Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerüberlassung. Abgrenzung zur Tätigkeit aufgrund eines Dienstvertrags
Orientierungssatz
1. Die in § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG angeordnete Rechtsfolge, das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer, kompensiert den Verlust, den der Leiharbeitnehmer andernfalls infolge der Regelung in § 9 Nr. 1 AÜG erlitte.
2. Indem § 10 Abs. 1 Satz 3 AÜG für den Umfang der Arbeitszeit nicht auf die vertraglichen Regelungen im Verhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer abstellt, sondern die Bestimmungen des Überlassungsvertrags für maßgeblich erklärt, schützt das Gesetz den Entleiher, der nur in dem Umfang, den der Überlassungsvertrag für den Einsatz des Leiharbeitnehmers vorsieht, mit einem Arbeitsverhältnis belastet wird. Nachteile, die dem Leiharbeitnehmer dadurch entstehen, dass die regelmäßige Arbeitszeit in dem neuen Arbeitsverhältnis hinter der in dem alten Arbeitsverhältnis zurückbleibt, kann der Leiharbeitnehmer nur im Wege des Schadensersatzes nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AÜG gegenüber dem Verleiher geltend machen.
3. Der Umfang der im Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher vorgesehenen Überlassung kann sich zum einen aus einer ausdrücklichen Bestimmung selbst, zum anderen aus dem Umfang der tatsächlichen Überlassung des Leiharbeitnehmers ergeben.
Normenkette
AÜG § 1 Abs. 1 S. 1, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1-2; BGB § 242; ZPO §§ 148, 253 Abs. 2 Nr. 2, § 261 Abs. 3 Nr. 1, § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 3. September 2015 – 14 Sa 1941/14 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen seit dem 1. Januar 2010 ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte, eine öffentlich-rechtliche Stiftung, betreibt das J Museum. Seit ihrer Gründung im Jahr 2001 vergibt die Beklagte Leistungen im Bereich „Besucherservice”, wie Einlass- und Ticketkontrolle, Gruppenkoordination, Garderobenbetreuung, Ausgabe von Gruppenführungsgeräten, Audioguides usw., im Wege von Ausschreibungen an externe Dienstleister. Dabei verfolgt sie ein von der klassischen Museumsaufsicht abweichendes, sog. integrales Host-Konzept, das die proaktive Kommunikation zwischen dem Gastgeber (Host) und Gast in den Vordergrund stellt und darüber hinaus Service, Objektschutz und Gastsicherheit verbindet.
Spätestens seit Mitte des Jahres 2004 ließ die Beklagte die Aufgaben im Bereich „Besucherservice” von der X GmbH erledigen, einem Unternehmen, das Bewachungsaufgaben für verschiedene Auftraggeber wahrnimmt und bis zum 28. Februar 2006 eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hatte.
Auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 30. Juni/14. Juli 2004 trat die Klägerin mit Wirkung vom 2. Juni 2004 in die Dienste der X GmbH. Der Arbeitsvertrag sah eine Beschäftigung der Klägerin als gewerbliche Mitarbeiterin „für das Projekt Besucherservice im J Museum” in Teilzeit zu einem Bruttostundenlohn iHv. zunächst 7,50 Euro vor.
In dem zwischen der Beklagten und der X GmbH unter dem 25./30. März 2009 geschlossenen „Dienstleistungsvertrag” heißt es ua. wie folgt:
„§ 1 – Vertragsgegenstand
Der Auftraggeber überträgt dem Auftragnehmer die Besucherbetreuung für das J Museum.
Der Auftragnehmer hat die Besucherbetreuung durch eigenes Personal zu leisten. …
§ 2 – Vertragsbestandteile
Die nachfolgend genannten Anlagen und Bestimmungen sind Bestandteil des Vertrages:
1. |
Leistungsverzeichnis inkl. Preise gem. Ausschreibung (Anlage 1) |
… |
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§ 3 – Leistungen des Auftragnehmers
Der Auftragnehmer stellt täglich in der Zeit
a) |
21 Hosts pro Schicht |
1. Schicht: |
9.00 Uhr |
bis 15.00 Uhr |
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2. Schicht: |
14.30 Uhr |
bis 20.30 Uhr |
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montags |
14.30 Uhr |
bis 22.30 Uhr |
b) |
1 Gruppenkoordinator |
tägl. nach Bedarf des AG ab 8.30 h für ca. 6 Stunden |
… |
zur Verfügung. |
… |
Der Auftragnehmer benennt einen Projektkoordinator, der die Hosts und Gruppenkoordinatoren während der Dauer des Vertrages betreut und ihnen Weisungen erteilt … Die Weisungsbefugnis vor Ort wird entsprechend der Dienstanweisung des Auftragnehmers in Absprache mit den Seniorhosts des Auftraggebers ausgeübt.
