Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Massenentlassung. Änderungskündigung. Erklärung einer ordentlichen Änderungskündigung als „Entlassung” iSv. § 17 Abs. 1 KSchG
Leitsatz (amtlich)
Änderungskündigungen sind „Entlassungen” im Sinne von § 17 KSchG. Das gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das ihm mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot ablehnt oder – und sei es ohne Vorbehalt – annimmt.
Orientierungssatz
1. Der Arbeitgeber, der sich zur Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung auf einen Rückgang des Beschäftigungsvolumens infolge eines verringerten Auftragsbestands beruft, muss darlegen, dass nicht nur eine kurzfristige Abwärtsbewegung vorliegt, sondern eine dauerhafte Auftragseinbuße zu erwarten ist. Die Möglichkeit einer „normalen”, im Rahmen des Üblichen liegenden Auftragsschwankung muss prognostisch ausgeschlossen sein. Dazu bedarf es regelmäßig eines Vergleichs der maßgebenden Daten aus repräsentativen Referenzperioden.
2. Der Begriff der „Entlassung” in § 17 Abs. 1 KSchG erfasst auch Änderungskündigungen. Diese zählen bei der Berechnung der für eine Anzeige maßgebenden Zahl zu entlassender Arbeitnehmer mit. Dafür kommt es nicht darauf an, ob von einer Änderungskündigung betroffene Arbeitnehmer das ihnen unterbreitete Änderungsangebot bei oder nach Zugang der Kündigungserklärung abgelehnt oder – ggf. unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG – angenommen haben.
3. Hat der Arbeitgeber eine – unter Berücksichtigung erklärter Änderungskündigungen – erforderliche Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit nicht erstattet, ist eine der Anzeigepflicht unterliegende Beendigungskündigung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot iSv. § 134 BGB unwirksam.
Normenkette
KSchG §§ 17, 1 Abs. 1-2, §§ 2, 17 Abs. 1, 3 S. 2; BGB §§ 134, 296, 615 S. 1; Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL); AEUV Art. 267
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 30. Juni 2011 – 4 Sa 970/09 – insoweit aufgehoben, wie es das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 10. September 2009 – 3 Ca 5129/09 – dahingehend abgeändert hat, dass der Feststellungsantrag und die Klage auf Zahlung von 4.950,00 Euro samt Zinsen abgewiesen wurden.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger zu 27 vH und die Beklagte zu 73 vH zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten – noch – über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und einen davon abhängigen Vergütungsanspruch.
Die Beklagte ist ein Softwareunternehmen. Sie hat sich auf Kommunikationssoftware und Diagnoselösungen für die Automobilindustrie spezialisiert. Sie beschäftigt regelmäßig nicht mehr als 170 Arbeitnehmer. Der 1965 geborene Kläger ist Diplominformatiker. Im Januar 2001 trat er als SoftwareEntwicklungsingenieur in die Dienste der Beklagten. Zuletzt war er in deren Geschäftsbereich Automotive Electronics (AE) als Gruppen-/Projektleiter gegen ein monatliches Bruttogehalt von 4.950,00 Euro nebst variabler Vergütung tätig.
Mit Schreiben vom 30. März 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. Juni 2009. Sie berief sich auf Umsatzeinbußen und damit zusammenhängende Restrukturierungsmaßnahmen im Bereich AE. Daneben erklärte sie 17 weitere Kündigungen, darunter zwei Änderungskündigungen.
Mit seiner rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Gründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG lägen nicht vor. Bereits im dritten Quartal 2009 habe die Beklagte wieder ein positives Ergebnis erwirtschaftet, insbesondere im Segment AE. Seine bisherigen Arbeitsaufgaben seien nicht weggefallen. Die soziale Auswahl sei fehlerhaft. Er sei sozial schutzwürdiger als der Gruppenleiter D. Überdies sei die Kündigung gem. § 17 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. Der maßgebende Schwellenwert sei erreicht. Gleichwohl habe die Beklagte die Entlassungen der Agentur für Arbeit – unstreitig – nicht angezeigt. Der Kläger hat ferner die Zahlung seines Grundgehalts für den Monat Juli 2009 verlangt.
