Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrechtlicher Status. Operationspfleger. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Abgrenzung. Gewichtung der Abgrenzungskriterien
Leitsatz (amtlich)
Beschäftigungsverhältnis: Bei der Gesamtabwägung der für und gegen eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände sind in erster Linie maßgeblich die Verhältnisse der Tätigkeit bei der Auftragsdurchführung selbst. Bei der Gewichtung der Abgrenzungskriterien kommt daher dem Tätigkeitsbereich, der Gewinne oder Verluste erwirtschaftet, mehr Bedeutung zu, als den Tätigkeitsfeldern, die dem engeren Wirtschaftsbereich nur zuarbeiten wie zB Akquise, Marketing oder Abrechnungsmodalitäten.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 04. September 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass seine Tätigkeit als Operationspfleger für die Beigeladene zu 1) eine selbständige Tätigkeit ist.
1. Der 1970 in R. geborene Kläger erlernte nach der Mittleren Reife den Beruf eines Betonfacharbeiters, leistete den NVA-Wehrdienst ab und durchlief von 1990 bis 1991 in seinem Geburtsort eine berufsbegleitende Ausbildung zum Krankenpfleger. Von 1992 bis 1995 wurde er in D. zum examinierten Krankenpfleger ausgebildet. In diesem Beruf war er dort bis 1999 tätig. Anschließend arbeitete der Kläger als Krankenpfleger, Fachkrankenpfleger sowie als Praxisanleiter in verschiedenen Kliniken im Großraum B-Stadt, zuletzt bis 31.03.2009 in der W.-Klinik/A-Stadt.
Ab 02.04.2009 übte er die Tätigkeit des OP-Pflegers - neben einer weiteren, hier nicht gegenständlichen Tätigkeit als Pflegerausbilder in Starnberg - als Selbständiger aus. Dabei war er u.a. auch für die Beigeladene zu 1) tätig, die der Klinikträger zweier Plankrankenhäuser in B-Stadt ist. Für diese Tätigkeit veranlagte die Beigeladene zu 2) den Kläger gemäß Antrag vom 09.02.2009 als Unternehmer (Bescheid vom 25.02.2009). Die Beigeladene zu 3) bewilligte dem Kläger gemäß Antrag vom 25.03.2009 einen Gründungszuschuss für die Zeit 24.06.2009 bis 23.09.2010. (Bescheid vom 04.05.2009, Weiterbewilligungsbescheid vom 20.04.2010; vom 01.04. bis 23.06.2009 bestand eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe - Bescheid vom 14.04.2009)
2. Am 18.03.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten, seinen sozialversicherungsrechtlichen Status dahingehend festzustellen, dass die OP-Pflegertätigkeit als nicht versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu qualifizieren ist. Er legte dazu u.a. den Rahmenvertrag über freie Mitarbeit mit der Beigeladenen zu 1) vom 30.03.2009 vor und machte geltend, dass er für mehrere Auftraggeber tätig ist und dass er selbst eine Arbeitnehmerin - seine Ehefrau - beschäftigt, die über der Geringfügigkeitsgrenze entlohnt wird. Die Ehefrau des Klägers erledigt gegen ein monatliches Bruttoentgelt vHv 425,00 € Büroarbeiten. Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 09.11.2009 fest, dass der Kläger als OP-Pfleger für die Beigeladene zu 1) seit dem 02.04.2009 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis tätig ist. Der Kläger sei für von der Beigeladenen zu 1) zugewiesene Patienten tätig, er könne sich diese nicht aussuchen. Er werde funktionsgerecht dienend in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1) im jeweiligen OP-Team eingebunden tätig. Die Voraussetzungen für einen späteren Eintritt der Versicherungspflicht verneinte die Beklagte.
Dagegen erhoben der Kläger und die Beigeladene zu 1) Widerspruch. Sie machten geltend, der Kläger sei anders als angestellte OP-Pfleger nicht verpflichtet, seine Dienste nach den Erfordernissen der Klinik zu erbringen, er werde vielmehr nur an Terminen tätig, die er nach seiner eigenen Entscheidung vereinbart habe. Er sei für mehrere weitere Auftraggeber tätig, habe einen vierstelligen Betrag in eigene Arbeitsmittel (OP-Schuhe, Büroausstattung) investiert und übe aufgrund seiner mehr als 20-jährigen Berufserfahrung und seiner Weiterbildungen, welche ihn sogar zum Ausbilder qualifizierten, selbständig die OP-Pflegertätigkeiten aus. Er akquiriere stets auf dem Markt weitere Auftraggeber, sei für seine eigene Qualifikation und Fortbildung selbst verantwortlich, habe eine eigene Haftpflichtversicherung abgeschlossen und trage ein eigenes Unternehmerrisiko. Er sei bei der Beigeladenen zu 2) als Unternehmer versichert und habe einen Gründungszuschuss der Beigeladenen zu 3) erhalten. Zudem lägen die Voraussetzungen für den späteren Versicherungsbeginn vor, was sich aus vorgelegten Versicherungsbestätigungen ergebe. Auf Anforderung der Beklagten legte der Kläger Abrechnungen seiner Einsätze für die Beigeladene zu 1) vor.
Mit Teilabänderungsbescheid vom 11.05.2010 stellte die Beklagte fest, dass die Versicherungspflicht mit dem dritten Tag nach dem Datum des Bescheides vom 09.11.2009, also zum 12.11.2009, beginnt. Mit weiterem Bescheid vom 05.10.2010 stell...