Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuschuss zum Krankengeld. Private Krankenversicherung. Differenz zwischen Nettogehalt und (Brutto)Krankengeld. Beitragszuschuss zur Krankenversicherung. tariflicher Nettolohnanspruch
Orientierungssatz
- Nach § 4 Nr. 2.2 RTV hat der privat krankenversicherte Arbeitnehmer Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss in Höhe der Differenz “zwischen 90 v.H. des Nettogehalts” und dem “Krankengeld oder Hausgeld …, das er als Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung in der Höchststufe erhalten würde”.
- Die Beitragszuschüsse gemäß § 257 Abs. 2 SGB V und § 61 Abs. 2 SGB XI sind nicht Teil des Brutto- und damit auch nicht Teil des Nettogehalts des Arbeitnehmers.
- Die Zuschussregelung des § 4 Nr. 2.2 RTV bezieht sich auf das sog. Bruttokrankengeld, nicht auf den dem Arbeitnehmer zufließenden Auszahlungsbetrag des Krankengelds.
- § 4 Nr. 2.2 RTV begründet keinen Nettolohnanspruch.
Normenkette
RTV § 4 Nr. 2; SGB V §§ 47, 49 Abs. 1 Nr. 1, §§ 224, 249, 257; SGB XI §§ 58, 61
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe eines tariflich geregelten Arbeitgeberzuschusses zum Krankengeld.
Der Kläger war vom 1. Januar 1972 bis zum 31. Dezember 2002 als technischer Angestellter bei der Beklagten beschäftigt. Nach dem Anstellungsvertrag der Parteien fand auf das Arbeitsverhältnis § 4 des Rahmentarifvertrags für die Angestellten und Poliere des Baugewerbes vom 4. Juli 2002 (RTV) Anwendung. Dieser lautet ua. wie folgt:
“Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeitsversäumnis und Arbeitsausfall
…
2. Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall
2.1 Für die Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall gelten die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen.
2.2 Nach dreijähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit erhalten Angestellte, wenn sie infolge Krankheit an der Arbeitsleistung verhindert sind (Arbeitsunfähigkeit), von der 7. Woche an einen Zuschuss vom Arbeitgeber bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Zuschuss wird in Höhe des Betrages gewährt, der sich als Unterschied zwischen 90 v. H. des Nettogehalts und den beitragspflichtigen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung oder Unfallversicherung ergibt. Ist der Angestellte nicht in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert, so ist das Krankengeld oder Hausgeld der Berechnung zugrunde zu legen, das er als Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung in der Höchststufe erhalten würde.
Nach siebenjähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit wird der Zuschuss nach Abs. 2 bis zur Dauer von acht Wochen und nach zehnjähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit bis zur Dauer von zwölf Wochen gewährt.
…”
Der Kläger, der privat kranken- und pflegeversichert ist, war seit dem 13. August 2002 bis mindestens 16. Dezember 2002 arbeitsunfähig krank. Bis zum 23. September 2002 zahlte ihm die Beklagte die Vergütung fort. Anschließend bezog der Kläger Krankentagegeld von seiner privaten Krankenversicherung. Daneben zahlte ihm die Beklagte bis einschließlich 16. Dezember 2002 auf der Grundlage des § 4 Nr. 2.2 RTV sog. “Krankengeldzuzahlungen” in Höhe von insgesamt 1.235,87 Euro brutto. Bei deren Berechnung ging die Beklagte von dem letzten monatlichen Nettoverdienst des Klägers in Höhe von 3.121,33 Euro aus und ließ die Beitragszuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung unberücksichtigt. Als Krankengeld legte sie kalendertäglich den Betrag zugrunde, den der Kläger, wäre er Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen, vor Abzug der vom Versicherten zu tragenden Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung bezogen hätte (sog. Bruttokrankengeld).