Die Aufgabenbeschreibung und die Positionsverteilung im Museum erfolgt nach gegenseitiger Absprache mit dem Auftraggeber. Der Einsatzplan (Dienstpläne der Hosts) ist dem Auftraggeber rechtzeitig, mindestens aber für die Dauer der folgenden Kalenderwoche vorzulegen.
…
§ 7 – Haftung
Der Auftragnehmer haftet für Schäden, die durch ihn bzw. seine Erfüllungsgehilfen im Zusammenhang mit der Durchführung der Besucherbetreuung verursacht werden, insbesondere für Garderobenbeaufsichtigung.
Er verpflichtet sich, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen …
…
§ 11 – Schulungen und Einweisungen des Auftraggebers
Das vom Auftragnehmer zur Verfügung gestellte Personal wird verpflichtet, an den vom Auftraggeber veranstalteten Schulungen und Einweisungen teilzunehmen. …
…
§ 16 – Vertragsausfertigung
Die Anlagen 1 und 2 sind untrennbare Bestandteile des Dienstleistungsvertrages. …”
Die „Anlage 1 zum Dienstleistungsvertrag ‚Besucherbetreuung'” (im Folgenden Anlage 1 zum Vertrag) enthält ua. folgende Regelungen:
„Anforderungen an die Hosts und Gruppenkoordinatoren
…
- Sämtliche zum Einsatz kommende Kräfte haben an Qualitätsschulungen und Weiterbildungsmaßnahmen des Auftraggebers teilzunehmen. Diese Schulungen (Evakuierungs-, Motivationsschulungen etc.) werden von dem Auftraggeber organisiert und finanziert.
…
Anforderungen an die Senior Hosts
…
Der Auftraggeber hat das Weisungsrecht gegenüber dem Projektkoordinator des Auftragnehmers entsprechend der allgemeinen Dienstanweisung des Auftragnehmers an seine Mitarbeiter.
Aufgaben der Gruppenkoordinatoren
…
- Der Besucherdienst (Senior Hosts – Auftraggeber) ist dem Gruppenkoordinator gegenüber weisungsbefugt.
…”
Die vertraglich zugesagten Leistungen erbrachte die X GmbH in den Räumen der Beklagten. Hierbei setzte sie mit Handlungsvollmacht ausgestattete Projektkoordinatoren ein, die dem Geschäftsführer der X GmbH unterstellt waren. Die Projektkoordinatoren waren den sog. „Senior Hosts” vorgesetzt, diese wiederum den von der X GmbH beschäftigten „Hosts”.
In den Jahren 2010 und 2011 setzte die X GmbH die Klägerin sowohl im Museum der Beklagten als auch bei der H Stiftung e. V. ein. Soweit sie in den Jahren 2010 bis 2012 im Museum der Beklagten tätig wurde, arbeitete sie überwiegend als Gruppenkoordinatorin und im Übrigen als Host. Zu den Aufgaben der Klägerin als Gruppenkoordinatorin gehörte die Betreuung der Gruppengäste in allen Eingangs- und Lobbybereichen des Museums. Als Host oblag es der Klägerin, die Gäste des Museums zu betreuen, diese beispielsweise willkommen zu heißen und ihnen Auskünfte zu erteilen.
Im Jahr 2010 wurde die Klägerin Mitglied des bei der X GmbH bestehenden Betriebsrats. Ab dem 13. November 2012 befand sich die Klägerin im Mutterschutz, im Anschluss hieran bis zum 5. Januar 2014 in Elternzeit. Mit Schreiben vom 28. Januar 2014, das der Beklagten Ende Januar 2014 zuging, machte die Klägerin gegenüber der Beklagten erfolglos geltend, zwischen ihnen bestehe ein „unbefristetes Arbeitsverhältnis als Host (Gruppenkoordinatorin) im Besucherservice”. Seit dem 1. August 2014 setzte die X GmbH die Klägerin nicht mehr im Museum ein.
Mit Schreiben vom 2. April 2015 erklärte die Beklagte die Kündigung des von der Klägerin behaupteten Arbeitsverhältnisses vorsorglich zum 30. Juni 2015, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Die Klägerin begehrte daraufhin mit einer am 17. April 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 24. April 2015 zugestellten Klage Kündigungsschutz. Der Rechtsstreit wird von den Parteien derzeit nicht betrieben.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die X GmbH habe sie spätestens seit dem 1. Januar 2010 der Beklagten ohne Erlaubnis als Arbeitnehmerin überlassen. Sie hat behauptet, sowohl als Host als auch als Gruppenkoordinatorin habe sie den Weisungen der bei der Beklagten beschäftigten Herren Dr. R und I unterstanden. Soweit die bei der X GmbH beschäftigten Senior Hosts ihr während ihres Einsatzes als Host Weisungen erteilt hätten, seien sie als Vertreter der bei der Beklagten beschäftigten Senior Hosts tätig geworden.
