hier: Neue Anforderungen an das Zusätzlichkeitserfordernis im Beitragsrecht
Zum Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung gehören nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden oder ob sie unmittelbar oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Nach § 1 SvEV sind jedoch bestimmte Einnahmen, Beiträge und Zuwendungen nicht zum Arbeitsentgelt zu zählen, wenn sie vom Arbeitgeber nach den Regelungen des Steuerrechts lohnsteuerfrei belassen oder pauschalbesteuert werden. Dies gilt für die in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 4 und 4a SvEV näher bezeichneten Einnahmen, Beiträge und Zuwendungen jedoch nur dann, wenn sie zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden. Für die Steuerfreiheit oder Pauschalbesteuerung bestimmter Zuwendungen sieht bereits das Steuerrecht das Zusätzlichkeitserfordernis vor.
Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben sich mit dem Zusätzlichkeitserfordernis zuletzt in ihrer Besprechung über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 20./21.11.2013 befasst (vgl. TOP 7 der Niederschrift). Dem Verständnis der bisherigen Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) zum beitragsrechtlichen Zusätzlichkeitserfordernis folgend wurde davon ausgegangen, dass das Zusätzlichkeitserfordernis im Steuerrecht restriktiver auszulegen ist als im Beitragsrecht der Sozialversicherung.
Demnach wurde angenommen, dass im Sozialversicherungsrecht ein Entgeltverzicht beziehungsweise eine Entgeltumwandlung dann zur Beitragsfreiheit der daraus resultierenden Arbeitgeberleistung führt, wenn der Verzicht ernsthaft gewollt und nicht nur vorübergehend sowie auf künftig fällig werdende Arbeitsentgeltbestandteile gerichtet und arbeitsrechtlich zulässig ist. Im Steuerrecht kann hingegen das Zusätzlichkeitserfordernis grundsätzlich nicht durch Entgeltumwandlungen erfüllt werden.
Das BSG hat nunmehr zum beitragsrechtlichen Zusätzlichkeitserfordernis mit Urteil vom 23.2.2021, B 12 R 21/18 R (USK 2021-6), zwischen einem für das Beitragsrecht der Sozialversicherung wirksamen Entgeltverzicht und dem beitragsrechtlichen Zusätzlichkeitserfordernis differenziert. Es hat zu dem entschiedenen Sachverhalt aus dem Jahr 2010 zwar den beitragsrechtlich wirksamen Entgeltverzicht bestätigt, jedoch die Zusätzlichkeit und damit die Beitragsfreiheit der anstelle des entfallenen Entgeltbestandteils gewährten Zuwendung in Form von steuerfrei behandelten Tankgutscheinen und Werbeflächenentgelten des Arbeitgebers ausgeschlossen.
Die betreffenden Zuwendungen waren nach Ansicht des Gerichts integrale Bausteine in der mit der Vertragsergänzung herbeigeführten neuen Zusammensetzung des Entgelts. In der neu gestalteten Vergütungsstruktur wurden diese arbeitgeberseitigen Zuwendungen nicht zusätzlich zu der zuvor vereinbarten Entlohnung gewährt. Sie stellten vielmehr teilweise Surrogate für den Bruttolohnverzicht und damit nicht abtrennbare, integrale Bestandteile der insgesamt vereinbarten neuen Vergütung dar. Vor- und Nachteilseinräumung durch Entgeltverzicht auf der einen und ergänztes Leistungsspektrum auf der anderen Seite seien Konnex und bilden eine einheitliche Vereinbarung, die insgesamt im Rahmen des gegenseitigen Austausches zustande gekommen und nicht trennbar ist.
Das vorgenannte Urteil des BSG steht der bisher vertretenen Auffassung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung entgegen. Insofern ist das beitragsrechtliche Zusätzlichkeitserfordernis unter Beachtung der Grundsätze des BSG neu zu definieren.
Danach werden Arbeitgeberleistungen nicht zusätzlich gewährt, wenn sie ein teilweises Surrogat für den vorherigen Entgeltverzicht bilden. Davon ist auszugehen, wenn sie kausal mit der Beschäftigung verknüpft sind, indem sie fester Bestandteil der Entgeltvereinbarung und somit des aus der Beschäftigung resultierenden Entgeltanspruchs werden. Von einem entsprechenden Surrogat und damit der Zusätzlichkeit einer nach einem Entgeltverzicht gewährten Arbeitgeberleistung entgegenstehend ist daher insbesondere auszugehen, wenn
- ein unwiderruflicher Anspruch auf die "neuen" Leistungen und
- die Berücksichtigung der "neuen" Leistungen als Bestandteil der Bruttovergütung für künftige Entgeltansprüche – wie z.B. Entgelterhöhungen, Prämienzahlungen, Urlaubsgeld, Ergebnisbeteiligung oder Abfindungsansprüche
eingeräumt wird.
Dafür spricht beispielsweise die ausdrückliche Berücksichtigung der "neuen" Leistungen in der monatlichen Entgeltabrechnung als gesonderte Entgeltbestandteile im Zusammenhang mit der regelmäßig ausgewiesenen Summe des vertraglichen Entgeltverzichts. Werden die "neuen" Leistungen hiernach integrale Bausteine in der neuen Zusammensetzung des Entgelts, stellen sie (teilweise) Surrogate für den Bruttolohnverzicht und damit nicht abtrennbare, integrale Bestandteile der insgesamt vereinbarten neuen Vergütung dar.
Im Ergebnis kommt es für den Ausschluss der Zusätz...