Der Kläger hat geltend gemacht, bei der Bemessung des maßgeblichen Nettogehalts seien die Beitragszuschüsse des Arbeitgebers zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 214,07 Euro monatlich einzubeziehen. § 4 Nr. 2.2 Satz 3 RTV bezwecke die Gleichstellung der privat krankenversicherten Arbeitnehmer mit den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung. Ohne die Berücksichtigung der Beitragszuschüsse entstünden den privat krankenversicherten Beschäftigten wegen der fortbestehenden Beitragspflicht Nachteile gegenüber den freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten. Die Tarifnorm stelle zudem nicht auf das Bruttokrankengeld, sondern auf den Zahlbetrag des dem Arbeitnehmer zufließenden Krankengelds (sog. “Nettokrankengeld”) ab. Dem Arbeitnehmer solle für die Dauer der Zuschusszahlung 90 vH seines Nettoeinkommens erhalten bleiben. Deshalb seien die Zuschüsse auch “netto” zur Auszahlung zu bringen. Die Beklagte habe dies durch eine entsprechende Bemessung des Bruttobetrags der Zuschüsse sicherzustellen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.415,86 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe die Zuschüsse nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Tarifvertrags zutreffend berechnet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger kann über die gezahlten Beträge hinaus keine weiteren Arbeitgeberzuschüsse verlangen.
1. Der Arbeitgeberzuschuss bemisst sich im Falle eines privat krankenversicherten Arbeitnehmers gemäß § 4 Nr. 2.2 Satz 2 und 3 RTV nach dem Unterschiedsbetrag zwischen 90 vH des Nettogehalts und dem Krankengeld oder Hausgeld, das der Arbeitnehmer als Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung in der Höchststufe erhalten würde. Die dem Kläger gewährten Beitragszuschüsse zu seiner privaten Kranken- und Pflegeversicherung sind kein Bestandteil des für die Berechnung des Arbeitgeberzuschusses maßgeblichen Nettogehalts.
a) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, ist der Begriff des Nettogehalts in der Rechtsterminologie mit einer bestimmten Bedeutung belegt. Verwenden die Tarifvertragsparteien einen solchen Begriff, ist davon auszugehen, dass er im Tarifvertrag dieselbe Bedeutung haben soll, soweit sich nicht aus diesem selbst etwas anderes ergibt (Senat 24. April 1996 – 5 AZR 32/95 –, zu I 1 der Gründe; 13. Februar 2002 – 5 AZR 604/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 82 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 52, zu 1 der Gründe mwN).
b) Unter Nettogehalt wird das um die gesetzlichen Abzüge, dh. die vom Arbeitnehmer zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge und die auf die Bezüge entfallende Lohnsteuer, verminderte Bruttoarbeitsentgelt verstanden (Senat 26. März 2003 – 5 AZR 186/02 – EEK 3113, zu I 1b der Gründe; 22. Oktober 1986 – 5 AZR 733/85 – BAGE 53, 217, 224 f.). Dafür, dass die Tarifvertragsparteien auf diese Begriffsbestimmung und nicht auf den dem Angestellten zugeflossenen Auszahlungsbetrag abgestellt haben, spricht auch der Sinn und Zweck des tarifvertraglichen Arbeitgeberzuschusses. Dieser besteht darin, das gesetzliche Krankengeld zu ergänzen und die dem Angestellten entstehenden wirtschaftlichen Nachteile für den in § 4 Nr. 2.2 RTV bestimmten Zeitraum zu mindern, wenn er länger als sechs Wochen arbeitsunfähig ist (Senat 26. März 2003 – 5 AZR 186/02 – aaO, zu I 3a der Gründe; 13. Februar 2002 – 5 AZR 604/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 82 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 52, zu 3 der Gründe). Daraus, dass als Berechnungsgrundlage der sich rechnerisch aus “90 v.H. des Nettogehalts” ergebende Betrag dient, wird deutlich, dass eine Aufstockung des Krankengelds auf den gesetzlichen Höchstbetrag erreicht werden soll. Dieser ist seit In-Kraft-Treten des Beitragsentlastungsgesetzes (vom 1. November 1996 BGBl. I S. 1631) am 1. Januar 1997 gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 SGB V auf “90 vom Hundert des … Nettoarbeitsentgelts” beschränkt. Nettoarbeitsentgelt in diesem Sinne ist gleichfalls das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Bruttoarbeitsentgelt (vgl. Heinze in SGB-SozVers-GesKomm Bd. 3 § 47 SGB V Anm. 5; Geyer/Knorr/Krasney Entgeltfortzahlung – Krankengeld – Mutterschaftsgeld § 47 SGB V Rn. 8).