Soweit die Klägerin zunächst Auskunft über die für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen begehrt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit in der Berufungsinstanz in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass zwischen den Parteien seit dem 1. Januar 2010 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Host und Gruppenkoordinatorin im Besucherservice im Umfang von 37,63 Arbeitsstunden je Woche besteht.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage ua. mit der Begründung beantragt, der Feststellungsantrag sei mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Die Verträge zwischen ihr und der X GmbH seien nicht auf die Überlassung von Arbeitnehmern, sondern auf die Erbringung von Dienstleistungen seitens der X GmbH gerichtet gewesen. Die Klägerin habe ausschließlich den disziplinarischen und fachlichen Weisungen der bis zu neun Senior Hosts und mindestens vier Projektkoordinatoren unterstanden, die sämtlich von der X GmbH beschäftigt worden seien. Die Projektkoordinatoren hätten zu Beginn jeder Schicht nicht nur das pünktliche Erscheinen der Hosts überprüft, sondern auch fachliche und disziplinarische Anweisungen erteilt sowie die Einhaltung der Kleiderordnung der X GmbH sichergestellt. Der Annahme, sie habe ein überwiegendes Weisungsrecht ausgeübt, stehe nicht zuletzt entgegen, dass sie ihre Mitarbeiter im Bereich des Besucherservice zeitgleich lediglich von montags bis freitags im Umfang von 39 Stunden beschäftige, die von der X GmbH gestellten Hosts jedoch 84,25 Stunden pro Woche an 360 Tagen im Jahr im Museum tätig seien. Schließlich habe die Klägerin ihr Recht, sich auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu berufen, verwirkt und übe es treuwidrig aus.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts nicht zurückweisen. Ob zwischen den Parteien seit dem 1. Januar 2010 ein Arbeitsverhältnis mit der von der Klägerin geltend gemachten Arbeitszeit besteht, kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden. Die Sache war deshalb nach § 563 Abs. 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
I. Die Revision ist nicht schon deshalb zurückzuweisen, weil – wie die Beklagte meint – bereits die Berufung mangels ausreichender Begründung unzulässig ist.
1. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung und deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Genügt die Berufungsbegründung nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, verwirft das Landesarbeitsgericht die Berufung aber nicht als unzulässig, sondern weist sie in der Sache zurück, hat das Revisionsgericht die Revision des Berufungsklägers mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Berufung als unzulässig verworfen wird.
Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist ohne Bedeutung (BAG 19. Februar 2013 – 9 AZR 543/11 – Rn. 11).
2. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG sind die Vorschriften der ZPO über die Begründung der Berufung auch im Urteilsverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen anwendbar. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (BAG 15. März 2011 – 9 AZR 813/09 – Rn. 11).
3. An diesem Maßstab gemessen hat die Klägerin ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts ausreichend begründet. Unter konkreter Bezugnahme auf das Argument des Arbeitsgerichts, § 2 Abs. 2 und Abs. 3 des Vertrags vom 31. Mai 2012 zwängen zu der Annahme eines Dienstvertrags, legt die Klägerin in der Berufungsbegründung – wenn auch knapp – dar, diese Begründung des Arbeitsgerichts sei rechtlich unzutreffend. Dazu verweist sie auf eine Reihe von vertraglichen Bestimmungen, namentlich die Bindung an das integrale Hostkonzept, die Inbezugnahme der Positionsbeschreibung und die Gestellungsverpflichtung. Das reicht aus, um die Angriffsrichtung der Berufung, nämlich die Rüge, das Arbeitsgericht habe den Vertrag vom 31. Mai 2012 unter Außerachtlassung wesentlicher vertraglicher Bestimmungen im Ergebnis unzutreffend ausgelegt, hinreichend deutlich erkennen zu lassen.
II. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die von der Klägerin erhobene Klage zulässig ist.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer mit der allgemeinen Feststellungsklage das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem Entleiher auf Grundlage der Vorschriften des AÜG geltend machen (BAG 23. Juni 2015 – 9 AZR 261/14 – Rn. 15, BAGE 152, 59).
2. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der Beklagten ab dem 1. Januar 2010 besteht und damit auch für einen vergangenen Zeitraum. Nach § 256 Abs. 1 ZPO muss eine Feststellungsklage grundsätzlich den gegenwärtigen Bestand eines Rechtsverhältnisses betreffen. Dies steht der Zulässigkeit der Klage allerdings nicht entgegen. Trotz des Vergangenheitsbezugs des Antrags besteht das besondere Feststellungsinteresse nämlich dann, wenn sich – wie im Streitfall – aus ihm Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft, insbesondere mögliche Ansprüche auf Vergütung ergeben können (BAG 23. Juni 2015 – 9 AZR 261/14 – Rn. 16, BAGE 152, 59).