Der Kläger hat – soweit noch von Bedeutung – beantragt
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. März 2009 nicht aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.950,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, mit dem Rückgang von Aufträgen für Projekte im Bereich „Werkstatttester” seien die entsprechenden Koordinationsaufgaben des Klägers entfallen. Für künftig nötige Projektkoordinierungen habe sie entschieden, diese von der jeweils verantwortlichen Gruppe und deren Leiter erledigen zu lassen. Die betroffenen Mitarbeiter seien in der Lage, die zusätzlichen Aufgaben innerhalb ihrer regulären Arbeitszeit auszuführen. Die soziale Auswahl sei ordnungsgemäß erfolgt. Der Kläger sei selbst nach einer Einarbeitungszeit von sechs Monaten nicht in der Lage, die besonderen Aufgaben des Leiters einer der verbliebenen Fachgruppen wahrzunehmen. Einer Anzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG habe es nicht bedurft. Änderungskündigungen seien jedenfalls dann keine Entlassungen im Sinne dieser Bestimmung, wenn die betroffenen Arbeitnehmer, wie im Streitfall, die ihnen angetragene Vertragsänderung – und sei es unter Vorbehalt – akzeptiert hätten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie – nach Beweisaufnahme – abgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern. Der Feststellungsantrag des Klägers ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 30. März 2009 nicht aufgelöst worden. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung seines Grundgehalts für den Juli 2009. Das Berufungsurteil war deshalb im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht. Der Rechtsstreit war nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).
A. Der Kläger hat die Revision auf den Feststellungsantrag und seinen Gehaltsanspruch beschränkt. Soweit das Landesarbeitsgericht weitergehende Klageforderungen beschieden hat, ist seine Entscheidung rechtskräftig.
B. Die Revision hat Erfolg. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG (I.). Sie ist außerdem nach § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam. Die Beklagte hat eine Massenentlassungsanzeige nicht erstattet, obwohl eine solche erforderlich war (II.). Der Zahlungsanspruch steht dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu (III.).
I. Die Kündigung ist unwirksam. Sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt. Ob die soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG ordnungsgemäß erfolgt ist, kann dahinstehen.
1. Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb voraussichtlich dauerhaft entfallen ist. Dazu müssen im Tätigkeitsbereich des Gekündigten mehr Arbeitnehmer beschäftigt sein, als zur Erledigung der zukünftig anfallenden Arbeiten benötigt werden. Regelmäßig entsteht ein Überhang an Arbeitskräften nicht allein und unmittelbar durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (Produktions- oder Umsatzrückgang etc.), sondern aufgrund einer – häufig durch diese Entwicklungen veranlassten – unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung des Arbeitgebers (BAG 23. Februar 2012 – 2 AZR 482/11 – Rn. 15).
a) Betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich aus außerbetrieblichen Umständen ergeben. Passt der Arbeitgeber im Fall eines Auftragsverlustes oder eines reduzierten Auftragsbestands die Anzahl der benötigten Arbeitnehmer an die verbliebene Arbeitsmenge an, kann sich daraus ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung ergeben, wenn der Arbeitsanfall – dauerhaft – so zurückgegangen ist, dass zukünftig für einen oder mehrere Arbeitnehmer kein Bedürfnis für eine Beschäftigung mehr besteht. Behauptet der Arbeitgeber, das Bedürfnis für eine Weiterbeschäftigung sei wegen eines solchen Auftragsrückgangs entfallen, und bestreitet der Arbeitnehmer dies, hat das Gericht in vollem Umfang nachzuprüfen, ob die außerbetrieblichen Umstände für die Kündigung tatsächlich vorlagen und zu einem dauerhaften Rückgang des Beschäftigungsvolumens geführt haben.
b) Dabei reicht ein Verweis des Arbeitgebers auf auslaufende Aufträge und das Fehlen von Anschlussaufträgen regelmäßig nicht aus, um einen nachhaltigen Rückgang zu begründen. Der Arbeitgeber, den im Kündigungsschutzprozess nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG trifft, muss vielmehr anhand seiner Auftrags- und Personalplanung im Einzelnen darstellen, warum nicht nur eine kurzfristige Abwärtsbewegung vorliegt, sondern ein dauerhafter Auftragsrückgang zu erwarten ist. Die Möglichkeit einer „normalen”, im Rahmen des Üblichen liegenden Auftragsschwankung muss prognostisch ausgeschlossen sein (BAG 23. Februar 2012 – 2 AZR 482/11 – Rn. 16; 18. Mai 2006 – 2 AZR 412/05 – Rn. 18). Dem müssen der Inhalt und die Substanz des Sachvortrags des Arbeitgebers gerecht werden. Dieser hat den nachhaltigen Rückgang des Arbeitsvolumens nachvollziehbar darzustellen, indem er die einschlägigen Daten aus repräsentativen Referenzperioden miteinander vergleicht (BAG23. Februar 2012 – 2 AZR 482/11 – Rn. 20).