c) Zu den insoweit für die Berechnung des Nettogehalts maßgeblichen Leistungen des Arbeitgebers zählen die nach § 257 Abs. 2 SGB V und § 61 Abs. 2 SGB XI einem privat krankenversicherten Arbeitnehmer gewährten Beitragszuschüsse nicht. Diese stellen kein Bruttoarbeitsentgelt und keinen Gehaltsbestandteil dar, sondern bilden das Gegenstück zu dem in § 249 Abs. 1 SGB V und § 58 Abs. 1, 3 SGB XI gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitgeberanteil für in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtige Beschäftigte (Senat 5. November 2003 – 5 AZR 682/02 – BAGE 108, 264, 266, zu II 2b aa der Gründe; Gerlach in Hauck/Haines SGB V K § 257 Rn. 13; HzS/Hungenberg Handbuch zum Sozialrecht Gruppe 3 SGB V Teilbereich 1: Beiträge Rn. 561a; KassKomm/Peters § 61 SGB XI Rn. 6). Sie sollen höherverdienende Arbeitnehmer bei der Verschaffung eines ausreichenden Krankenversicherungsschutzes für sich und ihre Angehörigen unterstützen und eine Hilfe bei der Finanzierung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflegeversicherung sein (BSG 1. Juni 1977 – 3 RK 2/77 – BSGE 44, 51, 53; KassKomm/Peters § 257 SGB V Rn. 2 mwN). Der Arbeitgeber soll in gleicher Weise wirtschaftlich an den Versicherungsbeiträgen beteiligt werden, wie dies bei einem versicherungspflichtigen Arbeitnehmer der Fall ist (BAG 21. Januar 2003 – 9 AZR 695/01 – BAGE 104, 289, 291, zu II 1a der Gründe mwN). Es handelt sich jeweils um eine auf öffentlich-rechtlicher Grundlage beruhende Beitragsleistung des Arbeitgebers, die er neben dem Gehalt zu erbringen hat (Senat 1. Juni 1999 – 5 AZB 34/98 – AP SGB V § 257 Nr. 1 = EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 45, zu II 2 der Gründe mwN).
d) Die Regelung des § 4 Nr. 2.2 Satz 3 RTV führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Anknüpfung an das Krankengeld oder Hausgeld, das der Angestellte “als Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung in der Höchststufe erhalten würde”, verdeutlicht das Anliegen des Tarifvertrags nach einer Gleichbehandlung mit den gesetzlich Versicherten. Dies spricht dafür, die bei der Bestimmung des Nettogehalts heranzuziehenden Einkommensbestandteile einheitlich festzulegen. Wenn der Kläger demgegenüber den Sinn und Zweck des § 4 Nr. 2.2 Satz 3 RTV darin sieht, den nicht in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten Beschäftigten ein vergleichbares, frei verfügbares Nettoeinkommen zu sichern wie den gesetzlich Versicherten, so übersieht er, dass es angesichts der Anknüpfung an die fiktiven Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung statt an die von den Beschäftigten tatsächlich bezogenen Leistungen (im Falle des Klägers das Krankentagegeld) nicht um den Ausgleich bestimmter Einkommenseinbußen geht.
e) Die Berücksichtigung der Beitragszuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung ist entgegen der Auffassung der Revision nicht zur Vermeidung einer Schlechterstellung der privat krankenversicherten Angestellten gegenüber den freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Angestellten geboten; denn die Außerachtlassung der Beitragszuschüsse des Arbeitgebers bei der Bemessung des Nettogehalts führt nicht zu einer sachwidrigen Benachteiligung der privat krankenversicherten Arbeitnehmer.
aa) Zwar sind Arbeitnehmer, die der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig beigetreten sind, gemäß § 224 Abs. 1 SGB V während des Bezugs von Krankengeld beitragsfrei krankenversichert. Diese Beitragsfreiheit stellt jedoch eine Leistung dar, die durch die Beiträge der Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen finanziert wird. Sie schlägt sich in der Beitragshöhe nieder und vermindert das den gesetzlich versicherten Arbeitnehmern frei zur Verfügung stehende Einkommen entsprechend.