3. Der Feststellungsantrag ist entgegen der Ansicht der Beklagten ausreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Klageantrag bezeichnet hinreichend deutlich die Arbeitsvertragsparteien, den Beschäftigungsbeginn (vgl. hierzu BAG 17. März 2015 – 9 AZR 702/13 – Rn. 34), die Art der Arbeitsleistung sowie deren zeitlichen Umfang und damit die essentialia negotii eines Arbeitsvertrags. Dies reicht in jedem Falle aus (vgl. BAG 25. Juni 2014 – 7 AZR 847/12 – Rn. 22, BAGE 148, 299).
4. Die Kündigungsschutzklage, die die Klägerin im April 2014 vor dem Arbeitsgericht ua. mit dem Antrag erhoben hat festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbesteht, steht unter dem Gesichtspunkt der doppelten Rechtshängigkeit einer Entscheidung des Senats nicht entgegen.
Gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO kann die Streitsache während der Dauer der Rechtshängigkeit von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Die anderweitige Rechtshängigkeit stellt ein Prozesshindernis dar, das von Amts wegen – auch noch in der Revisionsinstanz – zu berücksichtigen ist. Die in § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO angeordnete Rechtsfolge betrifft allein die später rechtshängig gewordene, nicht aber die zu diesem Zeitpunkt bereits rechtshängige Streitsache. Unabhängig davon, dass allenfalls von einer Teilidentität der Streitgegenstände auszugehen ist, war die hiesige Streitsache zu dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin Kündigungsschutzklage erhob, bereits rechtshängig. § 261 ZPO berührt daher den vorliegenden Rechtsstreit nicht.
III. Das Landesarbeitsgericht ist in seiner Hauptbegründung rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, für die Entscheidung des Rechtsstreits komme es auf den Inhalt der Dienstverträge zwischen der Beklagten und der X GmbH nicht an. Soweit es seine Auffassung damit begründet, die Klägerin habe keine Tatsachen vorgetragen, die eine Würdigung rechtfertigten, der zufolge die Klägerin der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen war, verkennt es die Darlegungs- und Beweislast. In seiner Hilfsbegründung, in deren Rahmen es einige der im Dienstvertrag vom 25./30. März 2009 enthaltenen Klauseln rechtlich würdigt, missachtet es allgemeine Auslegungsregeln.
1. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses bei Fehlen einer Erlaubnis des Verleihers zur Arbeitnehmerüberlassung. Nach dieser Vorschrift gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist. Gemäß § 9 Nr. 1 AÜG sind Verträge zwischen Verleihern und Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern unwirksam, wenn der Verleiher nicht die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat.
a) Eine Überlassung zur Arbeitsleistung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AÜG liegt vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit nach Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist nicht jeder drittbezogene Arbeitseinsatz eine Arbeitnehmerüberlassung iSd. AÜG. Diese ist vielmehr durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet. Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat.
Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrags. In diesen Fällen wird der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen für die Ausführung des Werks erteilen. Entsprechendes gilt für Dienstverträge. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom AÜG nicht erfasst.
Über die rechtliche Einordnung des Vertrags zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem tatsächlichen Geschäftsinhalt nicht entspricht. Die Vertragschließenden können das Eingreifen zwingender Schutzvorschriften des AÜG nicht dadurch vermeiden, dass sie einen vom Geschäftsinhalt abweichenden Vertragstyp wählen (vgl. BAG 15. April 2014 – 3 AZR 395/11 – Rn. 20 f.).
b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, auf den Inhalt der Verträge zwischen der Beklagten und der X GmbH komme es nicht an. Denn der Inhalt der Rechtsbeziehung zwischen dem Vertragsarbeitgeber und dem Dritten ist sowohl auf der Grundlage der ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch unter Berücksichtigung der praktischen Durchführung des Vertrags zu bestimmen (vgl. BAG 15. April 2014 – 3 AZR 395/11 – Rn. 21). Von diesem Rechtssatz ist das Landesarbeitsgericht zunächst auch ausgegangen, hat ihn dann aber unangewendet gelassen. Soweit sich das Landesarbeitsgericht dabei auf insgesamt drei Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (15. April 2014 – 3 AZR 395/11 –; 18. Januar 2012 – 7 AZR 723/10 –; 30. Januar 1991 – 7 AZR 497/89 – BAGE 67, 124) bezieht, verkennt es, dass keine dieser Entscheidungen einer Prüfung der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Beklagten und der X GmbH entgegensteht.
