Die Nettolohnoptimierung und ihre teuren Folgen


Nettolohnoptimierung und ihre teuren Folgen

Oft hören sich Dinge zunächst ganz einfach an und sind es letztlich gar nicht. Das gilt auch für die Nettolohnoptimierung, warnt unsere Kolumnistin Christiane Droste-Klempp. Denn dieses augenscheinlich simple und attraktive Instrument, um die Lohnkosten im Unternehmen dauerhaft zu senken und zu optimieren, hat so seine Tücken.

"Attraktiver als wir, kann ein Unternehmen kaum sein!" Darauf die Frage des Gesprächspartners: "Was macht euch denn so attraktiv?" Die Antwort: "Also bei uns wird ordentlich gefeiert. Es gibt nicht nur ein Sommerfest und eine Weihnachtsfeier, sondern auch zahlreiche Teamevents und Grillabende. Dann haben wir tolle Entgeltumwandlungssysteme für E-Bikes, für die betriebliche Altersversorgung, für Zeitwertkonten und ganz neu jetzt auch für ein Handy und/oder Laptop - und das alles neben unseren attraktiven tariflichen Regelungen." Ungefähr so verlief kürzlich ein Gespräch auf einer Bahnfahrt, dessen zufällige Zuhörerin ich wurde.

Nicht alles ist so einfach, wie es klingt

Tief Luft holen und nicht einmischen, sagte ich zu mir. Ob diese Person weiß, was hierbei steuer- und sozialversicherungsrechtlich alles zu beachten ist, damit es bei Prüfungen nicht zu unschönen Haftungsfragen und zu kostenintensiven Nachzahlungen kommt? "Spielverderberin" höre ich den Erzähler sagen - nur leider ist dies die Realität, denn die Regelungen, die im Bereich des Steuer- und Sozialversicherungsrechtes zu beachten sind, sind komplex und für Personen ohne Fachwissen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht nicht zu verstehen.

Fakt ist, dass Unternehmen mehr denn je gefordert sind, sich immer attraktiver, moderner und flexibler aufzustellen, um anderen Firmen gegenüber im Kampf um gute Mitarbeitende die Nase vorne zu haben. Folglich haben Beratungsfirmen mit Modellen, die den Nettolohn optimieren sollen, ein leichtes Spiel.

Einschub: Bedeutung der Nettolohnoptimierung

Stellen Sie sich vor, Sie hätten unglaublich gerne ein E-Bike und gehen zum Fahrradladen Ihres Vertrauens. Dort steht auch genau das richtige E-Bike für Sie, nur leider mit einem Kaufpreis von 4.000 Euro. Zerknirscht gehen Sie nach Hause, weil Sie sich dies nicht leisten können. Nun kommt Ihr Arbeitgeber mit einem neuen Modell um die Ecke: Sie können von Ihrem Bruttogehalt auf zum Beispiel zarte 150 Euro (entspricht der Leasingrate) verzichten und müssen zusätzlich nur einen kleinen Betrag für Ihr E-Bike zusätzlich versteuern sowie verbeitragen, sodass Sie unter dem Strich einen deutlichen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorteil haben. Sie haben so monatlich nicht 150 Euro weniger im Geldbeutel, sondern je nach Steuerklasse nur einen Aufwand von circa der Hälfte. Fazit: Für ungefähr 75 Euro hätten Sie dieses E-Bike privat niemals leasen können.

Risiko der augenscheinlich so attraktiven Nettolohnoptimierungsmodelle

Doch wussten Sie, dass wir bei laufenden Entgeltbestandteilen, die für solche Umwandlungsmodelle im Regelfall genutzt werden, im Sozialversicherungsrecht ein sogenanntes Entstehungsprinzip haben und dass selbstverständlich dieses Arbeitsentgelt einem Leistungsrecht gegenübersteht und eben hierfür die entsprechenden sozialversicherungsrechtlichen Beiträge zu zahlen sind, um hieraus u. a. einen Anspruch auf eine Altersrente zu erhalten? Das heißt, dieses laufende Arbeitsentgelt ist begrenzt auf die jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen für die Beitragspflicht heranzuziehen - und zwar genau in der Höhe, wie es arbeitsrechtlich zugesagt ist, beispielsweise durch einen Tarifvertrag.