c) Ein Rückgang des Arbeitskräftebedarfs kann sich auch daraus ergeben, dass der Arbeitgeber sich zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer dauerhaft entfallen lässt. Eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur daraufhin, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (BAG 29. August 2013 – 2 AZR 809/12 – Rn. 13; 20. Dezember 2012 – 2 AZR 867/11 – Rn. 33; jeweils mwN). Ohne Einschränkung nachzuprüfen ist hingegen, ob die fragliche Entscheidung faktisch umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG 29. August 2013 – 2 AZR 809/12 – Rn. 13; 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11 – Rn. 21).
aa) Allerdings kann in Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen. Daran fehlt es, wenn die Entscheidung in ihrer Folge zu einer Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbliebenen Personals führen würde oder sie lediglich Vorwand dafür ist, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (BAG 20. Dezember 2012 – 2 AZR 867/11 – Rn. 34; 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11 – Rn. 22).
bb) Der Arbeitgeber muss deshalb, wenn die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder einer einzelnen Stelle hinausläuft und dies mit dem Entschluss verbunden ist, verbleibende Arbeiten umzuverteilen, konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Nur so kann geprüft werden, ob die Entscheidung den dargestellten Voraussetzungen genügt. Der Arbeitgeber muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, dh. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigt werden können (BAG 20. Dezember 2012 – 2 AZR 867/11 – Rn. 35; 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11 – Rn. 23).
d) Wird die Kündigung auf eine zu erwartende künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, braucht diese bei Kündigungsausspruch noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet. Das ist der Fall, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde mit hinreichender Sicherheit ein die Entlassung erforderlich machender betrieblicher Grund vorliegen. Dabei muss eine der entsprechenden Prognose zugrunde liegende eigene unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers bereits im Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein. Andernfalls kann ein Wegfall des Arbeitsplatzes nicht sicher prognostiziert werden (BAG 23. Februar 2012 – 2 AZR 482/11 – Rn. 19; 23. Februar 2010 – 2 AZR 268/08 – Rn. 18 mwN, BAGE 133, 240).
2. Diesen Vorgaben wird das Berufungsurteil nicht gerecht.
a) Das Landesarbeitsgericht hat – nach Beweisaufnahme – angenommen, die Kündigung sei durch „außerbetriebliche Gründe” bedingt. Der Auftragseingang im Bereich AE sei ab dem zweiten Halbjahr 2008 rückläufig gewesen, ohne dass dies durch entsprechende Auftragsschwankungen in der Vergangenheit erklärbar gewesen sei. Im ersten Quartal 2009 habe er etwa ein Drittel unter dem Planumsatz gelegen. Davon sei auch der Arbeitsbereich des Klägers betroffen gewesen. Die darauf beruhende Entscheidung der Beklagten, eine eigene – wie auch immer inhaltlich figurierte – übergreifende Projektleiterstelle im Bereich AE wegfallen zu lassen und etwa verbleibende Restaufgaben umzuverteilen, sei nicht zu beanstanden. Es gebe keinen Anlass für die Annahme, dass die Team-/Gruppenleiter zur Wahrnehmung solcher restlichen Aufgaben nur bei überobligatorischer Anstrengung in der Lage seien. Die Behauptungen der Beklagten, wie sie die Aufgaben des Klägers verteilt habe, seien schlüssig und substantiiert, ihre Richtigkeit stehe aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme fest.
b) Diese Erwägungen tragen nicht das Ergebnis, die Kündigung sei iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG wirksam. Die Kündigung ist schon nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten nicht gerechtfertigt. Das gilt auch unter Berücksichtigung der bei der Beweisaufnahme zutage getretenen Umstände und der Annahme, dass die Beklagte sich die Angaben der Zeugen, soweit sie ihre Rechtsposition stützen, zumindest hilfsweise zu eigen gemacht hat. Darüber hinausgehende Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen.
aa) Es liegen schon keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei dem von der Beklagten behaupteten Umsatz- und Auftragsrückgang um einen dauerhaften Zustand handelte. Die aus dem Berufungsurteil ersichtlichen Daten beziehen sich, was den Umsatz betrifft, auf den Zeitraum vom ersten Quartal 2008 bis zum ersten Quartal 2009. Was den Auftragsbestand anbelangt, beschränkt sich das Zahlenmaterial auf das zweite Halbjahr 2008 und das erste Quartal 2009. Wie sich ihr Geschäft in vergleichbaren Referenzperioden davor liegender Jahre konkret – in Zahlen ausgedrückt – darstellte, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, es handele sich im Vergleich zu den Vorjahren um „unübliche” Auftragsschwankungen, stützt es sich zwar ersichtlich auf die Aussage eines Zeugen. Diese ist jedoch mangels ausreichender Konkretisierung ihrerseits unzulänglich. Abgesehen davon belegen „unübliche” Schwankungen des Auftragseingangs in einer bestimmten, verhältnismäßig kurzen Periode keinen nachhaltigen Einbruch. Sie können im Streitfall ebenso gut darauf beruhen, dass die Beklagte im ersten Halbjahr 2008 einen besonders hohen Umsatz erzielt und deutlich mehr Aufträge akquiriert hatte als in früheren Referenzzeiträumen. Es kann deshalb weder ausgeschlossen werden, dass nur ein kurzzeitiger Auftragseinbruch zu erwarten war, noch ist ausgeschlossen, dass die behaupteten Einbußen Umsatz- und Auftragsspitzen betrafen, die für die „normale” Auftrags- und Beschäftigungslage bei der Beklagten nicht charakteristisch waren.
