OFD Karlsruhe, Verfügung v. 16.9.2019, S 130.1/1429 – St 217
Zur einheitlichen Anwendung und Auslegung des Artikels 15a Absatz 2 des deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 27.10.2010 (BGBl 2011 II S. 1092) haben die zuständigen Behörden, gestützt auf Artikel 26 Absatz 3 DBA, am 12.10.2018 die nachstehende Konsultationsvereinbarung abgeschlossen:
„Nichtrückkehr eines Grenzgängers aufgrund der Arbeitsausübung nach Artikel 15a Absatz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11.8.1971 (DBA)
Gestützt auf Artikel 26 Absatz 3 des DBA haben die zuständigen Behörden der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft Folgendes vereinbart:
Eine Nichtrückkehr aufgrund der Arbeitsausübung liegt namentlich dann vor, wenn die Rückkehr an den Wohnsitz aus beruflichen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs ist eine Rückkehr der unselbstständig erwerbstätigen Person nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz insbesondere nicht zumutbar, wenn die kürzeste Straßenentfernung für die einfache Wegstrecke über 100 Kilometer beträgt. Bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist eine Rückkehr nach Arbeitsende an den Wohnsitz insbesondere nicht zumutbar, wenn die schnellste Verbindung zu den allgemein üblichen Pendelzeiten für die einfache Wegstrecke länger als 1,5 Stunden beträgt. Von einem Nichtrückkehrtag ist bei vorliegender Unzumutbarkeit der Rückkehr nur auszugehen, wenn die unselbstständig erwerbstätige Person glaubhaft macht, dass sie tatsächlich nicht an ihren Wohnsitz zurückgekehrt ist.
Diese Konsultationsvereinbarung soll Anwendung finden für Sachverhalte ab dem 1.1.2019.”
Die Verständigungsvereinbarung wurde im BStBl 2018 I S. 1103 veröffentlicht.
Die bisherige Verständigungsvereinbarung vom Juni 1999 ist insoweit ab Anwendung der vorstehenden Vereinbarung überholt.
Jedoch enthielt die bisherige Verständigungsvereinbarung zusätzlich folgenden Satz:
„Ferner ist eine Rückkehr an den Wohnsitz in der Regel unzumutbar, wenn der Arbeitgeber die Wohn- bzw. Übernachtungskosten des Arbeitnehmers trägt.”
Die Konsultationsvereinbarung zur Zumutbarkeit vom 12.10.2018 hebt diesen Satz jedoch nicht auf, daher ist diese Regelung auch weiterhin anzuwenden.
Zur Anwendung der neuen Verständigungsvereinbarung weise ich auf Folgendes hin:
Grundsätzlich gilt, dass bei Betrachtung der Zumutbarkeit das in der Regel genutzte Verkehrsmittel herangezogen wird. Dies hat der Steuerpflichtige nachzuweisen. Wird einem Arbeitnehmer vom seinem Arbeitgeber ein PKW zur privaten Nutzung überlassen, besteht die widerlegbare Vermutung, dass dieser PKW auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt wird. Die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist durch geeignete Nachweise zu belegen. Der Nutzung eines PKWs ist die Nutzung eines Zweirads oder ähnlicher motorbetriebener Fahrzeuge (z.B. Motorrad, Trike) gleichgestellt.
1. Nutzung PKW
Bei der Prüfung der Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsplatz ist darauf zu achten, dass bei dem Routenplaner die kürzeste Strecke bei den Einstellungen hinterlegt ist. In entsprechender Anwendung von Tz. 1.4 des Schreiben des BMF vom 31.10.2013 (BStBl 2013 I S. 1376) ist eine Fährverbindung bei der Ermittlung der Straßenverbindung mit einzubeziehen, soweit diese zumutbar erscheint und wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Fähre stellt insoweit ein öffentliches Verkehrsmittel dar. Es liegt dann ein Fall der Mischnutzung vor, vgl. Tz. 3.
2. Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel
Bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist die Zeitdauer für die Wegstrecke so zu ermitteln, als ob der Steuerpflichtige seine Wohnung zu Fuß verlässt und die gesamte Wegstrecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegt. Ob er tat sächlich mit dem Fahrrad oder mit dem Auto einen Teil der Strecke, z.B. bis zum nächst gelegenen Bahnhof, zurücklegt, ist hierbei unbeachtlich. Erfahrungen haben gezeigt, dass für die Ermittlung der Strecke der Navigator der Deutschen Bahn sehr präzise ist. Nutzt der Steuerpflichtige neben öffentlichen Verkehrsmitteln auch eigene Fahrzeuge, so liegt ein Fall der Mischnutzung vor, vgl. Tz. 3 der Verfügung.
3. Fall der Mischnutzung
Nutzt ein Steuerpflichtiger neben den öffentlichen Verkehrsmitteln auch seinen PKW, so kommt es bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Rückkehr auf das überwiegend genutzte Transportmittel an. Hierbei sind sowohl die zeitlichen als auch die räumlichen Aspekte gleichwertig heranzuziehen.
Überwiegt ein Verkehrsmittel in zeitlicher oder entfernungsmäßiger Hinsicht, ist die Strecke zwischen Wohnsitz und Arbeitsort so zu betrachten, als hätte der Steuerpflichtige die ganze Wegstrecke dieses Verkehrsmittel genutzt.
4. Besonderheit Fähre
Wird eine Fähre zur Überquerung des Bodensees verwendet, so gilt die Fahrtstrecke der Fähre zei...