Zeit der Arbeitslosigkeit oder der Beschäftigung in einem schlechter bezahlten Arbeitsverhältnis ausgleichen oder zumindest mildern.
3. Mit zutreffender Begründung, die keinen Rechtsfehler erkennen lässt, ist das Landesarbeitsgericht auch davon ausgegangen, dass die Ansprüche des Klägers nicht verwirkt sind. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass trotz der langen Dauer des Konkursverfahrens das Zeitmoment durch die späte Anmeldung seiner Ansprüche durch den Kläger erfüllt ist, fehlt es jedenfalls am Umstandsmoment. Es hält sich im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz, wenn das Landesarbeitsgericht bei dem von ihm festgestellten Sachverhalt angenommen hat, es könne kein Umstandsmoment festgestellt werden, das geeignet gewesen sei, bei dem Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen zu begründen, der Kläger werde keine Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mehr geltend machen.
III. Der Beklagte hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Eylert, Röder, Heise
Fundstellen
FA 2005, 321 |
NZA 2005, 1207 |
EzA-SD 2005, 7 |
NJOZ 2005, 4250 |
SPA 2005, 6 |