bb) Der Mangel in der Darlegung der Beklagten steht nicht nur der Annahme entgegen, die Kündigung sei durch außerbetriebliche Umstände bedingt. Er schließt auch die Annahme aus, die Beklagte habe im Kündigungszeitpunkt von der Durchführbarkeit ihrer Organisationsentscheidung ausgehen dürfen. Diese setzte einen dauerhaften Auftragseinbruch und einen dadurch nachhaltig verminderten Arbeitsanfall im Arbeitsbereich AE voraus. Davon kann nicht hinreichend gewiss ausgegangen werden.
cc) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann im Übrigen selbst dann keinen Bestand haben, wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, es liege ein dauerhafter Auftragsrückgang vor. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht erkennen, wie sich der Rückgang auf den Arbeitsanfall im Tätigkeitsbereich des Klägers konkret ausgewirkt hat. Es fehlt an der Darlegung der tatsächlichen Arbeitsabläufe, des für sie benötigten Zeitaufwands und ihrer Beeinflussung durch den Auftragsrückgang. Ebenso wenig sind die Tatsachen vorgetragen und festgestellt, aufgrund derer die Beklagte annehmen durfte, die betroffenen Mitarbeiter seien in der Lage, Aufgaben des Klägers im Rahmen ihrer regelmäßigen Arbeitszeit zusätzlich zu ihren bisherigen Verpflichtungen zu übernehmen.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat ausdrücklich dahinstehen lassen, wie die Stelle des Klägers „inhaltlich figuriert” war. Es ist nicht erkennbar, dass es sich ein genaues Bild vom Gegenstand der Tätigkeit des Klägers gemacht hätte. Es hat keine konkreten Feststellungen dazu getroffen, welche bisher vom Kläger erledigten Aufgaben weggefallen sind und welche über den Kündigungszeitpunkt hinaus in welchem zeitlichen Umfang weiterhin anfielen. Die entsprechenden Ausführungen der Beklagten beschränken sich auf die Behauptung, der Kläger sei im „Umfeld” sog. „Werkstatttester” für die Automobilindustrie tätig gewesen und habe seinen „Schwerpunkt” bei Projekten zweier Großabnehmer gehabt, die ihre Aufträge ab Jahresbeginn 2009 „dramatisch zurückgefahren hätten”. Soweit Zeugen darüber hinausgehende Angaben gemacht haben, beziehen diese sich auf bestimmte Einzeltätigkeiten, mit denen der Kläger im ersten Quartal 2009 befasst war. Das schließt es nicht aus, dass ihm noch weitere Aufgaben zukamen. Dafür spricht die – vom Landesarbeitsgericht als glaubhaft angesehene – Aussage eines Zeugen, die ursprünglich dem Kläger übertragene Aufgabe, Mitarbeiter einer rumänischen Tochterfirma zu betreuen, habe ein Teamleiter übernommen. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen die Projektleitungsaufgaben des Klägers, die laut Aussage eines Zeugen 80 vH seiner – des Klägers – Arbeitszeit ausgemacht haben, seien „weitgehend weggefallen”. Dies lässt nicht erkennen, welche „Resttätigkeiten” verblieben sind und in welchem Umfang sie die Arbeitszeit des Klägers in Anspruch nahmen.
