TOP 1 Versicherungsrechtliche Beurteilung in Deutschland beschäftigter Mitglieder von Organen einer monistisch organisierten Europäischen Gesellschaft (SE)
Nach § 1 Satz 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III sind Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft in einer Beschäftigung in den Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören nicht versicherungspflichtig bzw. versicherungsfrei, wobei Konzernunternehmen i.S.v. § 18 AktG als ein Unternehmen gelten. Über den Wortlaut hinaus sind auch Vorstandsmitglieder großer Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit von der Renten- und Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen, weil diese durch eine Reihe von Vorschriften des VAG den Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften gleichgestellt sind (BSG, Urteil vom 27.3.1980, 12 RAr 1/79, USK 8094).
Nach dem Urteil des BSG vom 27.2.2008, B 12 KR 23/06 R (USK 2008-28) sind die Ausnahmebestimmungen der § 1 Satz 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III auf Organmitglieder ausländischer Kapitalgesellschaften weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Eine tatbestandliche Gleichstellung von Mitgliedern des Vorstandes einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht (AGdR) und den Mitgliedern eines Organes einer europäischen Kapitalgesellschaft ist nur bei Vorliegen einer gesetzlichen Äquivalenzregel aus einschlägigem, unmittelbar zu beachtendem ggf. internationalem Recht einschließlich dem Gemeinschaftsrecht zulässig.
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung Festlegungen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung in Deutschland beschäftigter Organe einer Europäischen Gesellschaft (SE) mit monistischer oder dualer Struktur getroffen. Danach sind zwar die Verwaltungsratsmitglieder einer dualistisch strukturierten SE den Vorstandsmitgliedern des Vorstandes einer AGdR tatbestandlich gleichgestellt, nicht aber die Verwaltungsratsmitglieder einer monistisch strukturierten SE wegen derer strukturellen Besonderheiten (vgl. TOP 1 der Niederschrift über die Besprechung über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 13./14.10.2009).
Mit der versicherungsrechtlichen Beurteilung von in Deutschland beschäftigten Mitgliedern des Verwaltungsrates einer monistisch strukturierten SE hat sich das BSG in seinen Entscheidungen vom 7.7.2020, B 12 R 19/18 R und B 12 R 27/18 R (USK 2020-32) befasst.
Das BSG hat entschieden, dass auch Verwaltungsratsmitglieder einer monistisch strukturierten SE nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 3 SGB VI unterliegen und versicherungsfrei nach dem Recht der Arbeitsförderung gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III sind. Zwar gelten die Ausnahmebestimmungen nicht unmittelbar, da ein Verwaltungsratsmitglied kein Mitglied des "Vorstandes" einer AGdR ist. Die Mitglieder des Verwaltungsrates einer SE sind den Mitgliedern des Vorstandes einer AGdR jedoch tatbestandlich gleichgestellt, weil die für die SE maßgebenden Rechtsgrundlagen entsprechende Äquivalenzregelungen enthalten. Eine rechtliche Gleichstellung erfordert nach Auffassung des BSG nicht die Bezugnahme auf sämtliche Vorschriften des AktG. Notwendig, aber auch ausreichend ist die weitgehende rechtliche Gleichstellung von Vorstandsmitgliedern einer AGdR und Verwaltungsratsmitgliedern einer SE. Für diese Auslegung spreche das Regelungskonzept der VO (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-VO), wonach weitgehende Kongruenz zwischen SE und der nationalen AG hergestellt werden soll. Auch das "Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-Ausführungsgesetz - SEAG)" habe als Kernanliegen eine Gleichbehandlung beider Gesellschaftsformen.
Die Besprechungsteilnehmer vertreten die Auffassung, dass den Urteilen des BSG vom 7.7.2020 über die entschiedenen Einzelfälle hinaus grundsätzliche Bedeutung beizumessen und zu folgen ist. An der bisher vertretenden anderslautenden Auffassung wird nicht mehr festgehalten. Mitglieder des Verwaltungsrates einer monistisch strukturierten SE unterliegen daher nach § 1 Satz 3 SGB VI nicht der Rentenversicherungspflicht und sind nach § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III versicherungsfrei in der Arbeitslosenversicherung. Hiernach ist spätestens für Entgeltabrechnungszeiträume ab 1.4.2021 zu verfahren.
TOP 2 Versicherungsrechtliche Beurteilung der Mitarbeiter der aufgrund der Corona-Pandemie eingerichteten Impf- und Testzentren sowie dort angeschlossener mobiler Impf- und Testteams sowie beitragsrechtliche Behandlung von Einnahmen aus derartigen Tätigkeiten
Nach der nationalen Impfstrategie COVID-19 werden Schutzimpfungen gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in der ersten Phase der Durchführung in besonderen Impfzentren einschließlich dort angeschlossener mobiler Impfteams erbracht. In Testzentren einschließlich dort angeschlossener mobiler Testteams werden bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 durchgeführt.
Für die versicherungsrechtliche Beurteilung der in den eingerichteten Impf- und Testzentren sowie dort angeschlossener mobiler Impf- und Testteams tätig werdenden Ärzte sowie des übrigen medizinischen und nichtmedizinischen Personals gelten grundsätzlich keine besonderen Regelungen. Es finden die allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung einer abhängigen Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit...