Die vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze hat der Bundesgerichtshof (BGH) Anfang 2023 in seiner Entscheidung zur Betriebsrätevergütung bei Volkswagen aus der strafrechtlichen Perspektive strenger bewertet, also den Raum für zulässige Anpassungen der Betriebsratsvergütung nach oben weiter eingegrenzt[1]:

  • Der BGH knüpft zur Bemessung der Vergütung – ebenso wie das Bundesarbeitsgericht – im ersten Schritt an die Vergleichsgruppenbetrachtung an. Entscheidend sei demnach zunächst einmal die betriebsübliche berufliche Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer. In Übereinstimmung mit dem Bundesarbeitsgericht nimmt der BGH an, die Zahlung einer höheren Vergütung als derjenigen nach der Vergleichsbetrachtung setze voraus, dass der Betriebsrat nur in Folge der Amtsübernahme nicht in die entsprechend vergütete Position aufgestiegen ist, was von diesem dargelegt und bewiesen werden müsse.

    Der BGH deutet in seinen nicht ganz klar formulierten Entscheidungsgründen jedoch an, dass dieser von einem nicht nur faktischen, sondern rechtlichen Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen der Vergleichsgruppenbetrachtung und der hypothetischen Betrachtung ("Sonderkarriere") ausgeht. Das Bundesarbeitsgericht geht hingegen davon aus, dass die Vergütungsbemessung anhand der Vergleichsgruppe dem Betriebsratsmitglied eine Mindestvergütung sichere. Gleichrangig daneben könne ein Anspruch auf eine höhere Vergütung nach der sog. Sonderkarriere bestehen.

    Der BGH scheint also anzunehmen, dass sich aus der Vergleichsgruppenbetrachtung regelmäßig die Obergrenze für die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern ergebe. Diese Sichtweise würde die Möglichkeiten von Arbeitgebern, sich gegen den Vorwurf überhöhter Betriebsratsvergütungen zu wehren, im Zweifel deutlich einschränken. In der praktischen Konsequenz würde dies bedeuten, dass von der Vergleichsgruppenbetrachtung "nach oben" nur abgewichen werden darf, wenn die Feststellungen positiv ergeben, dass das Betriebsratsmitglied die zur höheren Vergütung führende berufliche Entwicklung ohne seine Amtstätigkeit tatsächlich genommen hätte, d. h. keine Umstände im Zusammenhang mit dem Betriebsratsamt bei der Entscheidung eine Rolle gespielt haben. Dies ist in der Praxis absehbar mit massiven Beweisproblemen verbunden und wird regelmäßig dazu führen, dass der Nachweis dessen nicht gelingt und in der Folge eine die Vergleichsgruppenbetrachtung übersteigende Vergütung eine rechtswidrige Begünstigung des Betriebsratsmitglieds darstellt. Nicht zuletzt widerspricht diese Auffassung der erwähnten arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung.

  • Der BGH hat weiter klar ablehnend zu der umstrittenen (von dem Bundesarbeitsgericht bislang nicht entschiedenen) Frage Stellung bezogen, ob die im Rahmen der Betriebsratstätigkeit erworbenen Qualifikationen für Vergütungszwecke berücksichtigt werden dürfen. Erfolgreich absolvierte Managementprüfung, Verhandlungen mit Vorständen und Managern "auf Augenhöhe" und die Bearbeitung komplexer Aufgaben durch ein Betriebsratsmitglied spielen im Rahmen der beruflichen und vergütungsmäßigen Entwicklung somit keine Rolle. So soll eine hypothetische Sonderkarriere eines Betriebsratsmitglieds, die durch die Amtsausübung bedingt ist, verhindert werden.

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