(2) Es fehlt überdies an Feststellungen und substanziellem Vortrag dazu, aufgrund welcher Umstände die Beklagte im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung davon ausgehen durfte, die übrigen Team- und Gruppenleiter seien nach Ablauf der Kündigungsfrist in der Lage, Aufgaben des Klägers ohne überobligatorische Beanspruchung mit zu erledigen. Der Kläger hat eine solche Möglichkeit stets bestritten. Er hat dabei auf Überstunden verwiesen, die er im ersten Quartal 2009 – unstreitig – geleistet habe. Die Beklagte hätte deshalb aufzeigen müssen, wie sich der Arbeitsanfall für die betreffenden Mitarbeiter konkret gestaltete. Sie hätte die Umstände darstellen müssen, aufgrund derer sie bereits Ende März 2009 davon ausgehen konnte, die fraglichen Arbeitnehmer seien innerhalb ihrer regulären Arbeitszeit in der Lage, zusätzliche, bisher vom Kläger verrichtete Arbeiten zu erledigen. Sie hat sich stattdessen auf die Behauptung beschränkt, ihre Entscheidung nach dem Ausscheiden des Klägers umgesetzt zu haben, ohne dass sie zusätzliche Stellen habe schaffen müssen. Dies besagt nichts über die Berechtigung einer entsprechenden Prognose im Kündigungszeitpunkt. Im Übrigen ist das Ausbleiben neuer Stellen kein Beleg dafür, dass die Beschäftigten die ihnen übertragenen zusätzlichen Aufgaben innerhalb ihrer regulären Arbeitszeit ausführen konnten. Dies lässt sich vielmehr nur auf der Grundlage substantiierter Ausführungen zu ihren Arbeitszeiten beurteilen.
II. Die Kündigung vom 30. März 2009 ist auch deshalb unwirksam, weil die Beklagte die erforderliche Massenentlassungsanzeige nicht erstattet hat. Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts, eine Änderungskündigung sei dann keine „Entlassung” iSv. § 17 Abs. 1 KSchG, wenn der betroffene Arbeitnehmer das ihm unterbreitete Änderungsangebot – sei es auch unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG – angenommen habe, ist rechtsfehlerhaft.
1. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10 vH der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt; gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG ist die Anzeige schriftlich zu erstatten.
2. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil beschäftigte die Beklagte im Kündigungszeitpunkt regelmäßig 168, höchstens 170 Arbeitnehmer iSv. § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Den Kläger eingerechnet hat sie gegenüber 18 Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen, davon 16 Beendigungs- und zwei Änderungskündigungen. Beide von den Änderungskündigungen betroffenen Arbeitnehmer haben das ihnen unterbreitete Änderungsangebot – zumindest unter Vorbehalt – angenommen. Dass es sich um ordentliche Kündigungen handelte, die innerhalb von 30 Kalendertagen erfolgten, ist im Vortrag des Klägers und den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vorausgesetzt und wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.
3. Damit war im Kündigungszeitpunkt der maßgebende Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG erreicht. Bei maximal 170 regelmäßig Beschäftigten bestand eine Anzeigepflicht ab 17 beabsichtigten Entlassungen. Die Zahl der im Referenzzeitraum tatsächlich erfolgten Entlassungen liegt bei 18. Die Änderungskündigungen zählen mit.
a) Unter „Entlassung” in § 17 KSchG ist die Erklärung der Kündigung zu verstehen (EuGH 27. Januar 2005 – C-188/03 – [Junk] Rn. 39, Slg. 2005, I-885; seitdem st. Rspr., vgl. BAG 25. April 2013 – 6 AZR 49/12 – Rn. 153; 21. März 2013 – 2 AZR 60/12 – Rn. 13). § 17 KSchG differenziert dabei nicht – ebenso wenig wie die Regelungen der Massenentlassungsrichtlinie (MERL) – zwischen den unterschiedlichen Formen der Entlassung. Die Vorschrift erfasst Änderungskündigungen iSv. § 2 KSchG deshalb unzweifelhaft dann, wenn sie mangels Annahme des Änderungsangebots die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben (so zur alten Rechtslage BAG 10. März 1982 – 4 AZR 158/79 – BAGE 38, 106; 3. Oktober 1963 – 2 AZR 160/63 –; so für das geltende Recht weiterhin APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 26a; ErfK/Kiel 14. Aufl. § 17 KSchG Rn. 13; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 41).
b) Ob eine Änderungskündigung auch dann als „Entlassung” iSv. § 17 Abs. 1 KSchG anzusehen ist, wenn sich der Arbeitnehmer mit der Änderung seiner Arbeitsbedingungen – und sei es unter dem Vorbehalt des § 2 Satz 1 KSchG – einverstanden erklärt, hat das Bundesarbeitsgericht zum geltenden Recht noch nicht entschieden (offengelassen in BAG 1. März 2007 – 2 AZR 580/05 – Rn. 13, BAGE 121, 347; zur alten Rechtslage dagegen ablehnend BAG 10. März 1982 – 4 AZR 158/79 – BAGE 38, 106; 3. Oktober 1963 – 2 AZR 160/63 –).
c) Die Meinungen im Schrifttum sind geteilt.