bb) Demgegenüber hat es der Gesetzgeber den privat krankenversicherten Arbeitnehmern weitgehend selbst überlassen, welche Leistungen sie absichern wollen. § 257 SGB V fordert für privat krankenversicherte Beschäftigte gerade keine Vollversicherung oder auch nur einen bestimmten Umfang von Leistungen (BAG 25. Oktober 2001 – 6 AZR 342/00 – ZTR 2002, 480, 481, zu 1d der Gründe). Es liegt vielmehr in deren eigenem Verantwortungsbereich, aus dem zur Verfügung stehenden Einkommen dafür Vorsorge zu treffen, im Krankheitsfall für die Versicherungsbeiträge der privaten Krankenversicherung voll aufkommen zu müssen. Insoweit kommt auch der Abschluss einer ausreichend hohen Krankentagegeldversicherung in Betracht. Soweit sich daraus höhere Krankenversicherungsbeiträge ergeben, wird der Arbeitgeber, solange er das Entgelt schuldet, durch den nach § 257 SGB V zu leistenden Beitragszuschuss hieran hälftig beteiligt. Im Übrigen hat der Kläger zum Umfang des bezogenen Krankentagegelds nichts vorgetragen.
cc) Ein Ausgleich zwischen diesen strukturellen Unterschieden der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung ist nicht geboten. Vielmehr würde ein anderweitiges Verständnis der Tarifregelung dazu führen, dass der Arbeitgeber für den Zeitraum, während dessen er dem privat krankenversicherten Arbeitnehmer den Zuschuss nach § 4 Nr. 2.2 RTV zu leisten hat, mittelbar einen Beitragszuschuss gewähren müsste, obwohl er hierzu gesetzlich nicht mehr verpflichtet ist (vgl. Gerlach in Hauck/Haines SGB V K § 257 Rn. 36). Da Krankengeldzuschüsse, die zusammen mit dem Krankengeld den Nettolohn nicht übersteigen, auf Grund der ausdrücklichen Anordnung in § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V nicht zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt zählen (vgl. KassKomm/Seewald § 14 SGB IV Rn. 88), kann der Anspruch auf Zuschuss zum Krankengeld keinen Anspruch auf Zahlung eines Beitragszuschusses nach § 257 SGB V und § 61 SGB XI begründen.
dd) Diesem Ergebnis entspricht die Rechtsprechung des Senats, nach der bei der Bemessung der Nettovergütung in Anlehnung an die Rechtslage bei bestehender Versicherungspflicht sogar die Eigenbeiträge des Arbeitnehmers zur Krankenversicherung in Abzug zu bringen sind (26. März 2003 – 5 AZR 186/02 – EEK 3113, zu I 3 der Gründe; 5. November 2003 – 5 AZR 682/02 – BAGE 108, 264, 266 f., zu II 2b bb der Gründe).
2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die tarifliche Zuschussregelung beziehe sich auf das sog. “Bruttokrankengeld”.
a) Nach § 4 Nr. 2.2 Satz 3 RTV ist bei einem nicht in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten Angestellten das Krankengeld oder Hausgeld zugrunde zu legen, das er als Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung in der Höchststufe erhalten würde. Das fiktiv zu berechnende Krankengeld tritt an die Stelle der nach § 4 Nr. 2.2 Satz 2 RTV für die Berechnung des Arbeitgeberzuschusses maßgebenden “beitragspflichtigen Leistungen” der gesetzlichen Krankenversicherung oder Unfallversicherung, an denen es bei privat krankenversicherten Arbeitnehmern fehlt. “Beitragspflichtige Leistungen” können nur die jeweiligen Bruttoleistungen der Sozialversicherungsträger sein, aus denen die Beitragsanteile der Versicherten zu anderen Zweigen der Sozialversicherung abzuführen sind.
b) Indem die Tarifnorm auf die fiktiven Leistungen eines in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Angestellten abstellt, wird hinreichend deutlich, dass die hier verwendeten Begriffe des Krankengelds und Hausgelds in ihrer sozialversicherungsrechtlichen Bedeutung zu verstehen sind. Dies ergibt sich ferner aus dem Sinn und Zweck des Arbeitgeberzuschusses, die gesetzlichen Leistungen der Krankenversicherung zu ergänzen und privat krankenversicherten Arbeitnehmern einen vergleichbaren Ausgleich zu verschaffen. Bei dem nach § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V zu leistenden Krankengeld handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats um das volle, nicht um die Arbeitnehmeranteile zur Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung geminderte Krankengeld, also das Bruttokrankengeld. An keiner Stelle bezeichnet das Gesetz nur den dem Arbeitnehmer zufließenden Auszahlungsbetrag als Krankengeld (Senat 26. März 2003 – 5 AZR 549/02 – AP SGB V § 47 Nr. 1, zu I 1 der Gründe; 21. August 1997 – 5 AZR 517/96 – AP BGB § 616 Nr. 98, zu 3c der Gründe; 24. April 1996 – 5 AZR 798/94 – AP BGB § 616 Nr. 96 = EzA SGB V § 47 Nr. 1, zu 3 der Gründe).