aa) Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 15. April 2014 (– 3 AZR 395/11 –) unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Siebten Senats (13. August 2008 – 7 AZR 269/07 –) angenommen, ein Arbeitnehmer, der die vertraglichen Vereinbarungen zwischen seinem Vertragsarbeitgeber und dem Dritten nicht kenne, müsse Tatsachen vortragen, die eine Würdigung rechtfertigen, wonach der Arbeitnehmer einem Entleiher zur Arbeitsleistung überlassen ist. Es sei dann Aufgabe des Vertragsarbeitgebers, die Tatsachen darzulegen, die gegen das Vorliegen des Überlassungstatbestands sprechen.
bb) Die tatsächlichen Voraussetzungen, an die die Rechtsprechung die abgestufte Darlegungs- und Beweislast knüpft, liegen im Streitfall nicht vor. Denn die Klägerin hat von den vertraglichen Absprachen zwischen der Beklagten und der X GmbH Kenntnis. Die Beklagte hat eine Kopie des „Dienstleistungsvertrags” vom 25./30. März 2009 zur Akte gereicht, von dem die Klägerin eine Abschrift erhalten hat.
2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
a) Soweit das Landesarbeitsgericht in einer Hilfsbegründung zu dem Ergebnis gelangt ist, der Vertrag vom 25./30. März 2009 spreche gegen die Annahme, die X GmbH habe der Beklagten die Klägerin zur Arbeitsleistung überlassen, ist dies mit wesentlichen Auslegungsgrundsätzen nicht zu vereinbaren (vgl. zu den Grundsätzen der Vertragsauslegung BAG 25. April 2013 – 8 AZR 453/12 – Rn. 22).
aa) Die Auslegung atypischer Verträge ist grundsätzlich den Tatsachengerichten vorbehalten. Sie kann in der Revision nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt hat oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (BAG 17. März 2015 – 9 AZR 702/13 – Rn. 31).
bb) Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht stand. Wesentliche Vertragsbestimmungen belegen, dass die Beklagte und die X GmbH unter dem 25./30. März 2009 keinen Dienstvertrag, sondern einen auf die Überlassung von Arbeitnehmern gerichteten Vertrag geschlossen haben.
(1) Hinsichtlich des zeitlich überwiegenden Einsatzes der Klägerin als Gruppenkoordinatorin hat das Landesarbeitsgericht die in der Leistungsbeschreibung (Anlage 1 zum Vertrag) enthaltenen, unter der Überschrift „Aufgaben der Gruppenkoordinatoren” aufgeführten Vertragsbestimmungen unzureichend beachtet. Diese sind Bestandteil des die Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten und der X GmbH regelnden Vertrags vom 25./30. März 2009 (§ 2 Nr. 1, § 16 des Vertrags vom 25./30. März 2009). Dort ist ua. geregelt, dass der Besucherdienst der Beklagten den Gruppenkoordinatoren gegenüber weisungsbefugt ist (Anlage 1 zum Vertrag, „Aufgaben der Gruppenkoordinatoren”). Das der Beklagten eingeräumte Weisungsrecht ist in keinerlei Hinsicht, weder zeitlich noch sachlich, beschränkt. Die Übertragung eines umfassenden Weisungsrechts auf einen Dritten, im Streitfall die Beklagte, ist geradezu kennzeichnend für einen auf die Überlassung von Arbeitnehmern gerichteten Vertrag. Denn es ist die Einräumung dieses Weisungsrechts, das den Entleiher befähigt, einen Leiharbeitnehmer so einzusetzen, als stände dieser zu ihm in einer arbeitsvertraglichen Beziehung.
(2) Hinsichtlich des zeitlich geringeren Einsatzes der Klägerin als Host hat das Landesarbeitsgericht übersehen, dass die Beklagte der Klägerin, wenn auch nicht unmittelbar, so doch mittelbar über die von der X GmbH gestellten Projektkoordinatoren Weisungen zu erteilen berechtigt war. Das Weisungsrecht der Beklagten gegenüber den Projektkoordinatoren folgt aus der Anlage 1 zum Vertrag „Anforderungen an die Senior Hosts”). Zwar richtet sich diese Befugnis nach „der allgemeinen Dienstanweisung des Auftragnehmers an seine Mitarbeiter”. Abhängig vom Inhalt der Dienstanweisung kann sich das übertragene Weisungsrecht damit auf allgemeine oder auch konkrete Weisungen, auf Weisungen bestimmter oder jeglicher Art beziehen. Der Inhalt der Dienstanweisung ist hingegen nicht entscheidungserheblich, da die Klägerin der Beklagten zumindest hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Gruppenkoordinatorin als Arbeitnehmerin auch in einem Zeitraum überlassen worden ist, in dem die X GmbH keine Erlaubnis zur Überlassung besaß.