aa) Einige Stimmen gehen von einer uneingeschränkten Anzeigepflicht aus, an der sich durch das spätere Verhalten des Arbeitnehmers nichts mehr ändern könne (vgl. APS/Moll 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 26a; Gerstner ArbR 2010, 355; Hützen ZInsO 2012, 1801, 1802; U. Fischer FS 25 Jahre ARGE Arbeitsrecht im DAV S. 257, 263 f.; wohl auch Niklas/Koehler NZA 2010, 913).
bb) Andere Stimmen nehmen – mit unterschiedlicher Begründung – an, bei einer Annahme des Änderungsangebots liege keine Entlassung iSv. § 17 Abs. 1 KSchG vor, unabhängig davon, ob sie mit oder ohne Vorbehalt nach § 2 Satz 1 KSchG erklärt worden sei. Dem Arbeitgeber sei allerdings eine vorsorgliche Anzeige zu empfehlen, um den sich aus § 2 KSchG ergebenden Unsicherheiten hinsichtlich des Arbeitnehmerverhaltens zu begegnen (Bader/Bram/ Dörner/Suckow Stand Juni 2012 § 17 KSchG Rn. 37; HaKo-KSchR/Pfeiffer 4. Aufl. § 17 KSchG Rn. 28; vHH/L/v. Hoyningen-Huene KSchG 15. Aufl. § 17 Rn. 30; KDZ/Deinert KSchR 8. Aufl. § 17 KSchG Rn. 20; KR/Weigand 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 42; LSW/Wertheimer 10. Aufl. § 17 KSchG Rn. 39; Schaub/ Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 142 Rn. 13; SES/Schrader § 17 KSchG Rn. 17; Clemenz NJW 2006, 3166, 3167; Dzida/Hohenstatt DB 2006, 1897, 1900; in der Tendenz wohl auch ErfK/Kiel 14. Aufl. § 17 KSchG Rn. 13; SPV/Vossen 10. Aufl. Rn. 1642).
d) Zutreffend ist die erstgenannte Auffassung. Die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG erfasst auch ordentliche Änderungskündigungen. Diese sind unabhängig davon „Entlassungen”, ob der Arbeitnehmer das ihm im Zusammenhang mit der Kündigung unterbreitete Änderungsangebot bei oder nach Zugang der Kündigung mit oder ohne Vorbehalt angenommen hat. Durch die Annahmeerklärung fällt weder die Anzeigepflicht – rückwirkend – weg, noch wird eine erfolgte Anzeige gegenstandslos.
aa) Eine Änderungskündigung iSv. § 2 Satz 1 KSchG liegt vor, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigt und dem Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen anbietet. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer das Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist.
bb) Die Änderungskündigung iSv. § 2 KSchG ist ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zu der auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Kündigungserklärung tritt als zweites Element das Angebot zu seiner Fortsetzung unter geänderten vertraglichen Bedingungen hinzu (BAG 16. Dezember 2010 – 2 AZR 576/09 – Rn. 21; 10. September 2009 – 2 AZR 822/07 – Rn. 15, BAGE 132, 78). Auch wenn die Änderungskündigung im Ergebnis lediglich auf eine Änderung der Vertragsbedingungen zielt, handelt es sich bei ihr doch – wegen der mit ihr verbundenen Kündigungserklärung – um eine „echte” Kündigung (BAG 27. September 2001 – 2 AZR 487/00 – zu II 2 der Gründe). Diese unterliegt allen formalen Anforderungen, die an die Wirksamkeit einer Kündigung zu stellen sind (zur Schriftform gemäß § 623 BGB: BAG 16. September 2004 – 2 AZR 628/03 – zu B I 2 der Gründe, BAGE 112, 58; zur Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG: BAG 12. August 2010 – 2 AZR 104/09 – Rn. 16; für die Zustimmung des Integrationsamts: BAG 30. September 1993 – 2 AZR 283/93 – BAGE 74, 291). Die jeweiligen Vorgaben muss der Arbeitgeber vor Zugang der Kündigungserklärung und unabhängig von einer Ablehnung oder (Vorbehalts-)Annahme des Änderungsangebots beachten. Werden die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung missachtet, ist dies auch bei Annahme des Änderungsangebots rechtlich von Bedeutung, wenn die Annahme unter Vorbehalt erfolgt. Auch der Arbeitnehmer, der das Angebot auf Änderung seiner Arbeitsbedingungen gem. § 2 Satz 1 KSchG unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung angenommen hat, kann sich im Änderungsschutzprozess darauf berufen, die Änderung der Vertragsbedingungen sei schon aus einem anderen Grund als dem ihrer Sozialwidrigkeit unwirksam (BAG 28. Mai 1998 – 2 AZR 615/97 – zu II der Gründe, BAGE 89, 48).
cc) Da es sich bei der Änderungskündigung um eine „echte” Kündigung handelt, spricht schon dies dafür, sie uneingeschränkt als „Entlassung” iSv. § 17 Abs. 1 KSchG anzusehen. Es kommt hinzu, dass die Gründe, aus denen unter „Entlassung” im Sinne dieser Bestimmung schon die Kündigungserklärung zu verstehen ist, für die Änderungskündigung auch dann gelten, wenn sie (unter Vorbehalt) angenommen wurde.