Sollten nun Entgeltbestandteile in steuer-/sozialversicherungsfreie bzw. steuer-/sozialversicherungsbegünstigte Bestandteile umgewandelt werden, so kann dies mit Tarifentgelt sozialversicherungsrechtlich nur gelingen, wenn es für diesen Verwendungszweck auch eine entsprechende Öffnungsklausel im Tarifvertrag gibt. Fehlt eine solche Öffnungsklausel, dann kann ein Rentenversicherungsprüfer für eine wahrhaft teure Überraschung sorgen, da der Arbeitgeber nach § 28g SGB IV als Schuldner der Sozialversicherungsbeiträge für den Gesamtbetrag aufkommen muss!

Wenn das Wörtchen "zusätzlich" nicht wäre ...

Darüber hinaus - so setze ich im Geiste das Gespräch mit dem Herrn im Zug fort - gibt es den Begriff "zusätzlich", der sowohl im Steuer- als auch im Sozialversicherungsrecht eine eigene Bedeutung hat. So sollte man, um steuerrechtlich eine Entgeltumwandlung korrekt anzuwenden, § 8 Abs. 4 EstG kennen, denn in diesem Paragrafen ist geregelt, was "zusätzlich" genau bedeutet. Wenn demnach eine neue Entgeltumwandlungsidee für beispielsweise ein Jobticket/Deutschlandticket eingeführt werden soll, ist es wichtig zu erkennen, dass die nach § 3 Nr. 15 EstG gewünschte Steuerfreiheit für den ÖPNV nur gelingen kann, wenn die Zusätzlichkeit, die in diesem Paragrafen Bedingung ist, steuerrechtlich korrekt verstanden wird.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Sozialversicherung ein ganz eigenes Verständnis der "Zusätzlichkeit" hat und dass erst kürzlich in einem Besprechungsergebnis klargestellt wurde, dass eine Entgeltumwandlung für Datenverarbeitungsgeräte wie Handy und/oder Laptop nicht mehr unterstützt wird. Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vertreten für das Beitragsrecht die Auffassung, dass solche Leistungen zusätzlich zum Lohn oder Gehalt hinzukommen müssen, um sozialversicherungsfrei zu sein. Sozialversicherungsrechtlich wird eine Entgeltumwandlung für Datenverarbeitungsgeräte nur noch mit der gleichzeitigen Bewertung der Leasingrate für diese Geräte als "geldwerter Vorteil" (leider ohne Bewertungsvorteil wie beim E-Bike) anerkannt - und das, obwohl die Steuer hier nach § 3 Nr. 45 EstG überhaupt keine Zusätzlichkeit vorsieht.

Sie sehen: Das Thema Nettolohnoptimierung ist sehr verzwickt. Ich hatte den Mut, den Herrn auf dem Bahnsteig anzusprechen und ihm mitzuteilen, dass ich zufällig Zuhörerin seines Gesprächs über "AG-Attraktivität" wurde und dass ich ihm anraten würde, solche Sachverhalte intensiv – im Zweifel mit Unterstützung von Finanzamt und Krankenkasse – zu prüfen, um Haftungs- und Nachzahlungsrisiken zu vermeiden. Und siehe da: Er war überrascht ob der Komplexität des Sachverhalts und hat sich bei mir bedankt!


Christiane Droste-Klempp arbeitet im eigenen Unternehmen als Trainerin, Beraterin und Projektleiterin für sämtliche Themen des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts und berät seit vielen Jahren Unternehmen bei der Auswahl und Umsetzung strategischer Personalmodelle.