c) Die Verwendung der Worte “erhalten würde”, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die abzuführenden Beiträge zählen nach der Systematik des SGB V als Leistungen der Krankenversicherung (§§ 11 ff. SGB V) zum Krankengeld, auf das der Versicherte Anspruch hat und das er im vorgenannten Sinne erhält, während die Beitragspflichten bei den einzelnen Versicherungszweigen geregelt sind (Senat 13. Februar 2002 – 5 AZR 604/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 82 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 52, zu 1 der Gründe). Die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung unmittelbar durch die Krankenkasse geschieht ausschließlich zu Gunsten der Versicherten, die die auf die Krankengeldleistung entfallenden Beiträge zur Hälfte zu tragen haben (§ 347 Nr. 5, § 349 Abs. 3 SGB III; § 170 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 176 Abs. 1 SGB VI; § 59 Abs. 2, § 60 Abs. 2 SGB XI).
d) Ein Grund, weshalb der Tarifvertrag bei den in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Arbeitnehmern auf die Bruttoleistungen der Krankenkasse, bei den privat krankenversicherten Angestellten im gleichen Zusammenhang dagegen auf die Nettoleistungen abstellen sollte, ist nicht zu erkennen. Ebenso wenig kann angenommen werden, die Tarifvertragsparteien hätten die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers nur bei den nicht gesetzlich versicherten Angestellten um die Differenz zwischen Brutto- und Nettokrankengeld erhöhen und dadurch dem Arbeitgeber entsprechende Finanzierungslasten auferlegen wollen. Der fortbestehenden Beitragslast der privat krankenversicherten Arbeitnehmer während des Bezugs von Krankentagegeld kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu.
3. Die Beklagte hat die tariflichen Ansprüche erfüllt, indem sie die Zuschüsse brutto abgerechnet und ausgezahlt hat. § 4 Nr. 2.2 RTV begründet keinen Nettolohnanspruch.
a) Der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, ob der Krankengeldzuschuss dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen ist und der Beitragspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Beklagte berechtigt und verpflichtet ist, für den Kläger Steuern und Sozialversicherungsbeiträge an das Finanzamt bzw. die nach § 28i Satz 2 SGB IV zuständige Einzugsstelle abzuführen. Der Kläger verlangt nicht diese Beträge, sondern vielmehr eine Nettozahlung mit der Begründung, die Beklagte sei arbeitsrechtlich verpflichtet, anfallende Steuern und Sozialversicherungsbeiträge selbst zu tragen.
b) Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Tarifvertrag den Arbeitgeberzuschuss nicht so ausgestaltet, dass dem Arbeitnehmer in jedem Falle Einnahmen in Höhe von 90 vH seines bisherigen Nettoeinkommens abzugsfrei zur Verfügung stehen. Ein solcher Wille kommt an keiner Stelle des Tarifvertrags zum Ausdruck. Vielmehr zeigt die Anknüpfung an die – gesetzlichen Änderungen unterliegenden – beitragspflichtigen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung oder Unfallversicherung, dass der Arbeitnehmer während des Bezugs der jeweiligen Sozialleistungen gerade nicht von den damit verbundenen, auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Beitragslasten freigestellt wird. Für eine Überwälzung auf den Arbeitgeber bedürfte es zumindest deutlicher Anhaltspunkte. Daran fehlt es. Dies gilt ebenso für die anfallenden Steuern (vgl. Senat 13. Februar 2002 – 5 AZR 604/00 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 82 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 52, zu 3 der Gründe) und betrifft auch die von einem privat krankenversicherten Arbeitnehmer zu tragenden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitsförderung.
4. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Heel, Zorn
Fundstellen
NZA 2006, 232 |
ZTR 2006, 202 |
EzA |
VersR 2006, 1520 |