(1) Weder dem Wortlaut des § 17 KSchG noch dem der Bestimmungen der MERL ist zu entnehmen, dass die Erklärung einer Kündigung nur dann als „Entlassung” iSd. jeweiligen Vorschriften zu verstehen sei, wenn sie tatsächlich zum Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb führe. Die MERL knüpft für das Entstehen der Konsultations- und Anzeigepflichten nicht an das Ausscheiden aus dem Betrieb, sondern an die Absicht des Arbeitgebers an, eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern zu entlassen. Die Änderungskündigung schließt eine solche Absicht ein. Der Arbeitgeber muss bei ihrer Abgabe damit rechnen, dass seine Kündigungserklärung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führt, und er strebt eine solche Auflösung sehr wohl an, falls sein Änderungsangebot nicht angenommen wird. Ob es zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt, hängt nicht mehr von seinem Zutun, sondern allein vom Verhalten des Arbeitnehmers ab.
(2) Auch Sinn und Zweck des Konsultations- und des Anzeigeverfahrens nach § 17 Abs. 2, Abs. 3 KSchG, Art. 2, Art. 3 MERL sprechen dafür, eine Änderungskündigung bei der Anzahl der beabsichtigten „Entlassungen” zu berücksichtigen. Die einzuhaltenden Verfahren sollen präventiv die Rechte des Arbeitnehmers, der zu beteiligenden Arbeitnehmervertretung und der Arbeitsverwaltung sichern. Dieser Schutz verträgt – wie die Kündigung selbst – keinen Schwebezustand.
(a) Beabsichtigt der Arbeitgeber, Änderungskündigungen zu erklären, können Konsultationen mit dem Betriebsrat der möglichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses ebenso vorbeugen wie bei einer „reinen” Beendigungskündigung (vgl. dazu EuGH 27. Januar 2005 – C-188/03 – [Junk] Rn. 44, Slg. 2005, I-885).
(b) Auch bei Änderungskündigungen muss es der Arbeitsagentur ermöglicht werden, nach Lösungen für die durch eine nicht auszuschließende tatsächliche Entlassung entstehenden Probleme zu suchen. Weder der Arbeitgeber noch die Arbeitsverwaltung wissen, wie sich die betroffenen Arbeitnehmer zum Änderungsangebot verhalten werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie sämtlich auf den Arbeitsmarkt gelangen. Dieser Umstand ist ausreichend. Es genügt – wie bei der Beendigungskündigung – die potentielle Belastung des Arbeitsmarkts, auf die sich die Agentur für Arbeit einstellen muss.
(c) Selbst bei vorbehaltloser Annahme des Änderungsangebots kann im Übrigen die Situation entstehen, dass der Arbeitnehmer zumindest hinsichtlich eines Teils seiner Arbeitskraft auf den Arbeitsmarkt drängt, wenn etwa das Änderungsangebot auf eine Reduzierung der Arbeitszeit zielte. Es wäre nicht einzusehen, dass Teilzeitbeschäftigte, deren Arbeitsverhältnis beendet werden soll, bei der Berechnung des Schwellenwerts mitzählen, nicht aber vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die von einer fühlbaren Arbeitszeitverkürzung betroffen sind.
(d) Bei der Änderungskündigung sind deshalb im maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigungserklärung weder das Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers noch das Unterrichtungsinteresse der Arbeitsverwaltung geringer als bei einer „reinen” Beendigungskündigung. Die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG davon abhängig zu machen, dass das Änderungsangebot vorbehaltlos ausgeschlagen wird, hieße zum einen, die Gleichsetzung von „Entlassung” und „Kündigungserklärung” zu missachten. Zum anderen können sich auch nach der Erklärung einer Beendigungskündigung die betrieblichen Verhältnisse in der Weise ändern, dass der Arbeitnehmer weiterbeschäftigt wird, ohne dass dies die Anzeigepflicht nach § 17 KSchG (rückwirkend) entfallen ließe (vgl. BAG 22. November 2012 – 2 AZR 371/11 – Rn. 48; Lembke/Oberwinter NJW 2007, 721, 729; Reinhard RdA 2007, 207, 215).