(3) Für einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag spricht zudem § 11 des Vertrags vom 25./30. März 2009. Danach ist das von der X GmbH „gestellte Personal” verpflichtet, an den vom Auftraggeber veranstalteten Schulungen und Einweisungen teilzunehmen. Die „Stellung von Personal” ist nicht für einen Dienstvertrag, sondern vielmehr für einen auf die Überlassung von Arbeitnehmern gerichteten Vertrag kennzeichnend. Hinzu tritt, dass das für die Besucherbetreuung erforderliche Fachwissen nach dieser Vertragsbestimmung nicht durch die X GmbH als Vertragsarbeitgeberin, sondern durch die Beklagte selbst vermittelt werden soll. Eine solche Zuweisung von Schulungsmaßnahmen ist für einen Dienstvertrag ungewöhnlich. Dies gilt umso mehr, als die Schulungskosten nicht von der X GmbH, sondern von der Beklagten zu tragen sind (Anlage 1 zum Vertrag, „Anforderungen an die Hosts und Gruppenkoordinatoren”). Üblicherweise fällt dem Dienstnehmer die Aufgabe zu, sein Personal auf seine Kosten zu schulen.
(4) Die Bestimmungen in § 3 des Vertrags vom 25./30. März 2009 stehen der Annahme, die X GmbH habe das ihr als Arbeitgeberin zukommende Weisungsrecht während des Einsatzes der Klägerin im Museum auf die Beklagte übertragen, nicht entgegen. Wie oben ausgeführt, unterstehen die Projektkoordinatoren der X GmbH, denen § 3 Abs. 3 des Vertrags vom 25./30. März 2009 ein – durch die Mitsprache der Beklagten zudem eingeschränktes – Weisungsrecht gegenüber den Hosts und Gruppenkoordinatoren zuweist, ihrerseits dem Weisungsrecht der Beklagten, das diese entsprechend der allgemeinen Dienstanweisung der X GmbH an ihre Mitarbeiter auszuüben berechtigt ist (Anlage 1 zum Vertrag, „Anforderungen an die Senior Hosts”). Unabhängig davon, ob infolgedessen die gesetzliche Fiktionswirkung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AÜG auch die Projektkoordinatoren erfasst, steht die Vertragsklausel nicht der Annahme entgegen, dass die Beklagte arbeitsrechtliche Weisungen, vermittelt über die Projektkoordinatoren, sowohl den Hosts als auch den Gruppenkoordinatoren im Allgemeinen und der Klägerin im Speziellen zu erteilen befugt war.
(5) Auch § 7 des Vertrags vom 25./30. März 2009 gibt ein abweichendes Ergebnis nicht zwingend vor. Zwar kann eine derartige Haftungsregelung verbunden mit der Pflicht, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, im Einzelfall als Indiz für das Vorliegen eines Dienstvertrags zu werten sein (vgl. BAG 18. Januar 2012 – 7 AZR 723/10 – Rn. 37). Zu beachten ist jedoch, dass es den Parteien eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags frei steht, die Haftung des Verleihers, die sich in der Regel auf ein Auswahlverschulden hinsichtlich der von ihm gestellten Arbeitnehmer beschränkt, im Vertragswege zu erweitern und auf eine Haftung für schuldhafte Schlechtleistungen der von ihm überlassenen Arbeitnehmer auszudehnen (vgl. Hamann jurisPR-ArbR 11/2013 Anm. 1). Von dieser vertraglichen Gestaltungsmöglichkeit haben die Beklagte und die X GmbH Gebrauch gemacht.
(6) Die Art und Weise, in der die Parteien den Vertrag tatsächlich durchgeführt haben, ist für die Entscheidung des vorliegenden Falls ohne Bedeutung.
(a) Widerspricht die tatsächliche Durchführung des Vertrags den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien, so ist grundsätzlich die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgebend. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die tatsächliche Durchführung von dem Willen der am Abschluss der vertraglichen Vereinbarung beteiligten Parteien umfasst war. Denn die Berücksichtigung der praktischen Vertragsdurchführung dient der Ermittlung des wirklichen Geschäftsinhalts, also der Rechte und Pflichten, von denen die Vertragsparteien bei Vertragsabschluss ausgegangen sind. Die Vertragspraxis lässt aber nur dann Rückschlüsse auf den wirklichen Geschäftswillen der Vertragspartner zu, wenn die zum Vertragsabschluss berechtigten Personen die vom Vertragswortlaut abweichende Vertragspraxis kennen und sie zumindest billigen (vgl. BAG 15. April 2014 – 3 AZR 395/11 – Rn. 21). Die zum Vertragsabschluss berechtigten Personen auf Seiten der Beklagten hatten, wie die Beklagte im Berufungsverfahren eingeräumt hat, von der Durchführung des Vertrags keine Kenntnis.
(b) Soweit die Beklagte geltend macht, aufgrund der Vielzahl der Aufgaben, die sie Herrn Dr. R und Herrn I zugewiesen habe, sei es den beiden unmöglich gewesen, die Tätigkeit der Klägerin und der übrigen Hosts bzw. Gruppenkoordinatoren durch Weisungen näher zu bestimmen, verkennt sie, dass es für die Abgrenzung zweier Vertragstypen allein auf die Rechte ankommt, die die Vertragschließenden einander einräumen. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine Vertragspartei infolge eigener Organisationsentscheidungen nicht in der Lage ist, die ihr eingeräumten Vertragsrechte in der betrieblichen Praxis tatsächlich auszuüben.
b) Die Klägerin hat das Recht, sich auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu berufen, nicht verwirkt. Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob das Recht, sich auf den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zu berufen, verwirken kann (so BAG 30. Januar 1991 – 7 AZR 239/90 – zu II 1 der Gründe; offengelassen von BAG 17. Januar 2007 – 7 AZR 23/06 – Rn. 26). Denn die Voraussetzungen für die Verwirkung sind nicht erfüllt. Es fehlt am Umstandsmoment.
Mit der Verwirkung wird ausgeschlossen, Rechte illoyal verspätet geltend zu machen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn der Gläubiger sich längere Zeit nicht auf seine Rechte berufen hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr wahrnehmen wolle, so dass sich der Verpflichtete darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment) (vgl. BAG 21. April 2016 – 2 AZR 609/15 – Rn. 24). Wenn die Beklagte ohne weitere Begründung meint, auf das Umstandsmoment verzichten zu können, so steht dies im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. 21. April 2016 – 2 AZR 609/15 – Rn. 24; 10. März 2015 – 3 AZR 56/14 – Rn. 70; 11. Dezember 2014 – 8 AZR 838/13 – Rn. 25; 10. Dezember 2014 – 4 AZR 991/12 – Rn. 22; 25. September 2013 – 5 AZR 936/12 – Rn. 15).
c) Die Klägerin verhält sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht widersprüchlich, wenn sie geltend macht, ab dem 1. Januar 2010 bestehe zwischen ihr und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis.
aa) Aus § 242 BGB folgt ua. der Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (sog. „venire contra factum proprium”). Als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben bildet dieses Verbot eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung. Ein Verhalten wird ua. dann als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn sich der Anspruchsteller mit der Geltendmachung einer Forderung in Widerspruch zu eigenem vorausgegangenen Verhalten setzt und dadurch beim Anspruchsgegner ein schutzwürdiges Vertrauen erweckt hat oder anderweitige Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Wann dies der Fall ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden (vgl. BAG 12. März 2009 – 2 AZR 894/07 – Rn. 16 f., BAGE 130, 14).
bb) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Obwohl das Landesarbeitsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent – in Bezug auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens keinerlei Feststellungen getroffen hat, kann der Senat darüber abschließend befinden. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, die Klägerin habe für die Monate März bis Mai 2014 bei der zuständigen Agentur für Arbeit einen Antrag auf Insolvenzgeld gestellt und einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die S GmbH widersprochen, hat sie hierdurch nicht den Eindruck erweckt, sie werde gegenüber der Beklagten ein Arbeitsverhältnis nicht geltend machen. Denn bereits vor dem Leistungszeitraum respektive vor dem Widerspruch nach § 613a Abs. 6 BGB hat die Klägerin mit Schreiben vom 28. Januar 2014 die Beklagte darüber in Kenntnis gesetzt, ihrer Rechtsansicht nach bestehe zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis.
IV. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und des zwischen den Parteien unstreitigen Sachverhalts vermag der Senat nicht zu beurteilen, mit welcher Wochenstundenzahl das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht des Weiteren zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 2. April 2015 zum 30. Juni 2015 vorsorglich gekündigt hat.
1. Das Landesarbeitsgericht hat – von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent – nicht geprüft, in welchem zeitlichen Umfang das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Die regelmäßige Arbeitszeit der Klägerin wird es unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben des § 10 Abs. 1 Satz 3 AÜG zu bestimmen haben.