4. Hat der Arbeitgeber eine nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Anzeige nicht erstattet, führt dies gem. § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 KSchG iVm. § 134 BGB zur Unwirksamkeit der Beendigungskündigungen – auch derjenigen, die im Rahmen von Änderungskündigungen erklärt worden sind.
a) Gemäß Art. 6 MERL müssen die Mitgliedstaaten Verfahren einrichten, mit denen die Einhaltung der von den Richtlinien vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Die den Mitgliedstaaten überlassene Umsetzung dieser Maßgabe darf der MERL nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen. Deren Vorschriften verlangen eine umfassende Unterrichtung der Agentur für Arbeit – auch über die Durchführung des Konsultationsverfahrens – vor Ausspruch der Kündigung, um ihr die Chance zu eröffnen, auf der Basis der betreffenden Informationen Maßnahmen zu Gunsten der Arbeitnehmer zu ergreifen. Um dies zu gewährleisten, muss schon die Erklärung der Kündigung als solche vor Erstattung einer wirksamen Massenentlassungsanzeige ausgeschlossen sein (BAG 21. März 2013 – 2 AZR 60/12 – Rn. 26; 22. November 2012 – 2 AZR 371/11 – Rn. 43 ff.).
b) Dementsprechend stellen die Regelungen in § 17 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 KSchG Verbotsgesetze iSv. § 134 BGB dar. Sie verwehren es dem Arbeitgeber, Kündigungen auszusprechen, bevor er seine Anzeigepflicht erfüllt hat. Handelt er diesen Vorgaben zuwider, führt das zur Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. BAG 21. März 2013 – 2 AZR 60/12 – Rn. 21; 22. November 2012 – 2 AZR 371/11 – Rn. 31, 37).
c) Welche Rechtsfolgen das Fehlen einer Anzeige im Verhältnis zu klagenden Arbeitnehmern zeitigt, die das Angebot zur Änderung ihrer Vertragsbedingungen unter Vorbehalt angenommen haben, bedarf keiner Entscheidung. Der Kläger greift eine Beendigungskündigung an.
5. Die Beklagte kann sich für ihre Beurteilung der Rechtslage im März 2009 nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 27. Januar 2005 (– C-188/03 – Slg. 2005, I-885) und des Bundesarbeitsgerichts vom 1. März 2007 (– 2 AZR 580/05 – Rn. 13, BAGE 121, 347) haben eine neuerliche Diskussion über die Anzeigepflicht bei Änderungskündigungen ausgelöst. Spätestens seit dieser Zeit besteht für die Gewährung von Vertrauensschutz in den Fortbestand der früheren Rechtsprechung, derzufolge Änderungskündigungen auch bei einer unter Vorbehalt erklärten Annahme des Änderungsangebots nicht als Entlassungen iSv. § 17 Abs. 1 KSchG anzusehen waren (BAG 10. März 1982 – 4 AZR 158/79 – BAGE 38, 106; 3. Oktober 1963 – 2 AZR 160/63 –), keine Grundlage mehr.
6. Einer Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union gem. Art. 267 AEUV bedurfte es nicht. Es stellen sich keine Fragen der Auslegung des Unionsrechts, die noch nicht geklärt wären.
III. Der Zahlungsantrag ist begründet. Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung bestand das Arbeitsverhältnis der Parteien im Juli 2009 fort. Der Kläger hat für diesen Monat Anspruch auf Zahlung seines Grundgehalts aus § 615 Satz 1 BGB. Die Beklagte war mit der Annahme seiner Dienste iSv. § 615 Satz 1, § 296 BGB im Verzug. Der Anspruch ist der Höhe nach unstreitig. Es ist weder geltend gemacht noch objektiv ersichtlich, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum Lohnersatzleistungen bezogen hätte. Der Zinsanspruch beruht auf § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.
C. Die Kostenentscheidung folgt für das Revisionsverfahren aus § 97 Abs. 1 ZPO, für das Berufungsverfahren aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO und für das erstinstanzliche Verfahren – bei einem Streitwert von 29.696,66 Euro – aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung war geboten, weil die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Bestand hat, soweit der Berufung der Beklagten hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Gewinnbeteiligung stattgegeben und das Urteil des Arbeitsgerichts dementsprechend abgeändert wurde.
Unterschriften
Kreft, Rinck, Berger, Nielebock, Sieg
Fundstellen
Haufe-Index 7186267 |
BAGE 2015, 237 |
BB 2014, 2100 |
BB 2014, 2683 |
DB 2014, 2051 |
DB 2014, 8 |
DStR 2014, 12 |