a) Die in § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG angeordnete Rechtsfolge, das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer, kompensiert den Verlust, den der Leiharbeitnehmer andernfalls infolge der Regelung in § 9 Nr. 1 AÜG erlitte. Ohne die Regelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG arbeitete der Leiharbeitnehmer, der von seinem Vertragsarbeitgeber entgegen § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG ohne Erlaubnis einem Dritten überlassen wird, ohne arbeitsvertragliche Grundlage. Seine Ansprüche, die sich allein gegen den Verleiher richteten, wären nach den Grundsätzen über das faktische Arbeitsverhältnis und der Schadensersatzbestimmung des § 10 Abs. 2 AÜG zu ermitteln. Dem wirkt § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG entgegen, indem es ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer fingiert. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 AÜG gilt die zwischen dem Verleiher und dem Entleiher im Überlassungsvertrag für den Arbeitnehmer vorgesehene Arbeitszeit als vereinbart. Indem es nicht auf die vertraglichen Regelungen im Verhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer abstellt, sondern die Bestimmungen des Überlassungsvertrags für maßgeblich erklärt, schützt das Gesetz den Entleiher, der nur in dem Umfang, den der Überlassungsvertrag für den Einsatz des Leiharbeitnehmers vorsieht, mit einem Arbeitsverhältnis belastet wird (vgl. BT-Drs. VI/2303 S. 13 f.). Hierin weicht die gesetzliche Regelung von der Konzeption des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ab, der im Falle eines Betriebsübergangs die Kontinuität der arbeitsvertraglichen Absprachen zwischen Betriebsveräußerer und Arbeitnehmer dadurch sichert, dass er den Betriebserwerber anstelle des Betriebsveräußerers in den Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer eintreten lässt. Nachteile, die dem Leiharbeitnehmer dadurch entstehen, dass die regelmäßige Arbeitszeit in dem neuen Arbeitsverhältnis hinter der in dem alten Arbeitsverhältnis zurückbleibt, kann der Leiharbeitnehmer nur im Wege des Schadensersatzes nach § 10 Abs. 2 Satz 1 AÜG gegenüber dem Verleiher geltend machen (vgl. BT-Drs. VI/2303 S. 14). Der Umfang der vorgesehenen Überlassung kann sich zum einen aus einer ausdrücklichen Bestimmung im Überlassungsvertrag selbst, zum anderen aus dem Umfang der tatsächlichen Überlassung des Leiharbeitnehmers ergeben.
b) Der Senat kann auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keine abschließende Entscheidung treffen.
aa) Der Vertrag zwischen der Beklagten und der X GmbH vom 25./30. März 2009 sieht keine ausdrückliche Regelung iSd. § 10 Abs. 1 Satz 3 AÜG vor. Denn er bezeichnet in seinem § 3 Abs. 1 lediglich das Arbeitsvolumen, das durch eine zahlenmäßig umschriebene Anzahl namentlich nicht genannter Mitarbeiter der X GmbH zu erbringen ist. Eine konkrete Arbeitszeit enthält der Vertrag im Hinblick auf die Klägerin nicht.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat keinerlei Feststellungen hinsichtlich des Umfangs getroffen, in dem die X GmbH der Beklagten die Klägerin zur Arbeitsleistung tatsächlich überlassen hat. Dies wird es nachzuholen haben. Um den Umfang der Überlassung unter Ausschluss zufälliger Abweichungen nach oben oder unten zu bestimmen, wird das Landesarbeitsgericht in Ausübung des ihm zustehenden tatrichterlichen Ermessens einen geeigneten Referenzzeitraum auswählen müssen, der für den Umfang der Überlassung repräsentativ ist. Dabei kann es Zeiträume, in denen es infolge von längerer Krankheit (vgl. BAG17. April 2013 – 10 AZR 272/12 – Rn. 34, BAGE 145, 26) oder infolge von Elternzeit nicht zu einer Überlassung kam, außer Betracht lassen.
2. Das Landesarbeitsgericht wird bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 2. April 2015 vorsorglich zum 30. Juni 2015 gekündigt hat. Soweit der Zeitraum ab dem 1. Juli 2015 in Rede steht, ist der vor dem Arbeitsgericht anhängige Kündigungsrechtsstreit gegenüber dem vorliegenden Verfahren vorgreiflich.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder teilweise von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Das Gesetz stellt die Aussetzung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts. Eine Aussetzung muss nur dann erfolgen, wenn sich das Ermessen des Gerichts auf null reduziert hat. Gegenüber dem vorrangigen Zweck einer Aussetzung, einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern, sind insbesondere die Nachteile einer langen Verfahrensdauer und die damit einhergehenden Folgen für die Parteien abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung ist der Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 ArbGG ebenso zu berücksichtigen wie die Vorschriften zum Schutz vor überlanger Verfahrensdauer, § 9 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, §§ 198 ff. GVG (BAG 16. April 2014 – 10 AZB 6/14 – Rn. 5).
V. Das Landesarbeitsgericht wird auch darüber zu entscheiden haben, wer die Kosten des Rechtsstreits – einschließlich der Revision – zu tragen hat.
Unterschriften
Brühler, Zimmermann, Suckow, Vogg, Anthonisen
Fundstellen
Haufe-Index 10034419 |
BB 2017, 123 |
BB 2017, 52 |
DB 2017, 434 |